Umsiedlungsort Berrenrath

Neu-Berrenrath, Neuberrenrath

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Hürth
Kreis(e): Rhein-Erft-Kreis
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 52′ 30,99″ N: 6° 48′ 50,1″ O 50,87527°N: 6,81392°O
Koordinate UTM 32.346.200,04 m: 5.638.231,68 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.557.331,28 m: 5.638.086,99 m
  • Gedenktafel Umsiedlung Berrenrath (2014)

    Gedenktafel Umsiedlung Berrenrath (2014)

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    Wendelinusstraße in Berrenrath (2014)

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    Umsiedlungsort Berrenrath (2014)

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    Berrenrather Lichtspielhaus (BerLi; 2014)

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  • Katholische Kirche Sankt Wendelinus im Umsiedlungsort Berrenrath (2014)

    Katholische Kirche Sankt Wendelinus im Umsiedlungsort Berrenrath (2014)

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  • Gedenkstein Umsiedlung Berrenrath (2014)

    Gedenkstein Umsiedlung Berrenrath (2014)

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    Gedenkstein 50 Jahre Umsiedlung Berrenrath (2014)

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Der im Jahr 922 erstmals urkundlich erwähnte Ort Berrenrath wurde zwischen 1953 und 1959 im Zuge des Braunkohlenabbaus an die jetzige Stelle umgesiedelt.

Geschichte des Ortes Berrenrath bis zur Umsiedlung
Die Umsiedlungsplanung
Neu-Berrenrath
Anspruch und Wirklichkeit der Umsiedlungsplanung Berrenrath
Kulturhistorische Bedeutung
Hinweise / Internet

Geschichte des Ortes Berrenrath bis zur Umsiedlung
Die urkundliche Ersterwähnung Berrenraths datiert in das Jahr 922. Erzbischof Hermann I. schenkte den Ordensschwestern der hl. Jungfrau unter anderem einen Salhof in „Bairincrothe“ (Berrenrath). 1236, kurz nach der Gründung des Klosters Burbach (Zisterzienserinnenkloster Marienborn), erwarben die Zisterzienserinnen den Fronhof in Berrenrath und errichteten 1298 eine Säule mit dem heiligen Wendelinus als Wallfahrtsziel. 1623 wurde diese durch eine Kapelle ersetzt. 1849/1850 wurde Berrenrath zur selbständigen Pfarrei erhoben (Faust 2009, S. 22).
Das in Mittelalter und Frühneuzeit landwirtschaftlich geprägte Dorf wurde mit der Intensivierung des Braunkohlenbergbaus und der Industrialisierung ab dem 20. Jahrhundert zunehmend verändert. Während die Anzahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten sank, stieg die Anzahl der Wohnbevölkerung und der in der Industrie Beschäftigten erheblich, sodass Berrenrath baulich verdichtet wurde (Dickmann 1996, S. 101) und sich zu einer Bergarbeiterwohngemeinde entwickelte (Roloff in Klug 1961, S. 246).
Von Osten, Westen und Süden reichten in den 1920er Jahren die Abbauflächen der Gruben Berrenrath, Alt-Engelbert, Neu-Engelbert sowie Vereinigte Ville an Berrenrath heran, sodass der Ort nur noch in nordöstlicher Richtung Anbindung an die Nachbargemeinden hatte. Die Nähe zu den Industrieanlagen Knapsack sowie den Gruben brachte erhebliche Beeinträchtigungen mit sich (Grundwasserabsenkungen, Gebäudeschäden und Immissionen), sodass bereits damals der Wunsch nach einer Umsiedlung innerhalb der Bevölkerung laut wurde. Dessen Umsetzung scheiterte jedoch an der Weigerung des Bergbauunternehmens, die Kosten für eine Umsiedlung zu tragen (Dickmann 1996, S. 101).
Mit dem Ende des Braunkohlenabbaus in der unmittelbaren Umgebung im Laufe der 1920er Jahre und Verfüllung und Rekultivierung der Abbauflächen verbesserten sich die Wohnbedingungen. Ende der 1930er Jahre wurde Berrenrath um die Werkssiedlung „Siedlung Berrenrath“ auf rekultiviertem Gelände erweitert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entschloss sich die Roddergrube AG, den unter Berrenrath lagernden mächtigen Braunkohlenflöz im Zuge des Tagebaus Gotteshülfe abzubauen (Roloff in Klug 1961, S. 246; Dickmann 1996, S. 101). Die Bevölkerung sollte nun doch „neu für alt“ entschädigt werden, dass heißt die Bergbaugesellschaft ließ neue Häuser für die Umsiedelnden errichten (Dickmann 1996, S. 101).

