Diese beiden Verbindungen stellten sich als äußerst profitabel heraus, so dass der private Sektor in das Eisenbahngeschäft Luxemburgs einstieg und ab 1873 begann, ein zweites Netz zu erschließen. Initiative ergriff unter anderem der belgische Aktionär Simon Philippart, der Generaldirektor der Bergbaubahngesellschaft Société des Bassins Houillers du Hainault (SBH) (Gesellschaft der Steinkohlebecken von Hainault). Er veranlasste den Bau weiterer Verbindungen, wofür er statt finanzieller Kompensation von Seiten des Staats eine Genehmigung zum Eisenerzabbau einforderte. Da er maßgeblich vom Niederländischen Prinzen Heinrich von Oranien-Nassau (Henri d'Orange-Nassau), dem Bruder Wilhelms III., unterstützt wurde, nannte Philippart sein neues Unternehmen Société des chemins de fer Prince-Henri (PH) (Prinz-Heinrich-Eisenbahngesellschaft).
Doch er geriet in finanzielle Engpässe und konnte seinen Verpflichtungen im Rahmen der PH nicht mehr nachkommen, so dass der Staat vorrübergehend den Betrieb der PH übernahm. Philippart handelte letztendlich allerdings noch weitere Genehmigungen zum Eisenerzabbau heraus, mit der Begründung, sie würden einen erhöhten Kapitalfluss sichern und damit die finanzielle Stabilität der PH gewährleisten. Das Großherzogtum Luxemburg ließ sich darauf ein, woraufhin sich die PH als als Société luxembourgoise des chemins de fer et minières Prince-Henri (Luxemburgische Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft) neu formierte, wieder die Federführung übernahm und bis in die frühen 1880er Jahre das Schienennetz maßgeblich erweiterte.
In wachsender Konkurrenz mit der GL konnte sich die PH tatsächlich behaupten, nicht zuletzt, als der sie beliefernde Hersteller „Schweizerische Lokomotiv- und Machinenfabrik“ (SLM) nach den Einigungskriegen ein Tochterunternehmen gründete, das sich auf Schmalspurbahnen spezialisierte. Ein zweites Schienennetz dieser Art versprach Erfolg; so forcierten Hungersnöte zu Kriegszeiten den Bedarf am Transport agrarischer Produkte in die Städte. Die Erschließung ermöglichte der großherzoglich-königliche Erlass für den Bau und Betrieb von Schmalspurbahnen vom 1. Oktober 1880. Doch noch bevor sich die PH, die durch die Bergbaubahn bereits Erfahrung mit Kleinbahnen hatte, am Bau von Schmalspurbahnen beteiligen konnte, errichtete die SLM eigenständig zwei Strecken mit einer Spurbreite von 1.000 Millimetern (= 1 Meter) von Luxemburg (Stadt) nach Reich (Remich) und von Cruchten nach Fels (Larochette), die sie zunächst auch selbst betrieb. Die Strecken wurden 1882 eröffnet.
Innerhalb kürzester Zeit erhielten sie den Spitznamen „Jhangeli“ (reg. auch „Jangeli“ oder „Jangli“), der sich bis heute im luxemburgischen Volksmund als Bezeichnung für Kleinbahnen hält. Die Herkunft des Begriffes ist nicht sicher: Er gehr vielleicht auf das altluxembugische jhengelen zurück, was so viel bedeutet wie „sich langsam fortbewegen“, oder der Spitzname leitet sich von „Jean“ („Jhang“) Knaff, dem damaligen Felser (Larochetter) Bürgermeister ab, der den Bau der Schmalspurbahn von Cruchten in „seine“ Stadt hinein unterstützte.
