Große Holzflöße, die den Rhein hinunter trieben, waren um 1900 noch ein tägliches Phänomen und dennoch: Die Zeit der großen Rheinflöße befand sich bereits im Niedergang. Das letzte Holzfloß trieb im Jahr 1968 den Fluss hinunter.
Kurze Geschichte der Flößerei Flöße als Wasserfahrzeuge für Personen, Tiere und Waren gab es schon zu römischer Zeit. So berichtet z. B. Caesar, dass die Sugambrer den Rhein mit Flößen überquert hätten (De bello gallica, VI.35). Im Mittelalter stieg die Holznachfrage in den Städten. Flöße wurden nun auch zunehmend für den Holztransport genutzt. Im Jahre 1209 wurden in Koblenz „Vloze“ hinsichtlich des Zolltarifes den größten Schiffen gleichgestellt. Im Jahre 1423 kaufte der am Xantener Dom tätige Steinmetz Hermanus Wynteren Holz in Mainz und ließ es zu einem Floß einbinden. Auf der Fahrt nach Xanten ließ er in Andernach 18 Wagenladungen Tuffstein und in Königswinter 235 Fuß Drachenfelser Stein zuladen. Mit den Zuladungen verteuerte sich jeweils der Zoll.
Bis zum 17. Jahrhundert beschränkte sich der Holzhandel auf kleinere Regionen und ging etwa vom Schwarzwald aus kaum über das Gebiet des Oberrheins hinaus. Am Ende des 17. Jahrhunderts erlebten dann die Niederlande einen wirtschaftlichen Aufschwung. Für Deichbauten, Bodenfundamente und Mühlen konnte der Bedarf durch die nahe gelegenen Holzmärkte bald nicht mehr gedeckt werden. Vor allem der Schiffsbau verschlang ungeheure Mengen Holz. Das Holz kam aus immer entfernteren Regionen, so z. B. aus dem Schwarzwald und den Vogesen sowie aus dem Fichtelgebirge. Von den Hängen wurden oft kilometerlange Holzrutschen gebaut und kleine Bäche und Flüsse mussten zunächst floßfähig gemacht werden; das bedeutete, dass sie von Steinen und Felsblöcken befreit werden mussten und dass Stauwehre gebaut wurden. Auf den Nebenflüssen und auf den Oberläufen von Rhein und Main waren die Langholzflöße oft nur wenige Stammdurchmesser breit. Neben den Tannen wurden auch immer Eichen in die Flöße eingebunden, da diese nicht schwimmfähig sind.
Das Umbinden der Flöße Die Langholzflöße waren so beweglich, dass sie den Windungen der Gewässer folgen konnten. Zunächst wurden Baumstämme mit Wieden zu schmalen Flößen zusammengebunden, die dann jeweils hintereinander ebenfalls mittels Wieden verbunden wurden. So entstanden Flöße, die aus 8 bis 20 Floßteilen bestanden, die jeweils in Stammlänge hintereinander angeordnet waren und die bis zu 600 Meter lang sein konnten. Wenn diese Flöße den Neckar oder Main erreicht hatten, wurden sie zu größeren Flößen zusammengestellt. Flöße mit Holz aus dem Schwarzwald wurden bei der Mündung der Murg zu Rheinflößen mit 90 Meter Länge und 12 Meter Breite eingebunden. Besondere Bedeutung erhielten die „Umbindeplätze“ an den Zuflüssen von Neckar und Main in Mannheim und Kastel. Hier wurden ca. 20 m breite und bis zu 250 m lange einlagige „Steifstücke“ zusammengebunden und nach Koblenz oder Namedy geflößt.
Die in Koblenz und Namedy aus den ‚Steifstücken‘ zusammengestellten Flöße wurden zu riesigen „Knieflößen“ umgebunden. Ein Holländerfloß konnte bis zu 5 Knie haben, die mit dem Steifstück, das nun bis zu 2,4 m Tiefgang haben konnte, beweglich verbunden waren. Wegen ihres in Holland gelegenen Zielhafens Dordrecht wurden sie auch Holländerflöße genannt. Die Knie waren einen Stamm (bis zu 33 Meter) lang, etwas breiter als das Floß und hatten geringeren Tiefgang. Das vorderste Knie war breiter als das nächste usw. Die Knie wurden mit Wieden an dem Steifstück befestigt. Die Flöße waren – wenn auch in geringem Umfang – somit etwas manövrierfähiger.
Die Gesamtlänge eines Holländerfloßes mit vier Knien betrug etwa 330 Meter. Sie waren 60 Meter breit, dreimal so breit wie die in Mannheim oder Mainz gebundenen Flöße und sie hatten, da sich nun mehrere Lagen von Baumstämmen übereinander befanden, einen Tiefgang bis zu 2,4 Metern. Auf der bis zu 20.000 Quadratmeter großen Oberfläche standen Mannschaftsunterkünfte, Küchengebäude und Ställe. Floßbesatzungen von 400 – 500 Mann waren keine Seltenheit. Ein Holländerfloß hatte am hinteren Ende 16 – 20 Streichen (Ruderblätter), die Streichen waren ca. 15 Meter lang und wurden jeweils von 7 Ruderknechten bedient und am vorderen Ende noch einmal bis zu 22 Streichen; für die Streichen waren allein 250 - 300 Leute erforderlich.
