Nördlich von Oestrich liegt Hallgarten in freier Lage auf dem Südhang einer Vorhöhe des Rheingaugebirges, unterhalb der markant vorspringenden Erhebung der Hallgartener Zange und des mit 620 Meter höchsten Rheingauer Berges, der Kalten Herberge. Spuren in diesem Gebiet wie die Ringmauer weisen vermutlich auf eine ältere (keltische) Besiedlung hin.
Die Entstehung des Dorfes wird in karolingischer Zeit vermutet. Vielleicht war es ein Rastort an der Kreuzung des Weges von Oestrich über die Höhe und des Sterzelpfades, eines alten rheinparallelen Verbindungsweges in Halbhöhenlage. Hallgarten soll aus einer durch das Kloster Altmünster in Mainz veranlassten Rodung in der damaligen Oestricher Gemarkung entstanden sein. Der alte Ortsname Hargardun weist auf einen der Flachs- oder „Hargärten“ hin, die im hohen Mittelalter zur Deckung des Hausbedarfs an Leinfasern angelegt, in der Folgezeit jedoch zugunsten der sich ausweitenden Rebkulturen aufgegeben wurden.
Bei seiner Ersterwähnung 1112 wird Hallgarten als Gutshof bezeichnet. In diesem Jahr gelangt das in der Gemarkung Oestrich gelegene Allod Hargardun des Mainzer St. Johannisstiftes an Ruthard von Winkel. Vor 1141 übernimmt Kloster Eberbach das Allod mit Namen Hargarthun. Hallgarten war eine der ersten und die nächstgelegene Grangie („grangia proxima“) des Klosters, von etwa 30 Morgen Umfang im 12. Jahrhundert. 1211 werden hier bereits zwei Höfe des Klosters Eberbach erwähnt; einer im Ortsgebiet, ein weiterer unterhalb am Leimersbach. Letzterer schein in eine Mühle umgewandelt und vor 1211 bereits wieder aufgegeben worden zu sein. Seit dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts wurde der unterhalb des Steinbergs gelegene Neuhof Bewirtschaftungsmittelpunkt der umliegenden Eberbacher Ländereien.
Danach dürfte eine eigenständige Dorfentwicklung eingesetzt haben.1255 wird Hallgarten als villula (kleines Dorf), die Bewohner als colonen bezeichnet. Diesen vom Kloster Eberbach zur Anlage von Steinberg und Neuhof angesiedelten Bewohnern wurde zum Lebensunterhalt Grund und Boden verpachtet. Das zunächst in der Oestricher Gemarkung gelegene Hallgarten besaß um 1211 eine eigene Mark. 1224 wird ein Schultheiß genannt, 1255 ist ein Ortsgericht vorhanden. Das Rats- und Gerichtssiegel zeigt seit 1460 eine Zange mit Traube. Eine eigene Pfarrei erhielt Hallgarten um 1333-38, 1360 eine Frühmesserei.
Der zwischen Steinberg und Hallgarten gelegene umfangreiche Weinbergsbesitz des Klosters in der Gemarkung Hallgarten wurden um 1500 an 105 Pächter vergeben.
Für 1525 sind 154 Herdstellen und damit etwa 770 Einwohner nachgewiesen. Ein Anwachsen auf 182 Herdstellen folgte bis 1603, 1687 nach dem Dreißigjährigen Krieg mit seinen erheblichen Verwüstungen bestanden nur noch 73 Herdstellen. Im 17. und 18. Jahrhundert lebten auch einige jüdische Familien in Hallgarten (1692 drei Familien); sie hatten ihre Wohnungen in der Mainzer Straße.
Die Bewohner waren durchweg Winzer und Landwirte. „Wenn wir versuchen, eine Sozialstruktur von Hallgarten im 17. und 18. Jahrhundert zu entwickeln, so stellen wir fest, dass die Bevölkerung insgesamt eine fast homogene Schicht von Winzern und Landwirten war.“ (Roßkopf). Es gab keinen eigenen Ortsadel, jedoch umfangreiche adlige Besitzungen. So waren seit dem 14. Jahrhundert die Greiffenclau von Vollrads und im 17. Jahrhundert die Freiherren von der Leyen in Hallgarten begütert; größter Weingutsbesitzer war nach wie vor Kloster Eberbach (mit ca. 100 Morgen 1699); das größte private Weingut mit 40 Morgen bewirtschaftete im 19. Jahrhundert die Familie Itzstein.
Das Mainzer St. Victorstift als Zehntherr hatte seine Nieder¬lassung im damaligen Pfarrhof an der Bingergasse, seit 1776 im heutigen Pfarrhaus (Pfarrgasse 1).
