Papiermühle und vorherige Getreidemühle am Angerbach

Ratinger Stadtmühle, Angermühle, Hauser Mühle

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Ratingen
Kreis(e): Mettmann
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 18′ 6,51″ N: 6° 50′ 32,05″ O 51,30181°N: 6,84224°O
Koordinate UTM 32.349.582,75 m: 5.685.599,08 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.558.781,48 m: 5.685.560,03 m
  • Gebäude der Papiermühle am Angerbach in Ratingen

    Gebäude der Papiermühle am Angerbach in Ratingen

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    Eggerath, Hanna / Neunzig, Helmut
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    Helmut Neunzig; Hanna Eggerath
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  • Karte von 1840 mit Eckamp. Es zeigt die Anger mit der Spinnerei Cromford und westlich davon den Angerhof. Ein stilisiertes Rad zeigt die Existenz einer Mühle an. Man sieht außerdem, dass die Angermühle in der Nähe des Stadtkerns von Ratingen lag.

    Karte von 1840 mit Eckamp. Es zeigt die Anger mit der Spinnerei Cromford und westlich davon den Angerhof. Ein stilisiertes Rad zeigt die Existenz einer Mühle an. Man sieht außerdem, dass die Angermühle in der Nähe des Stadtkerns von Ratingen lag.

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    unbekannt
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  • Das linke Wehr am Angerbach. Man erkennt noch die Schlitze für das Wehr. Hier konnte das Wasser der Anger nach Bedarf reguliert werden.

    Das linke Wehr am Angerbach. Man erkennt noch die Schlitze für das Wehr. Hier konnte das Wasser der Anger nach Bedarf reguliert werden.

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    Eggerath, Hanna / Neunzig, Helmut
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  • Ölgemalde von Leonhard Rausch "Die Schütte'sche Papiermühle an der Anger" (um 1860).

    Ölgemalde von Leonhard Rausch "Die Schütte'sche Papiermühle an der Anger" (um 1860).

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    Stadtmuseum Ratingen (Foto Eggerath, Hanna)
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    Leonhard Rausch
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  • Die Nordseite der Fabrik der Papiermühle am Angerbach.

    Die Nordseite der Fabrik der Papiermühle am Angerbach.

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  • Die Ostseite der Fabrik der Papiermühle am Angerbach.

    Die Ostseite der Fabrik der Papiermühle am Angerbach.

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    Helmut Neunzig; Hanna Eggerath
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  • Der Situationsplan vom 7. Januar 1885, der Plan zeigt Gebäude und Umgebung der Papiermühle am Angerbach in anschaulicher Weise (Stadtarchiv Ratingen).

    Der Situationsplan vom 7. Januar 1885, der Plan zeigt Gebäude und Umgebung der Papiermühle am Angerbach in anschaulicher Weise (Stadtarchiv Ratingen).

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    Stadtarchiv Ratingen
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    Stadtarchiv Ratingen
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  • Die Papiermühle aus Richtung Hauser Ring (Mai 2011)

    Die Papiermühle aus Richtung Hauser Ring (Mai 2011)

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  • Ausschnitt aus dem Situationsplan vom 7. Januar 1885 mit den Gebäuden und der näheren Umgebung der Papiermühle am Angerbach in Ratingen (Stadtarchiv Ratingen)

    Ausschnitt aus dem Situationsplan vom 7. Januar 1885 mit den Gebäuden und der näheren Umgebung der Papiermühle am Angerbach in Ratingen (Stadtarchiv Ratingen)

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    Eggerath, Hanna / Neunzig, Helmut
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  • Eine Tür und zwei Fenster im Erdgeschoss der Ratinger Papiermühle am Angerbach.

    Eine Tür und zwei Fenster im Erdgeschoss der Ratinger Papiermühle am Angerbach.

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  • Die Anger (Angerbach) bei Ratingen

    Die Anger (Angerbach) bei Ratingen

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    Helmut Neunzig; Hanna Eggerath
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  • Holzschnitt "der Papyrer" (Papiermacher) aus der Beschreibung aller Stände von Jost Amman (1539-1591). Im Hintergrund sind Teile einer Papiermühle zu sehen.