Bei einer Volksversammlung im Oktober 1950 stimmten die Berrenrather Bürger mit einer Zweidrittelmehrheit für die geschlossene Umsiedlung und Erhaltung der Ortsgemeinschaft (Roloff in Klug 1961, S. 247). Die geheime Abstimmung zur Wahl des Standortes von Neu-Berrenrath wurde am 10. Juni 1951 durchgeführt; die Mehrheit der Bürger (ca. 95%) entschieden sich für den sogenannten Standort III auf seit 1940/1941 ausgekohltem und rekultiviertem Gelände der Grube Berrenrath, 600 Meter vom alten Siedlungsstandort entfernt (Roloff in Klug 1961, S. 248). Die ersten Gebäude wurden 1953 errichtet und die Umsiedlung von insgesamt 1979 Personen bis 1959 abgeschlossen (Dickmann 1996, S. 90). Noch im gleichen Jahr wurde Alt-Berrenrath abgebaggert.
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Die Umsiedlungsplanung
Die Planung sollte nach dem 1950 erlassenen „Gesetz über die Gesamtplanung im rheinischen Braunkohlenrevier“ erfolgen und unterstand somit einer neuartigen übergeordneten räumlichen Strukturplanung. Das damalige städtebauliche Leitbild sah für Hürth „die Form eines aufgelockerten Siedlungsringes unter Einbeziehung der ausgekohlten und rekultivierten Flächen, aber auch der Industriegebiete“ (Dickmann 1996, S. 104) vor. Die einzelnen Siedlungseinheiten sollten durch Grünflächen voneinander getrennt sein. Die Roddergrube AG beauftragte mit der Planung und Durchführung Professor Dr.-Ing. habil. Hermann Roloff. Er sollte auch das gesamtstädtische Konzept entwickeln, wodurch gewährleistet war, dass „im Gegensatz zu anderen Umsiedlungsmaßnahmen die übergeordnete Siedlungsstruktur Berücksichtigung fand und eine Abstimmung mit der kommunalen Gebietsentwicklung angestrebt wurde“ (Dickmann 1996, S. 104). Bezüglich der Umsiedlung des Ortes oblag Roloff die Bauaufnahme und Strukturuntersuchung des alten Ortes, die städtebauliche Neuplanung, die Umsiedlungs- und Entschädigungsverhandlungen mit den einzelnen Umsiedlern sowie die Planung der neuen Gebäude (Roloff in Klug 1961, S. 246).
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Neu-Berrenrath
Berrenrath ist die erste Umsiedlung des Standorttyps I „Isolierter Standort mit eigenständiger Struktur des Umsiedlungsortes“ (Dickmann 1996). „Bei diesen im Südrevier liegenden Siedlungen handelt es sich auch nach Abschluss der Umsiedlung um große Ortsteile mit mehr als 1000 Bewohnern. Die Neuanlage dieser Siedlungen erfolgte im Kernbereich des nächstgelegenen Versorgungszentrums der Aufnahmegemeinde, dem die Umsiedlungsstandorte funktional (hinsichtlich Verwaltung, Versorgung etc.) eindeutig zugeordnet sind. Sie zählen zu den ersten Umsiedlungen im Süden des Reviers und entsprechen dem 'Idealschema' des Umsiedlungsverfahrens, da sie auf rekultiviertem Gelände und in unmittelbarer Nachbarschaft zum alten Ort errichtet werden konnten. Die Verlagerung der Siedlung vollzog sich nur über wenige hundert Meter. Die isolierte Lage inmitten der Flur unterstreicht die Eigenständigkeit der Orte, die mit einer großen Anzahl an Gemeinbedarfseinrichtungen (eigene Kirche, Kindergarten etc.) ausgestattet sind. Auch wenn diese Orte inzwischen Teile von Mittelstädten bilden, so sind sie doch aufgrund der klaren räumlichen Trennung von der aufnehmenden Gemeinde als eigener kleiner Siedlungsbereich weiterhin erkennbar“ (Dickmann 1996, S. 92).