Drei Winzergenossenschaften wurden zwischen 1898 und 1902 gegründet: Vereinigte Weingutsbesitzer („die Engländer“), Winzergenossenschaft („die Buren“) und Hallgartener Winzerverein („die Deutschen“). 1970/1989 kam es zum Zusammenschluss der „Vereinigten Winzergenossenschaft“ mit 240 Mitgliedern. Diese Sozialstruktur wirkte sich auf die Art der Bebauung aus und prägt bis heute den Charakter des Weinortes.
Ortsentwicklung – Historisches Ortsbild
Der Hallgartener Ortskern zeigt keine eindeutige Umgrenzung. Ausgangspunkt der Siedlungsentwicklung war der von Oestrich über die Taunushöhe führende alte Verkehrsweg (Oestricher Weg/Zanger Straße). Der zwischen diesem Weg und dem Leimersbach gelegene Eberbacher Hof bildete vielleicht die Keimzellen der dörflichen Ansiedlung, die sich um die zugehörige Kirche und dann in der Hauptrichtung nach Norden parallel zum Leimersbach ausdehnte. Während sich im näheren Umkreis der Pfarrkirche Bauten mit öffentlichen Funktionen und auch größere Höfe gruppieren, nehmen die eng parzellierten Wohnstätten der kleinbäuerlichen Bevölkerung die nördlich davon gelegenen Bereiche entlang der Vordergasse (Zangerstraße), Hintergasse (Taunusstraße) sowie anschließende Bereich ein.
1692 bestanden an Gemeindebauten: Rathaus, Schule, zwei gemeine Hirtenhäuser und das Dinghaus; außerdem als Bauten mit Feuerstellen zwei Schmieden und zwei Backhäuser. Eine Mühle wurde nördlich des Ortes (Flurname Mühlweiher) 1610 durch die Gemeinde errichtet.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein markierte der offene Leimersbach mit den Backeswiesen den westlichen Siedlungsrand. Im oberen Dorf prägte der offene Wasserlauf das Ortsbild. Mehrere Brunnen stellten die Wasserversorgung sicher, einer davon in der Brunnengasse; 1803 wurde ein Laufbrunnen vor der Kirche in Betrieb genommen.
Erst im späten 19. Jahrhundert kamen weitere Straßenzüge mit relativ einheitlicher Bebauung aus gründerzeitlichen Backsteinbauten südwestlich des Ortskernes hinzu. Hier entstanden auch die markanten großen Bauten der drei Hallgartener Winzergenossenschaften. Mit der Überbauung des Leimersbaches (Adam-von-Itzstein-Straße) setzte eine erhebliche Flächenerweiterung nach Osten ein.
Die Vordergasse (Zangerstraße) stellt die Hauptachse des Ortes dar, an dem sich die ältere Bebauung in geschlossener, eng parzellierter Form konzentriert. Am unteren und oberen Ende weitet sich die enge Durchgangsstraße dort zu Plätzen auf, wo mehrere Straßen und Wege zusammentreffen. An beiden Plätzen gab es Brandweiher.
Am Südende, dem Fronplatz (Hallgartener Platz) gabeln sich die Wege nach Oestrich und Hattenheim bzw. dem früheren Klosterhof Reichartshausen, weiter nördlich zweigt die Hintergasse (Taunusstraße) ab. Dazwischen liegen zentral Pfarrkirche und Rathaus, außerdem standen hier das frühere Pfarrhaus, der Zehnthof des St. Viktorstiftes und die Schule. Weiter nördlich erweitert sich die Zangerstraße nochmals am Schnittpunkt mehrerer Wege, von denen die ehemalige Kühgasse (jetzt ebenfalls Zanger Straße) der wichtigste war. Er führte von diesem Platz, an dem eines der Hirtenhäuser lag, zu Wald- und Weidegelände wie der Ochsenwiese, die später als Neubaugebiet erschlossen wurde.
Der obere Platz an der Zanger Straße wurde 1871 zum Lindenplatz oder Friedenplatz, an dem eine Friedenslinde gepflanzt und1892 die Kriegerdankkapelle errichtet wurde. 1924 kam ein Kriegerehrenmal für die Gefallenen und Vermissten des Ersten Weltkriegs hinzu. Das Denkmal bestand aus einem Felsblock mit Gedenktafel und Skulptur inmitten gärtnerischer Gestaltung. Es wurde, wie die Friedenslinde und die Kapelle, 1991 im Zuge der Dorferneuerung entfernt und durch eine neue Aufstellung der Kapelle und der Gedenktafeln ersetzt, wodurch die vorherige Charakteristik des Platzes weitgehend verloren ging.
