In die Xantener Stadtmauer wurden früher Wehr- und Wachtürme integriert. Diese werden am Niederrhein wegen der massiven Form auch als „Bärwindmühlen“ bezeichnet. Beim Wiederaufbau der Stadtmauern nach dem Dreißigjährigen Krieg am Ende des 17. Jahrhunderts dienten diese Wehrtürme aus Mangel an Wohnraum als Behausung für Bedienstete der Stadt. Dadurch war einer der Türme, am Nordwall in der Nähe des Doms Sankt Viktor gelegen, unter dem Namen „Nachtwächterturm“ bekannt. Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) brachte wiederum viel Armut in die Stadt. Aus Geldmangel musste die Stadt Xanten drei Türme verkaufen. Den „Nachtwächterturm“ erwarb der Kaufmann Gerhard Schleß im Jahr 1778. Nach Renovierungsarbeiten nutzte er diesen als Gartenhaus. Sein Sohn Heinrich wiederum errichtete 1806 auf dem Turm eine Windmühle zum Antrieb einer Ölmühle, um den Turm auch wirtschaftlich zu nutzen. Nach dem Verkauf der Turmwindmühle an den Müller Hermanns wurde die Kriemhild-Mühle als Getreidemühle genutzt, so wie es noch heute der Fall ist. Nach einem erneuten Besitzerwechsel ging die Mühle in den Besitz seines auch heute noch aktuellen Eigentümers, der Stadt Xanten über.
Dank des Müllers Rolf Peter Weichold ist die Mühle seit 1992 wieder im Betrieb – und das täglich. Die Kriemhild-Mühle ist somit die einzige Mühle am Niederrhein, in der noch täglich mit der alten Technik Getreide gemahlen wird. Bei starkem Wind läuft die Mühle traditionell allein mit der Kraft des Windes, sonst wird der benötigte Antrieb elektrisch erzeugt. Auf mehreren Stockwerken kann der Weg vom Korn, über das Mehl, bis zum fertigen Brot in der Backstube verfolgt werden.
Der ziegelgemauerte Mühlenturm hat im Erdgeschoss einen Durchmesser von sechs Metern und eine Mauerstärke von einem Meter. Das Mauerwerk ist von der Galerie umgeben, die sich über einen Kranz von Schoren im Mauerwerk abstützt. Von hier aus werden die Bremse bedient und die vier fast 11 Meter langen Flügel mit schwerem Tuch besegelt. Ändert der Wind seine Richtung, wird die Mühlenkappe mittels Steert und Kettenwinde von der Galerie aus neu ausgerichtet. Steht die Mühle gut im Wind, macht das Flügelkreuz maximal 15 Umdrehungen in der Minute. Zur Optimierung von Windausbeute und Gleichlauf sind die Flügel mit einer Fock nach holländischem Patent und mit einer fliehkraftgeregelten aerodynamischen Bremse ausgestattet. Die mit Eichenholzschindeln gedeckte drehbare Mühlenkappe mit einem Durchmesser von 5,5 Meter ist auf 45 Stahlrollen auf dem oberen Mauerkranz von 5,2 Meter Durchmesser aufgelagert. Mit der Stellung der Mühlenflügel im ruhenden Zustand kann der Müller verschiedene Signale oder Aussagen machen - die Mühlensprache. Auf dem ersten Foto in der mediengalerie signalisiert die Flügelstellung: Feierabend.
Die heutige Bezeichnung „Kriemhild-Mühle“ existiert scheinbar erst seit dem 20. Jahrhundert. Die Mühle wurde benannt nach Kriemhild, eine der Hauptfiguren im Nibelungenlied. Das passende Gegenstück, die „Siegfried-Mühle“ steht etwas weiter außerhalb der Stadt.
(Biologische Station im Kreis Wesel e.V., 2013. Erstellt im Zuge des Projektes „Kulturlandschaft am Niederrhein“. Ein Projekt im Rahmen des LVR Netzwerks Umwelt / Reinhard Lutum, 2018)
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Empfohlene Zitierweise
Biologische Station im Kreis Wesel e.V. (2013), Reinhard Lutum (2018): „Kriemhild-Mühle am Nordwall”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-81585-20131210-2 (Abgerufen: 19. April 2024)
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