    Holzschnitt "der Papyrer" (Papiermacher) aus der Beschreibung aller Stände von Jost Amman (1539-1591). Im Hintergrund sind Teile einer Papiermühle zu sehen.

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    Jost Amman
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  • Ratingen, Hauser Mühle. Ansicht der Bachseite mit Durchbruch des ehemaligen Mühlrades (2017)

    Ratingen, Hauser Mühle. Ansicht der Bachseite mit Durchbruch des ehemaligen Mühlrades (2017)

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    Landschaftsverband Rheinland / Claus Weber
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  • Ratingen, Hauser Mühle. Fundamente der ehemaligen Mühlrades im Angerbach (2017)

    Ratingen, Hauser Mühle. Fundamente der ehemaligen Mühlrades im Angerbach (2017)

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    Landschaftsverband Rheinland / Claus Weber
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    Claus Weber
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In Ratingen am Hauser Ring steht eine alte Papiermühle, die sich heute als großes altes Fabrikgebäude aus der Gründerzeit zeigt. In ihr steckt ein noch älterer und bedeutender Bau: die Getreidemühle der Stadt Ratingen beim Hof zum Anger.

Die alte Papiermühle in Ratingen
Die Getreidemühle
Die Papiermühle
Papierherstellung Mitte 19. Jahrhundert
Das Mühlrad und das Wehr
Die neuen Dampfkessel
Das Gemälde der Papierfabrik
Das Aussehen heute und vor 150 Jahren
Eine Übersicht der Anlage 1885
Die städtische Bleiche
1885 übernimmt Graf von Spee zusätzlich die Schimmersmühle
Die Armaturenfabrik Siebeck
Aktuelle Situation und Planungen
September 2011: Die Papiermühle wird unter Denkmalschutz gestellt
Wie geht es weiter?
Baudenkmal
Quellen, Presseartikel, Literatur