Hallgartener Zange
Die im 15. Jahrhundert im Orts- und Gerichtssiegel erscheinende (Schmiede-)Zange geht auf den Namen des nahe gelegenen Berges Hallgartener Zange zurück; dieser Ortsname allerdings soll sich ursprünglich aus „Zinke“, Spitze, herleiten. Die strategische Bedeutung dieser Bergspitze ist schon früh durch die Anlage der dortigen Ringmauer belegt, in dere Umkreis sich alte Wegeführungen finden.
Im 19. Jahrhundert wurde auf der Höhe durch Insassen der Anstalt Eichberg eine Steinpyramide errichtet, über der 1884 der Wiesbadener Taunusklub einen hölzernen Aussichtsturm errichtete. 1906 folgte eine bewirtschaftete Schutzhalle für Wanderer. 1909 wurde der nach Entwurf des Architekten Carl R. Schiemann, Wiesbaden, erbaute massive Aussichtsturm eingeweiht. Jüngste Renovierungen veränderten das Bauwerk in erheblichem Maße; die einfache Wanderhütte wurde durch einen (bisher unvollendet gebliebenen) Hotelbau ersetzt.
Gesamtanlagen nach HDSchG
- Gesamtanlage Alter Ortskern
Mapper Schanze (außerhalb der Ortslage)
Das einzige noch in baulichen Resten erhaltene Bollwerk des Gebücks liegt nahe der Hohen Straße und sperrte die über das Gebirge von der Lahn her in den Rheingau führende Straße. Nördlich angrenzend erstreckt sich das Gelände des ursprünglich zum Kloster Eberbach gehörigen Mapper Hofes (heute Gemarkung Schlangenbad-Obergladbach).
Die Befestigung bestand aus einem rechteckigen Torturm mit Durchfahrt, einem an der Ostseite angebauten, nach der Angriffsseite vorspringenden Rondell und beidseitigen, leicht gekrümmten, bewehrten Flügelmauern. Vor der Anlage lag ein Erdwerk. Die in älteren Berichten auch als Schützenhaus bezeichnete Befestigung war von einer Familie ständig bewohnt.
Turm in Höhe von zwei Geschossen, errichtet aus Taunusquarzit-Bruchsteinmauerwerk mit Werkstücken aus rotem Sandstein, mit Rechtecköffnungen und Schlüsselscharten. Spitzbogige Toröffnung mit gemauertem Gewände. Im Inneren ein Raum mit Kuppelgewölbe und drei tiefen Nischen. In dem bis in Geschosshöhe vorhanden Rondell rechteckige Maulscharten. Auf einem Sturz die Jahreszahl 1494. Eingang an der Ostseite. Von dem Erdwerk ist noch eine halbmondförmige Erhebung im Gelände sichtbar.
Der Verlauf des Gebücks ist nach Westen durch eine Neuanpflanzung angedeutet. Südlich der Mapper Schanze treffen sich mehrere Hohlwege; auch der hindurchführende Weg zum Mapper Hof ist teilweise Hohlweg. Bedeutendes Relikt der alten Rheingauer Landwehr.
Schlossdell, Wehrgraben / Burg Haneck (außerhalb der Ortslage)
Über dem Wispertal 1386 durch Philipp von Gerhartstein als mainzisches Lehen erbaut, fiel die Burg nach Aussterben derer von Gerhartstein (später Geroldstein) an Mainz.
Nahe der durch das gleiche niederadlige Geschlecht besetzten, jedoch im frühen 14. Jahrhundert an die Grafen von Katzenelnbogen und ihre Erben, die Landgrafen von Hessen gefallenen Burg Geroldstein liegt die Anlage südlich der gleichnamigen Siedlung Geroldstein (Gemarkung Dickschied-Geroldstein, Gemeinde Heidenrod) hoch über dem Südhang der Wisper auf einem nordwärts verlaufenden, steil abfallenden Grat. Die erhaltenen Mauerreste stammen im Wesentlichen aus dem 14. Jahrhundert. An der südlichen Angriffsseite liegt der Halsgraben. Aus dem schildmauerartig verstärkten Bering springen ein kleiner Achteckturm mit Treppenschacht und ein größerer, außen siebeneckiger, innen runder Hauptturm (Bergfried) vor. Außerdem sind Reste einer Toranlage sowie eines zwei- bis dreigeschossigen Wohnbaues (Palas) erhalten, darin moderne Einbauten des heutigen Besitzers. Weitere Mauerreste finden sich im nördlichen und östlichen Vorgelände der Burg.
(Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2013/2020)