Die Fahrt Vor Erreichen einer Flussbiegung fuhren kleine Boote voraus, um am Ufer Anker zu befestigen. Die Besatzung dieser Ankernachen ruderte dann zum Floß zurück, wo die Ankertaue befestigt wurden. Mit Hilfe dieser Anker konnte sich das Floß um die Kurve ‚ziehen‘. Die Anker wurden nach erfolgter Richtungsänderung sofort wieder von den Ankernachen aufgenommen. Beim Anlanden eines Floßes – so z. B. jeden Abend vor Anbruch der Dunkelheit – grub ein Vorauskommando die Anker am Ufer ein, um dann mit den Ankertauen auf den Fluss zu rudern und dafür zu sorgen, dass diese Taue mit dem Floß verbunden wurden und seine Fahrt abbremsten.
Unvorstellbare Mengen an Proviant wurden mitgeführt. So z. B. für eine Fahrt von Andernach nach Dordrecht in den Niederlanden: 40.000 Pfund Brot, 12.000 – 20.000 Pfund Fleisch (manchmal in Form lebender Tiere), 800 – 1.000 Pfund gepökeltes Fleisch, 6.000 bis 8.000 Pfund trockenes Gemüse, 10.000 – 15.000 Pfund Käse, 1.000 – 1.500 Pfund Butter sowie 500 – 600 Ohm Bier (= 80.000 bis 96.000 Liter).
Die gesamte wieder verwendbare Ausrüstung - Werkzeug, Gerät, Ankernachen etc. – wurde mit der am Floß vertäuten Floßjacht, einem großen Frachtsegelschiff, zu den Floßbauplätzen zurücktransportiert. Rheinaufwärts wurden diese Schiffe weitgehend getreidelt, d.h. sie wurden von extra angelegten Treidelpfaden aus von Pferden gezogen. Wo Treidelpfade nicht existierten, musste gestakt werden. Wenn das Treideln flussaufwärts nicht möglich war, mussten die Frachtsegelschiffe durch Abstoßen vom Grund mit einer langen Holzstange (auch Stake genannt) ‚gestakt‘, sprich bewegt werden. Segel konnten das Treideln bzw. Staken unterstützen. Die Flößer waren bei ihrer Arbeit hohen Unfallrisiken ausgesetzt. Nach Erreichen des Zielortes machten sich die Flößer zu Fuß auf den Heimweg, um sich bei der nächsten Floßfahrt wieder dabei zu sein.
Der Handel mit Holz Die Preissteigerungen für einen Holländerstamm (Tanne) waren enorm: • 1691: ca. 30 Kreuzer Kreuzer: ab 13. Jh. in Tirol geprägte Münze (auf der Rückseite Doppelkreuz, ‚Etschkreizer‘), ab 15. Jh. in Süd- und Südwestdeutschland. In Deutschland wurden Kreuzer und Gulden durch die Reichsmünzgesetzgebung 1871 abgeschafft. 60 Kreuzer ergaben einen Gulden. • 1740: ca. 1 Gulden, 30 Kreuzer • 1755: ca. 16 Gulden Die Preissteigerung zwischen 1740 und 1755 betrug über 1.000 %. • 1800: ca. 20 - 30 Gulden
Das für den Schiffsbau besonders begehrte Eichenholz hatte etwa den zehnfachen Wert von Tannenholz. Ein im Jahre 1783 verkaufter Eichenstamm von 18 m Länge und einem Stammdurchmesser von 1,5 m erzielte fast 900 Gulden.
Im Jahre 1885 wurden noch 1032 Flöße mit 181.276 Tonnen Ladung rheinabwärts geschickt. Daher war es konsequent, im Zuge der Rheinregulierung den Bau eines neuen Floßhafens in Ingelheim vorzusehen. Nach fünf Jahren, in denen u. a. der Rheinarm zwischen dem linken Ufer und der Ingelheimer Aue weitgehend zugeschüttet worden war, wurde der Floßhafen in der Ingelheimer Aue 1887 in Betrieb genommen. Dieser Hafen wurde dann aber zunehmend als Industriehafen genutzt.
Der Niedergang der Rhein-Flößerei In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen die Nachfrage nach Holz und damit auch der Floßholzhandel merklich zurück. Mit Dampfschiffen und Eisenbahn wurde nun preiswertes Holz aus Skandinavien, Osteuropa und Übersee importiert. Die schwer zu manövrierenden Flöße wurden zu einer Gefahr für die zunehmende Flussschifffahrt. Neue Sicherheitsvorschriften schränkten die Flößerei immer mehr ein. Die Flöße wurden kleiner; schließlich wurden sie von Dampfschiffen den Rhein abwärts gezogen.
Flöße auf dem Rhein wurden immer seltener. Von Mainz aus starteten • 1900 noch 700 (d. h. etwa 2 x am Tag), • 1950 noch 53 (etwa 1x pro Woche), • 1959 noch 14 (etwa 1x im Monat), • 1964 noch 2 (etwa 1x im halben Jahr) geschleppte Flöße. • 1968 fuhr das letzte Holzfloß auf dem Rhein.
Ende der 1960er Jahre existierte die Flößerei nur noch auf dem Papier. Die Rheinschifffahrtspolizeiverordnung von 1966 erwähnte noch Verhaltensregeln für Flößer. Bei der Neufassung im Jahre 1970 waren sie bereits ganz gestrichen.
(Wolfgang Stumme, Portal regionalgeschichte.net, Text aus www.regionalgeschichte.net, 2019)
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