Die alte Papiermühle in Ratingen
In Ratingen am Hauser Ring steht eine alte Papiermühle. Von der Straße aus ist sie nicht zu sehen, denn sie steht in der zweiten Reihe. Wer ein paar Schritte über den Hof des „Autohauses am Ring“ geht, sieht ein großes altes Fabrikgebäude aus der Gründerzeit.
Man sieht ihm nicht an, dass darin ein viel älterer und bedeutender Bau steckt: die Getreidemühle der Stadt Ratingen beim Hof zum Anger. Die Urkunde der ersten Erwähnung – 1343 – wird im Stadtarchiv Ratingen aufbewahrt. Graf Adolf VI. und Gräfin Agnes von Berg übergeben am 13. April 1343 die Mühle an der Anger der Stadt Ratingen. Ratingen, 1276 zur Stadt erhoben, durfte nun über die Einkünfte der Mühle verfügen. Die Mühle wurde die Haupteinnahmequelle der Stadt.
In den Fokus rückte die Anlage im Frühjahr 2011. Es gab Pläne, die Polizeiverwaltung hier unterzubringen. Aber diese Pläne wurden aufgegeben. Nun aber waren die Autoren aufmerksam geworden, begannen eine umfangreiche Recherche und träumten davon, die Papiermühle als Anschauungsobjekt für die Arbeitsweise der Ahnen für die Bevölkerung instand zu setzen.
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Die Getreidemühle
Die Geschichte begann also im 14. Jahrhundert mit einer Getreidemühle an der Anger. Sie war die Haupteinnahmequelle der Stadt, wie die Stadtrechnung ausweist. Die Stadt bekam den Molter (die Abgabe für die Benutzung der Communal-Frucht-Mühle) in Naturalien, also als Weizen, Roggen, Gerste und gemischtes Getreide und die Akzise (eine Art Verbrauchersteuer) in Mark und Pfennig. Da die Getreidemühle eine Zwangsmühle war, war das Einkommen groß. Zu dieser Zeit wohnten nur wenige Menschen in Ratingen. Eine Zahl ist erst für das Jahr 1472 bekannt. Es waren 1.100 Einwohner.
Die Zeit des Wohlstands währte nicht ewig. Anfang 16. Jahrhundert baten Bürgermeister und Schöffen den Herzog um 100 Malter Roggen. Doch der Herzog konnte nicht helfen. Das gesamte Herzogtum war verarmt. Im 17. Jahrhundert ging es den Bewohnern noch schlechter. Der Dreißigjährige Krieg kam mit Verwüstungen und Plünderungen übers Land und der Brand von 1641 zerstörte die Stadt fast völlig. Die übriggebliebenen 60 Einwohner „unter welchen der Mehrentheil so arm und unvermogend, daß jedes Mittelen sich nicht ad 20 Rtl. erstrecken“ richteten eine Bittschrift an den Ständetag um Verringerung der Steuermatrikel.
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Die Papiermühle
Nach Aufhebung des Mahlzwanges 1811 bekam die Getreidemühle nur wenige Aufträge. Die Stadt Ratingen verkaufte die Mühle 1840 an Graf von Spee. Wahrscheinlich hatte der Pächter seine Getreidemühle schon vor dem Verkauf in eine Papiermühle umgewandelt.
Das Zeitalter der Industrialisierung begann für Ratingen früh: die erste Fabrik auf dem europäischen Festland war die Textilfabrik Cromford (die Brügelmannsche Spinnerei). Sie wurde unweit der einstigen Getreidemühle gebaut und nutzte die Wasserkraft der Anger wie diese.
Die Angermühle gehörte zur Bürgermeisterei Eckamp. Die Karte von 1840 Eckamp (vgl. Abbildung in der Mediengalerie) zeigt die Anger mit der Spinnerei Cromford und westlich davon den Angerhof. Ein stilisiertes Rad zeigt die Existenz einer Mühle an. Man sieht außerdem, dass die Angermühle in der Nähe des Stadtkerns von Ratingen lag.
Es gibt eine Beschreibung der Papiermühle. 1842 schrieb der Ratinger Schlossermeister Johann Kirchgaesser seine Betrachtungen auf. Zuerst beschreibt er die Schmiedewerkstatt und kommt dann auf den Zusammenhang mit der Papiermühle zu sprechen: „...Auch alle vorkommenden Bauarbeiten, ebenso die leichten Arbeiten für die am Angerbach gelegene Gräfl. Spee’sche Papierfabrik, wo bisher das sogenannte Büttenpapier angefertigt wurde, wo jetzt eine der ersten Papiermaschinen aufgestellt wurde, wo zu dem Zwecke Monteur und geübte Arbeiter aus Dorsten mitgekommen waren und auch dort blieben. Da gab es für den Umbau und die Einrichtung viele Arbeit...“
Der Nürnberger Spruchdichter Hans Sachs (1494-1576) beschreibt die Arbeit eines Papiermüllers wie folgt:
„Ich brauch Hadern zu meiner Mül / Dran treibt mirs Rad deß wassers viel,
daß mir die zerschnitn Hadern nelt, / Das zeug wirt in wasser eingequelt,
Drauß mach ich Pogn auff de filtz bring, / Durch preß das wasser darauß zwing.
Denn henck ichs auff, laß drucken wern, / Schneeweiß und glatt, so hat mans gern.“
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Papierherstellung Mitte 19. Jahrhundert
Der Grundstoff für die Herstellung von Papier ist der Zellstoff. Er kann aus Pflanzenfasern: Leinen, Hanf, Flachs oder Baumwolle gewonnen werden. Auch nass gemahlenes Holz, Spinnereiabfälle oder Hadern (Lumpen) werden verwendet. Lumpen werden in Wasser eingeweicht und mit „Holländern“ zerfasert. Der in Holland zuerst verwendete „Holländer“ ist eine Holzwanne, in der rotierende Messerwalzen die Lumpen zerkleinern und mahlen. Holz muss gemahlen und anschließend mit schwefliger Säure aufgeschlossen werden. Der Papierbrei wird mit großen Sieben aus der Wanne geschöpft, zwischen Filzlagen ausgebreitet und gegautscht (gepresst). Danach wird das nasse Papier getrocknet. Es gibt in diesem Ablauf viele Variationsmöglichkeiten, auch kann sich, je nach gewünschtem Produkt, noch Bleichen, Färben, Leimen oder Glätten anschließen. Die Schöpfer, Gautscher, Ableger und Leimer waren gut ausgebildete Fachleute.

