Historische Siedlungsentwicklung „Obwohl in der Tiefe am Rheinufer hingestreckt, zieht der freundliche Flecken Eberbach durch seine weiße Kirche mit ihrem schimmernden Thurme doch schon von Weitem unser Auge auf sich. Der nette Ort besitzt mehrere schöne Landhäuser, unter denen sich die Villa des Grafen von Westphalen mit ihrem Park durch Lage und Bauart besonders hervorthut. Die nahgelegene Rheininsel, einst die Langwerther Au genannt, trägt von dieser Familie jetzt den Namen der “Westphälischen Au„. Das Geschlecht der Edlen von All- oder Aldendorf ... hatte in Erbach seinen Sitz. ... Bei Jonas im “Wallfisch„ dahier war es immer so gut sein, daß es sich Mancher noch länger, als die drei Tage des Propheten in dessen Bauche gefallen ließ.“ (Henninger 1862)
Westlich von Eltville liegt Erbach an der Mündung des (früher Eberbach genannten) Kisselbaches in den Rhein. Hier soll eine Rheinfähre, an die der linksrheinische Dorfname Heidenfahrt erinnert, schon zur Römerzeit den Stromübergang ermöglicht haben. Erstmalig wird die Siedlung Erbach als Everbach genannt 1069 oder in undatierten Urkunden des Erzbischofs Siegfried I. zwischen 1060 und 1072 oder als Erzbischof Friedrich von Mainz (937-954) dem St. Petersstift in Mainz die Kirche zu Eltville mit dem Zehnten zu Erbach schenkte. Der Name des Dorfes lautete ursprünglich wie der Bach Eberbach, erst seit 1313 kommt Erbach vor und unterscheidet den Ort vom anfangs gleichnamigen Kloster. Wahrscheinlich im 12. Jahrhundert entwickelte sich die Gemeinde mit eigener Gemarkung, 1119 besaß Erbach bereits einen Schultheiß, 1429 sind ein Rathaus sowie ein Gemeindesiegel bezeugt. Die Ablösung aus der gerichtlichen Abhängigkeit von Eltville erfolgte erst zwischen 1419 und 1429. Zwischen 1770 bis 1816 war Erbach Sitz eines der beiden Amtsvögte des Rheingaues.
Kirchlich war Erbach Filiale von Eltville und damit seit dem 10. Jahrhundert zunächst dem St. Petersstift in Mainz zugehörig, das auch nach 1718 wieder das Patronat über die Pfarrkirche innehatte. Schon 1060/72 besaß Erbach eine eigene Kapelle mit Tauf- und Begräbnisrecht. Eine Pfarrei etablierte sich um 1250. Ablassurkunden deuten auf Bautätigkeit, vielleicht zur Erweiterung der romanischen Kapelle, um 1300 hin. Ein Kirchenneubau wurde in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts begonnen und im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts vollendet, eine Erweiterung folgte im frühen 18. Jahrhundert.
In Erbach gab es eine Reihe von Adelshöfen, so die der Familien von Molsberg (später von der Leyen), von Allendorf, von Groroth (später van Werth) und zum Jungen. Drei dieser Höfe gingen um 1800 in Schloss Reinhartshausen, dem Landsitz des Grafen von Westphalen und später der Marianne von Preussen, auf. Zu den geistlichen Besitzungen gehörten der Zehnthof des Mainzer Petersstifts, Höfe des Mariengredenstifts, der Kartause und seit 1615 des Jesuitenkollegs von Mainz sowie des Klosters Ilbenstadt. 1525 betrug die Zahl der Herdstellen 164, 1687, nach Verlusten besonders durch die Pest nur noch 70, 1781 wieder 158. 1992 wurden über 3.700 Bewohner gezählt.
Zu den einflussreichen bürgerlichen Familien von Erbach gehörten u. a. die im 16. Jahrhundert aus Köln oder Flandern eingewanderte, durch Weinbau und Weinhandel wohlhabend gewordene Familie Birkenstock mit Grund- und Hausbesitz vom 17. Jahrhundert an bis 1859; die Familie Emmelhainz, seit 1596 in Erbach genannt; die Familie Kohlhaas, genannt seit 1595, die 1872 eine Konservenfabrik gründete.
Neben dem Weinbau mit 150 Hektar Anbaufläche 1954 war früher auch der Obstbau von Bedeutung; eine Obstmarkthalle entstand 1928. Die berühmte Weinbergslage Markobrunnen, benannt nach einer Quelle westlich des Ortes, erscheint erstmalig 1215 im Lehnsgüterverzeichnis des Rheingrafen Wolfram als marken-burn(en); der Name bezieht sich wahrscheinlich auf die Lage der Quelle an der Gemarkungsgrenze nach Hattenheim, nicht auf den Kirchenpatron St. Markus.
Historisches Ortsbild Der Schnittpunkt der Rheingauer Chaussee mit der Rheinquerung und dem nach Eberbach führenden Weg bildete im Marktplatz den Mittelpunkt der mittelalterlichen Siedlung, um die ein Kranz größerer Höfe lag. Das Wachstum orientierte sich im 19. Jahrhundert mit den Neubauten der evangelischen Kirche und des Bahnhofs zunächst nach Osten und Norden. Hier entstanden Fabrikationsanlagen für die Obstverarbeitung; die umliegenden Flächen wurden für den Obstanbau genutzt.
Über lange Zeit stellte der zwischen Eltville und Erbach gelegene, vom Kloster Eberbach gegründete Draiser Hof mit zugehörigen Ländereien eine Zäsur zwischen den Orten dar, bis diese Flächen in jüngerer Zeit durch Bebauung in Anspruch genommen wurden und Erbach zuletzt durch dort ausgewiesene Gewerbezonen praktisch mit Eltville zusammenwuchs. Auch im Norden dehnten sich Wohngebiete, ausgehend von der Erbacher Straße (Kühhohl) um 1900, schließlich weit über die Bahnlinie hinaus. Durch den Ausbau der modernen Rheinuferstraße wurde die vorher ufernah gelegene Siedlung ebenso wie der Draiser Hof weiter vom Rhein abgerückt. Von Westen kommend, bildet unverändert der ehemalige Landsitz Schloss Reinhartshausen mit seinen Parkanlagen, die sich auf der gegenüber gelegenen Rheininsel Mariannenaue optisch fortsetzen, den Eingang des Ortes. (Söder 2013)
Bedeutung für die Weinbaulandschaft Rheingau Schloss Reinhartshausen, bekannte Weinlagen wie Marcobrunn und die Mariannenaue sind markante Elemente in der Weinbaulandschaft Rheingau. Kloster Eberbach hat ebenso seine Spuren in Erbach hinterlassen, beispielsweise den Draiser Hof, ein ehemaliger Wirtschaftshof des Klosters. Die Weinlage Erbacher Marcobrunn ist zudem von großer Bedeutung, da hier bereits 1390 der Wert des Terroirs für den Anbau qualitativ hochwertiger Weine erkannt wurde und die Weine mit der Lagenbezeichnung vermarktet wurden.
(Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2010 / Madeleine Weyand, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2020)
Literatur
Henninger, Aloys (1862)
Das Herzogthum Nassau in malerischen Original-Ansichten. Darmstadt.
Pfotenhauer, Angela (2011)
Der Rheingau. (Monumente-Edition.) S. 54, Bonn.
Söder, Dagmar / Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH) (Hrsg.) (2013)
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen: Rheingau-Taunus-Kreis I. (Altkreis Rheingau). S. 246 f., Wiesbaden.
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.