Aus der SLM und der PH gingen 1887 drei Gesellschaften hervor, die sich dem Bau von Schmalspurbahnen verschrieben: die Société anonyme des chemins de fer secondaires luxemburgois (CSL) (Aktiengesellschaft der luxemburgischen Sekundärbahnen), die Société anonyme des chemins de fer cantonaux luxembourgeois (CC) (Aktiengesellschaft der luxemburgischen Kantonsbahnen) und die die Chemins de fer vicinaux (CV) (Vizinaleisenbahnen; vizinal von lat. vicinus: benachbart, nahe). Bis 1904 erschufen sie ein Netz aus insgesamt sieben Schmalspurbahnlinien (nach Fertigstellungschronologie):
- Luxemburg (Stadt) – Reich (Remich) | 20.02.1882 bis 22.05.1955 | Länge: 27,15 Kilometer
- Cruchten – (Fels) Larochette | 20.02.1882 bis 02.05.1948 | Länge: 12,12 Kilometer
- Diekirch – Vianden, genannt „Benny“ | 09.04.1889 bis 02.05.1948 | Länge: 14,11 Kilometer
- Nördingen (Noerdange) – Martelingen (Martelange) | 18.11.1890 bis 16.02.1953 | Länge: 29,54 Kilometer
- Bettemburg (Bettembourg) – Aspelt (Uespelt) | 01.09.1899 bis 08.12.1952 | Länge: 10,19 Kilometer
- Luxemburg (Stadt) – Echternach (Eechternoach), genannt „Charly“ | 20.04.1904 bis 13.06.1954 | Länge: 45,85 Kilometer
- Grundhof – Beaufort, rein industriell | 1904-1948 | PH
Als die CC nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund des Verlustgeschäfts während des Kriegs in wirtschaftliche Schieflage geriet, gründete sich 1924 die Société des Chemins de Fer à Voie Étroite (CVE) (Gesellschaft für Schmalspurbahnen), die in staatlicher Hand lag. 1934 fusionierten die zwei übrigen Gesellschaften mit ihr. Doch auch die CVE konnte die noch verheerenderen Schäden des Zweiten Weltkriegs nicht auffangen, so dass 1946 die Société nationale des chemins de fer luxembourgeois (CFL) (Nationale Luxemburgische Eisenbahngesellschaft) gegründet wurde. Da mit ihr nun auch die bis dahin in privater Hand befindlichen GL und die PH fusionierten, stand dem Staat ein größeres Kapital für Sanierung der Strecken zur Verfügung.
Doch der erhöhte Bedarf an Personenbeförderung im Zuge des wirtschaftliche Aufschwungs und der Bevölkerungsexpansion ebnete den Weg für den motorisierten Individualverkehr. Die Schmalspurbahnen wurden immer unrentabler und deshalb ab 1948 nach und nach geschlossen und zurückgebaut (siehe oben). Seit den 1970er Jahren erfolgt eine Umnutzung: Da die Schmalspurbahnen in Luxemburg aufgrund der PH stark industriell und im Kohle- und Erzabbau eingebunden waren, sind sie Teil der Industriegeschichte des Landes. Sie werden unter anderem im Industrie-, Natur- und Eisenbahnpark Fond-de-Gras oder im Minett Park präsentiert. Vom Park Minett führt eine vier Kilometer lange Strecke nach Lasauvage, auf der eine originalgetreu rekonstruierte Bergbaubahn in einen alten Bergbaustollen und über die Grenze nach Frankreich fährt. Weitere Informationen findet man darüber hinaus im 1973 in einer ehemaligen Mine gegründeten Nationalen Bergbaumuseum in Rümelingen (Rumelange). Weiter werden, wie im Nachbarland Belgien, viele der stillgelegten Bahnstrecken zu Radwanderwegen umgebaut. Nach Fertigstellung soll das Radwegenetz mit 23 Routen (= piste cyclable, PC) insgesamt 950 Kilometer erschließen, von denen etwa 600 Kilometer bereits befahrbar sind.
(Sarina Eßling, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V., 2023)
Internet
www.kusee.nl: Railways in Luxemburg. Narrow gauge lines. (abgerufen am: 06.10.2023)
www.kusee.nl: Railways in Luxemburg. History. (abgerufen am: 06.10.2023)
travaux.public.lu: Itinéraires nationaux (abgerufen am: 06.10.2023)
www.bahntrassenradeln.de: Bahntrassenradeln in Luxemburg (abgerufen am: 06.10.2023)
rail.lu: Chemins de Fer à Voie Etroite (1934-1942)/Luxemburger Schmalspurbahnen (abgerufen am: 06.10.2023)
rail.lu: Chemins de Fer Cantonaux (1880-1923)/Kantonalbahngesellschaft (abgerufen am: 06.10.2023)