Das Mühlrad und das Wehr
Für die vielfältigen Produktionsschritte war Wasserkraft nötig. An der Rückseite des Gebäudes war das Mühlrad angebracht. Man sieht der Wand an, dass sie viele Male verändert wurde (vgl. das Bild des Wehrs in der Mediengalerie). Man erkennt noch die Schlitze für das Wehr. Hier konnte das Wasser der Anger nach Bedarf reguliert werden.

Die neuen Dampfkessel
In der Mitte des 19. Jahrhundert gab es in Ratingen zahlreiche Neuerungen: eine Pferdebahn wurde gebaut, die reitende und die fahrende Post entstand, das Straßennetz wurde ausgebaut und erweitert und neue Industriezweige entstanden: Kalkbrennereien, Dachziegeleien, eine Eisengießerei und eine Brauerei. Die Zahl der Einwohner stieg an. Auch die Papierproduktion nahm an Umfang zu. Der Antrieb des Wasserrades durch die Anger reichte nicht mehr aus. 1850 bat der mit Vertrag vom 4. Januar 1849 von Graf von Spee ernannte geschäftsführende Leiter der Papierfabrik Franz Schütte den Bürgermeister von Ratingen um die Konzession zur Aufstellung von zwei Dampfkesseln. Die Konzession wurde gewährt und im Amtsblatt vom 16. August 1850 öffentlich bekannt gegeben. Die Fabrikanlage musste erweitert werden. Von 1850 bis 1853 bestand sie aus dem Fabrikgebäude, dem Lagerhaus, der Papiermaschine, den Holländern, dem Wassersaal, den Pumpen, Pressen und Getrieben.
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Das Gemälde der Papierfabrik
Es gibt ein Ölgemälde der Papierfabrik. Leonhard Rausch (1813-1895) hat es gemalt (vgl. Abbildung in der Mediengalerie). Man fragt sich, welche Beziehung der Maler zu Ratingen hatte. Er studierte 1829/30 an der berühmten Düsseldorfer Malerschule, kam 1840 in die Landschafterklasse zu Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863) und fertigte rheinische Landschaften in Gewitter-, Regen und Mondscheinstimmungen. Eines seiner bekanntesten Bilder „Blick in das Neandertal bei Düsseldorf“, eine sorgfältig ausgeführte Naturbeschreibung, ist nicht mehr auffindbar. Wahrscheinlich ist das Ölbild im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Wir kennen nur eine schwarz/weiß-Kopie. Rausch wohnte seit 1829 in Düsseldorf. Die Frage, warum Rausch in Ratingen malte, lässt sich wahrscheinlich durch sein Gedicht erklären. Es ist ein Nachruf für Luise Schütte aus Ratingen, die beste Freundin seiner 1845 geborenen Tochter Maria. Luise war drei Jahre jünger, doch sie muss früh gestorben sein. Das einfühlsame Gedicht beweist, dass die Familien Schütte und Rausch sich kannten.
Der kleine Fluss in der Mitte führt in das Bild hinein. Ein Steg und eine Brücke verbinden die rechte mit der linken Seite. Auf der linken Bildseite steht das große Fabrikgebäude. Es nimmt etwa die Hälfte des Bildes ein. Das Gebäude ist ein Ensemble von fünf Gebäudeteilen. Der Blick fällt auf das dreigeschossige Haupthaus. Zwölf schöne Stichbogenfenster mit senkrechten Sprossen schmücken die zweite Etage der Ziegelsteinfassade. Sie sind paarweise in sechs Segmenten angeordnet. Ein eingeschossiges Gebäude mit sechs Fenstern ist als Vorbau zu erkennen. Man sieht die rechteckige große Eingangstür. Ein weiteres Haus mit sechs Stichbogenfenstern ist quer zur Traufseite angebaut und ein weiteres, sehr kleines Haus, steht davor. Sein First reicht nur bis zur ersten Etage.
Hinter dem Gebäudeensemble (oder sollte man sagen „Wirrwarr“) gibt es ein weiteres Haus. Es hat einen spitzen Giebel, Rechteckfenster an der Firstseite und eine große halbrunde Öffnung an der Traufseite. Ein hoher sechseckiger Schornstein ragt hinter den Häusern empor.
Auf der rechten Bildseite steht ein dreigeschossiges Ziegelgebäude, wohl ein Lagerhaus. Je drei Stichbogenfenster schmücken die zweite und dritte Etage, während die Fenster der ersten Etage rechteckig sind. Hinter dem Lagerhaus rechts steht ein weiteres, sehr kleines Haus.