Neu-Berrenrath wird erschlossen von der Wendelinusstraße, die auf Wunsch der umgesiedelten Bevölkerung allen Verkehrsansprüchen entsprechen sollte. So hat diese Hauptstraße im Bereich zwischen Brüggener Straße und dem Wendelinusplatz „neben Bürgersteigen und Vorgärten eine 8,50 m breite Ortsdurchfahrt und eine durch einen sehr breiten Grünstreifen getrennte parallellaufende Ortsfahrbahn von 6,00 m Breite erhalten“ (Roloff in Klug 1961, S. 248f). Entlang der Wendelinusstraße und um den Wendelinusplatz befinden sich die Einrichtungen des täglichen Bedarfs (Post, Einzelhandel, Gewerbe, Handwerk) sowie im Süden Berrenraths die öffentliche Infrastruktur (Kirche St. Wendelinus 1956/57, Schule, Kino „BerLi“). Der Wendelinusplatz ist gleichzeitig ein Festplatz und Standort zweier Gedenksteine zur Umsiedlung Berrenraths. Das „Dorfzentrum“ liegt auffallend südlich der räumlichen Dorfmitte, um auch für die Bewohnerinnen und Bewohner der „Siedlung Berrenrath“ das Prinzip der kurzen Wege zu gewährleisten (Roloff in Klug 1961, S. 249). Östlich und westlich der Haupterschließungsstraße befinden sich die Wohnstraßen mit überwiegend Einfamilienhäusern in offener Bauweise, Vorgärten und großen Gärten. Auf dem Berrenrather Waldfriedhof befindet sich ein Sammelgrab der Gebeine aus dem früheren Friedhof.
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Anspruch und Wirklichkeit der Umsiedlungsplanung Berrenraths
Nach Abschluss der Umsiedlung wurde Berrenrath oft als musterhafter Umsiedlungort dargestellt, entsprach er doch den städtebaulichen Leitbildern und der Architektur damaliger Vorstellungen in der Nachkriegszeit. Entsprechend wurde der Braunkohlenabbau als „die Chance zur Strukturverbesserung des ländlich-kleinstädtischen Raumes“ propagiert (Buschmann et al. 2008, S. 245). Bereits vor der Umsiedlung hatte es in Berrenrath keine landwirtschaftlichen Betriebe mehr gegeben, da der Haupterwerb der Berrenrather Bevölkerung sich in die Braunkohlenindustrie verlagert hatte. Die nicht mehr benötigten landwirtschaftlichen Gebäude mussten also bei der Umsiedlungsplanung des Neu-Standortes nicht mehr berücksichtigt werden (de.wikipedia.org, Berrenrath).
Anfangs erfreute sich der Ort mit Modellcharakter großer Beliebtheit, so dass im Norden neue Baugebiete ausgewiesen wurden, um Wohnraum für über 3.400 Menschen (1964) schaffen zu können. „Doch diese Ausbauphase währte nicht lange. Allmählich machte sich die isolierte Lage innerhalb des Stadtgebietes bemerkbar“ (Dickmann 1996, S. 104). „Zudem hatte die nach dem zentralörtlichen Konzentrationsprinzip ausgerichtete Entwicklungsplanung der Stadt Hürth die Förderung der Kernbereiche zum Ziel, wodurch der Standort Berrenrath in eine periphere Lage innerhalb der Siedlungsstruktur geriet“ (Dickmann 1996, S. 104). Ab den 1960er Jahren setzte eine völlige Umbewertung der Ringstadt und vor allem des benachbarten Braunkohlenabbaus, der Nord-Süd-Bahn und der integrierten Industriegebiete, vor allem Knapsack, ein, welche als Beeinträchtigung des Wohnkomforts durch Lärm- und Staubimmissionen in Neu-Berrenrath gesehen wurden. Dieses Umdenken schlägt sich auch im aktuellen Ortsbild nieder. Mittlerweile sind viele der Geschäftslokale auf dem Marktplatz (2014) geschlossen. Als weitere Problemfelder sind stetige Bevölkerungsverluste und die Überalterung der Bevölkerung zu benennen (Dickmann 1996, S. 104).
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Kulturhistorische Bedeutung
Der Umsiedlungsort Knapsack bildet im Zusammenhang mit dem direkt benachbarten Knapsacker Hügel, den Werksiedlungen Berrenrath und Knapsack, der Berrenrather Börde sowie der Nord-Süd-Bahn ein funktionales Ensemble. Berrenrath ist eine der zahlreichen Facetten der Braunkohlenindustrie, macht sie erlebbar und ist Zeugnis der wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenabbaus, für den zahlreiche historische Orte weichen mussten und auch heute noch weichen. Als Musterbeispiel der Umsiedlungsplanung der 1950er Jahre gibt Berrenrath ein wichtiges Zeugnis für die Entwicklung der Umsiedlungspraxis im Rheinischen Braunkohlenrevier. Der Ort ist repräsentativ für die städtebaulichen Leitbilder seiner Entstehungseit, aber auch für deren Umbewertung seit dem. Die geplanten Ortsstrukturen und -funktionen sind noch erkenn- und ablesbar trotz der Leerstände. Einen großen Seltenheitswert hat das „Berrenrather Lichtspielhaus“, das „BerLi“-Kino der 1950er Jahre.

Hinweise
Das Objekt „Umsiedlungsort Berrenrath“ ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereichs Berrenrath, Knapsack (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 155).

(Nicole Schmitz, LVR-Abteilung Landschaftliche Kulturpflege, 2015)

Internet
de.wikipedia.org: Berrenrath (abgerufen am 09.12.2015)
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Literatur

Buschmann, Walter; Gilson, Norbert; Rinn, Barbara / Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit dem Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.) (2008)
Braunkohlenbergbau im Rheinland. (Die Bau- und Kunstdenkmäler von Nordrhein-Westfalen 1, Rheinland.) Worms.
Dickmann, Frank (1996)
Umsiedlungsatlas des Rheinischen Braunkohlenreviers. Köln, Bonn.
Faust, Manfred (2009)
Geschichte der Stadt Hürth. Köln.
Klug, Clemens (1961)
Hürth. Wie es war - wie es wurde. Köln.

Umsiedlungsort Berrenrath

Schlagwörter
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1953 bis 1959

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Nicole Schmitz (2015): „Umsiedlungsort Berrenrath”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-245672 (Abgerufen: 26. April 2024)
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