Leonhard Rausch stand auf der rechten Angerseite. Er konnte die Papiermühle gut erfassen. Leider können wir aus demselben Blickwinkel kein Foto machen. Auf beiden Angerseiten verstellen hohe Einzäunungen den Blick. Das Lagerhaus auf der rechten Seite gibt es nicht mehr. Hier steht heute ein modernes Wohnviertel.
Das Gemälde von Leonhard Rausch hat die Maße 41 x 22,5 cm. Das Original befindet sich im Museum Ratingen.
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Das Aussehen heute und vor 150 Jahren
Vergleicht man die heutige Rückseite der Fabrik mit dem Gemälde von L. Rausch, so erkennt man die vielfältigen Veränderungen (vgl. die Abbildungen in der Mediengalerie). Das hintere Gebäude, das bis an die Anger reicht, ist heute nicht mehr vorhanden. Man erkennt noch die (jetzt zugemauerten) alten Rundbogenfenster und man sieht moderne rechteckige Fenster. Die Mauern dokumentieren die Umbauten vieler Generationen. Die Aufhängung des Mühlrades ist nicht mehr auszumachen. Aber das Wehr ist noch vorhanden. Auch auf der genau gegenüberliegenden Seite sind die Führungen für den Schieber zu erkennen.
Auf der Ostseite sind die Halbbogenfenster der zweiten Etage noch identisch mit dem Gemälde. In der 3. Etage ist das linke Fenster zugemauert und das anschließende vergrößert. Der angebaute zweigeschossige Teil gleicht dem Gemälde. Nur zwei Fenster in der oberen Etage sind verändert. Der eingeschossige Gebäudeteil, der 1860 im Vordergrund stand, ist nicht mehr vorhanden. Stattdessen wurden Metallstreben und eine Metallbühne angebracht.
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Eine Übersicht der Anlage 1885
Der Situationsplan von 1885 zeigt Gebäude und Umgebung in anschaulicher Weise (vgl. Abbildung in der Mediengalerie). In der Mitte erkennt man die Anger (blau) mit ihren Brücken. Ebenfalls blau gezeichnet ist ein großer Teich im Norden. Rechts der Anger sieht man die Symbole für drei Gebäude. Das sind wahrscheinlich Lagerhäuser. Die Fabrikgebäude links der Anger sind im Karree angeordnet. Der mit „b“ bezeichnete Gebäudeteil ist rot gezeichnet. Er soll neu angebaut werden für die Aufnahme weiterer Dampfkessel. Ein Garten schließt sich südlich an und davor liegt die städtische Bleiche. Weitere Gärten und Ackerflächen und die Chaussee von Kaiserswerth nach Ratingen sind zu sehen. Notiz am rechten Rand: „Die umgränzenden Grundstücke mit Ausnahme der städtischen Bleiche gehören dem Herrn Grafen von Spee.“
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Die städtische Bleiche
1851 hatte der Gemeinderat von Ratingen die polizeiliche Erlaubnis zum Betrieb einer weiteren Dampfmaschine nur unter dem Vorbehalt erteilt „daß der...Schornstein, dessen Höhe mit 100 Fuß projektirt sey, dergestalt angelegt werden müße, daß solcher bei etwa eintretender Belästigung der Nachbarschaft durch Ruß etc. noch weiter erhöht werden könne.“
Aber diese Weisung ignorierte der Besitzer (vgl. die städtische Bleiche im Ausschnitt aus dem Situationsplan von 1885 in der Mediengalerie). Im Jahre 1852 erschienen im Büro des Bürgermeisters drei Frauen. Sie nannten Namen von weiteren Frauen. Alle waren Wäscherinnen, die sich durch Waschen fremder Wäsche ihren Unterhalt verdienen mussten:
„Wir sahen nun, daß der Ruß aus dem Schornsteine der neuen Papierfabrik des Grafen von Spee, welche in unmittelbarer Nähe der Bleiche liegt, über die ganze Bleiche flog und die Wäsche überschüttete. Wir waren genöthigt, sämmtliches Zeug welches ganz mit Ruß beschmutzt war nochmals zu waschen. Trotz aller die beiden Tage durch angewandten Mühe ist es nicht gelungen das Zeug ganz rein zu bekommen, sondern es befinden sich noch viele gelbe Flecken die von dem Ruße herrüherend, in dem Zeuge und werden diese Flecken wahrscheinlich nicht aus dem Zeuge gehen.“
Die Frauen beklagten sich in den Folgejahren noch oft beim Bürgermeister. Dieser droht mit „Insinuation“ (insinuieren= ein Schriftstück einem Gericht einreichen). Aber aus dem Hause des Grafen von Spee kommt die Antwort, dass der Herr Graf sich auf Reisen befinde. Der Bürgermeister gibt dem Gerichtsvollzieher den Auftrag, den Grafen von Spee vor das Friedensgericht zu laden.
Der Schornstein spuckte weiterhin Ruß aus. Weitere Akten dazu sind im Stadtarchiv nicht vorhanden
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1885 übernimmt Graf von Spee zusätzlich die Schimmersmühle
Die Schimmersmühle lag flussabwärts an der Anger. Sie war eine ehemalige Fruchtmühle, die 1848 von Hermann Geldmacher erworben und zur Papiermühle umgestaltet worden war. 1885 ging sie in Konkurs. Nachdem Graf von Spee sie gekauft hatte, arbeitete ein Teil der Mühle weiter als Getreidemühle und der Teil, der einstmals als Ölmühle betrieben worden war, wurde umgebaut für die Papierherstellung. Die erste Papierfabrik hieß nun die obere und die Schimmersmühle die untere Papierfabrik.
1887 wurde Leo Weyer als Nachfolger von Franz Schütte neuer Direktor. 1893 wurde die wirtschaftliche Lage in Ratingen vom Bürgermeister als sehr ungünstig bezeichnet. Besonders die Papierindustrie hatte Schwierigkeiten. Die obere Papierfabrik arbeitete für die Textilindustrie und war somit von deren Lage abhängig. Die Geschäftslage der Textilbranche war schlecht. Die untere Papierfabrik produzierte zwar weiterhin Papier, doch mit Verlust.
1895 ging es wieder aufwärts. Die obere Papierfabrik hatte in London große Abschlüsse gemacht.
Von 1904 bis 1907 war die (obere) Fabrik außer Betrieb. 1907 wurde sie unter dem Namen Franz Schütte Nachf. Ferdiand Chanteaux wieder in Betrieb genommen. Graf von Spee vermietet sie an Julius Vorster. Das Hauptwerk befand sich in Hagen. Wahrscheinlich wurde die Papierfabrik als Abteilung Ratingen bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg fortgeführt.
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Die Armaturenfabrik Siebeck
Das Metallwerk Alois Siebeck produzierte von 1913 an Armaturen in den Gebäuden an der Hauser Allee.
Nach dem Zweiten Weltkrieg demontierten die Besatzungsmächte alleine im heutigen Nordrhein-Westfalen 294 Fabriken, davon zwei in Ratingen: das Siebeck-Metallwerk GmbH und die Hermann Wingerath KG. Beide Betriebe legten Einspruch ein, doch die Militärregierung begann im März 1949 mit dem Abbau der Maschinen. Zum Glück konnte das Unternehmen Siebeck mit den restlichen Maschinen ohne Unterbrechung weiter produzieren.
Nach gescheiterten Verhandlungen mit Graf von Spee-Heltorf verlagert die Firma Siebeck 1957 die Produktion auf das Gelände an der Sandstraße/Dechenstraße in Ratingen. Hier konnte die Firma auf eigenem Grund und Boden produzieren. Ihr Name lautete jetzt Siebeck-Bitter.
Im gleichen Jahr zog ein Autohaus in die Fabrikhallen am Hauser Ring 70-74 ein. Dieses meldete am 1. Februar 2007 Insolvenz an und schloss am 15. Dezember seine Tore endgültig.
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Aktuelle Situation und Planungen
Seit Dezember 2007 steht die alte Papiermühle leer und verfällt langsam, weswegen seit 2011 verschiedene Planungen diskutiert wurden:
1. Vorschlag: der Einzug der Polizeiverwaltung. Da die Spee’sche Zentralverwaltung als Investor nicht die notwendigen benachbarten Grundstücke kaufen konnte, wurde dieser Vorschlag nicht verwirklicht.
2. Vorschlag: das alte Fabrikgebäude sollte in Teilen erhalten bleiben und die übrigen 7.000 Quadratmeter mit Wohnungen bebaut werden. Zuvor muss die Bausubstanz untersucht werden.
3. Vorschlag: Roland Siebeck, der Urenkel des Firmengründers, überlegt, das „vermutlich älteste Industriedenkmal“ erhalten. Ein kompletter Abriss käme für ihn nicht infrage. Er nennt seinen Vorschlag „Modernes Wohnen hinter der alten Fabrikfassade“.

Im Rahmen einer Begehung und Fotodokumentation im Mai 2011 präsentierte sich die alte Papierfabrik als ein stattliches Gebäude aus der Gründerzeit (vgl. Abbildungen in der Mediengalerie). Die Fassade des dreigeschossigen mittleren Gebäudes ist in der Art früher Industriebauten mit einem Ziegelrahmen geschmückt. Der First wird durch einen Aufsatz betont. In der Hauptfront fallen die schönen Stichbogenfenster auf. Parterre sind es drei und in der ersten Etage fünf. Die Originalfenster und Originalsprossen sind erhalten.
Die dritte Etage hatte drei rechteckige Fenster, wovon das mittlere zugemauert ist. Von den 1860 gemalten fünf Gebäudeteilen sind die drei größten und wichtigsten erhalten. Die Fassade ist heute weiß gestrichen und die Ziegelrahmen grau abgesetzt. Der rechteckige Schornstein von 1860 ist nicht mehr da. Hinter dem Fabrikgebäude steht jetzt ein runder Schornstein. Das Innere kann man nur durch ein zerbrochenes Fenster sehen. Die Hallen sind leer. Es wäre sehr spannend, die Innenräume nach Resten der alten Papiermühle zu untersuchen.
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September 2011: Die Papiermühle wird unter Denkmalschutz gestellt
Prof. Dr. Walter Buschmann vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland fertigte ein Gutachten an, infolge dessen die Anlage Hauser Ring 70 – ehemalige Papiermühle in Ratingen – unter Denkmalschutz gestellt und in die Denkmalliste der Stadt Ratingen aufgenommen wurde. In der Begründung für den Denkmalschutz fasst Buschmann die Ergebnisse unserer Recherchen zusammen, beschreibt die denkmalwerten Bestandteile und weist auf die Bedeutung der Fabrikanlage hin:
„... In der Fabrikarchitektur repräsentiert die Schütte’sche Fabrik ein gutes Beispiel für den Rundbogenstil im Industriebau. Diese im Zeitalter des Klassizismus entstandene Architektur war weit verbreitet in der Industrie, Beispiele dieser Bauart gibt es etwa bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. Besonders beachtlich ist die Vielzahl erhaltener Metallsprossenfenster mit dem für den Klassizismus typischen Strahlenmotiv in den Oberlichtern. Schließlich ist die Fabrik Hauser Ring 70 auch ein Zeugnis der Ratinger Maschinenbauindustrie. Die Fabrikanlage am Hauser Ring 70 ist – soweit Industriegeschichte und Industriearchitektur Teil der Menschheitsgeschichte ist – bedeutend für die Geschichte des Menschen. Als wichtiger Teil der Ratinger Stadt- und Mühlengeschichte ist die Anlage am Angerbach auch bedeutend für die Geschichte der Städte und Siedlungen. Die Erhaltung des Denkmals liegt aus wissenschaftlichen, besonders industrie-, architektur- und ortsgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse.“
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Wie geht es weiter?
Sieben Jahre steht die Fabrik und schon leer. Seit drei Jahren steht sie unter Denkmalschutz. Von den Vorschlägen des Jahres 2011 wurde keiner verwirklicht. Unser Traum, ein Anschauungsobjekt für die Papierherstellung im 19. Jahrhundert, wurde erst recht nicht verwirklicht. Als 2013 die Stadtratsmitglieder von Baumfällungen und geplanten Eingriffen hörte, gab es eine Beratung der Stadtratsfraktionen. In der Sitzung vom 16. Mai 2013 beschloss der Rat der Stadt Ratingen einstimmig die Vorkaufsrechtssatzung, mit der „die Stadt Ratingen die Grundstücke im Falle eines Verkaufs erwerben und damit sowohl Einfluss auf die geplanten Nutzungen nehmen, bzw. die ... angestrebte ökologische Aufwertung und Öffnung für die Allgemeinheit der Bereiche um den Angerbach gewährleisten (kann). Der Weiteren kann Einfluss auf die Gestaltung der zukünftigen Gebäude im Umfeld zu dem bestehenden Denkmal genommen werden.“
Jetzt, ein Jahr später, steht auf dem Platz an der alten Papiermühle Auto neben Auto. Vermutlich hat das benachbarte „Autohaus am Ring“ die Anweisung der Stadt nach ökologischer Aufwertung missverstanden.

Baudenkmal
Das Objekt „Stadtmühle Ratingen - Schütte'sche Papierfabrik u. Siebeckwerke, Hauser Ring 70“ ist ein eingetragenes Baudenkmal (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Obj.-Nr. 83591).
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(Hanna Eggerath / Helmut Neunzig, Bergischer Geschichtsverein Erkrath, 2014)

Quellen
  • Stadtarchiv Ratingen: Sonder-Akten betr. Papier-Fabrik / Obere / des Grafen v. Spee Heltorf 1850-1917, Alt-Akten 1-640.
  • Stadtarchiv Ratingen: Redemanuskript Prof. Dr. Walter Buschmann, „Die Geschichte der Papierindustrie im Raum Düsseldorf / Neuss“ (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Gutachten vom 26.9.2011).

Presseartikel
  • Rur-Blumen, Beilage zum Jülicher Kreisblatt vom 26.04.1924.
  • Ratinger Wochenblatt vom 12.05.2011.
  • Westdeutsche Zeitung vom 06.04.2011.
  • Rheinische Post vom 27.04.2011 und vom 12.05.2011.
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Literatur

Bernoulli, Christoph (1840)
Handbuch der Technologie oder rationelle Darstellung der technischen Gewerbe nach den neuesten Ansichten und Erfindungen. Band 2,. S. 126-127, Basel (2. neu bearbeitete Auflage).
Bolenz, Eckhard / Verein für Heimatkunde und Heimatpflege Ratingen e.V. (Hrsg.) (2000)
Ratingen. Geschichte 1780 bis 1975. Essen.
Budde, Hans (2000)
Die Papierfabriken der Grafen von Spee. In: Soénius, Ulrich S. (Hrsg.): Bewegen, Verbinden, Gestalten - Unternehmer vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (Festschrift für Klara van Eyll zum 28. September 2003), (Schriften zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichte, 44.) S. 213-214. Essen.
Döring-Czerlach, Linda (2009)
Die Stadtrechnung Ratingens 1466/67. Wirtschaftsleben im Spätmittelalter am Beispiel einer rheinischen Kleinstadt. In: Stadt Ratingen (Hrsg.): Ratinger Forum Nr. 11, S. 5-78. Ratingen.
Eggerath, Hanna; Neunzig, Helmut (2013)
„Die semmtliche Wäsche, welche auf der Bleiche lag, ist mit Ruß überschüttet...“. In: Die Quecke, Ratinger und Angerländer Heimatblätter, Dezember 2013, S. 29-43. o. O.
Verein für Heimatkunde und Heimatpflege Ratingen e.V. (Hrsg.) (2004)
Ratingen, Geschichte von den Anfängen bis 1815. Essen.

Papiermühle und vorherige Getreidemühle am Angerbach

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Hauser Ring 70
Ort
40882 Ratingen
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Denkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Geländebegehung/-kartierung, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn vor 1343

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„Papiermühle und vorherige Getreidemühle am Angerbach”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-90935-20140425-2 (Abgerufen: 19. April 2024)
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