Nachdem sich die Bevölkerung Euskirchens in den sechzig Jahren zwischen 1850 und 1910 von 3.000 auf 12.000 Einwohner vervierfacht hatte, war die Errichtung einer zweiten katholischen Pfarrkirche, der Herz-Jesu-Kirche, notwendig geworden. Die Räumlichkeiten der Klosterkirche und der Pfarrkirche St. Martin waren nicht mehr ausreichend, die gestiegend Zahl der Gläubigen aufzunehmen. Da die Bebauungspläne eine Erweiterung der Stadt insbesondere in südlicher und östlicher Richtung vorsahen, wählte die Gemeinde einen Bauplatz im Südosten der Altstadt auf dem Gelände eines 1834 aufgelassenen jüdischen Friedhofs am Judenwall. Das Gelände wurde gewonnen, indem ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer abgerissen wurde. Für die Ausrichtung der Kirche orientierte man sich am Verlauf des Judenwalls, so dass die Kirche nicht geostet ist, sondern mit ihrem Chorhaupt nach Nordosten zeigt.
Der Architekt Aloys Schlösser aus Neuss entwarf eine Hallenkirche mit einem eingezogenen dreiseitigen Chor, Querschiff und einem 40 Meter hohen fünfgeschossigen Kirchturm im Südwesten, die in den Jahren 1905 bis 1908 in Tuffstein errichtet wurde. Der Innenraum wird durch schlanke und hohe Pfeiler unterteilt, die dem Raum einen Charakter von Weiträumigkeit und Höhenentwicklung verleihen. An den Arkadenansätzen trennen Blattwerkkapitelle die Pfeilerschäfte von den Rippen des Kreuzgewölbes. Es handelt sich um das größte Gotteshaus der gesamten Voreifel; mit 2.500 Plätzen kann Herz-Jesu fünfmal soviele Gottesdienstbesucher aufnehmen wie die alte Stadtpfarrkirche Sankt Martin. Zum 1. Dezember 1924 wurde Herz-Jesu, bislang eine Filiale von Sankt Martin, zur Pfarrei erhoben.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche bei einem Bombenangriff zu Heiligabend 1944 schwer beschädigt. Der 1949 in Angriff genommene, die Architektur leicht vereinfachende Wiederaufbau unter der Leitung von Dominikus Böhm und später unter Gottfried Böhm zog sich bis in die fünfziger Jahre hin. Erst in den Jahren 1975 bis 1976 wurde ein neues Kreuzrippengewölbe eingezogen.
Die Ausstattung stammt zu einem Großteil aus den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts und geht maßgeblich auf den Kölner Bildhauer Sepp Hürten zurück, der ein Marienrelief für den Chorbereich, den Altar und den Ambo schuf. Die Weimbsorgel aus Hellenthal entstand 1978 bis 1979.
Aus der nicht mehr vorhandenen Antoniuskapelle in Euskirchen stammt der Taufstein aus dem Jahre 1680. Heute erinnert die Antoniuskapelle in Herz-Jesu an den Kapellenbau, der im Rüdesheimer Viertel gestanden hat. Ebenso erinnert die benachbarte Marienkapelle an die frühere Kapelle des Euskirchener Hospitals in der Klosterstraße / Ecke Vuvenstraße. Aus der Hospitalkapelle stammt die spätgotische „Euskirchener Madonna“, dessen Existenz seit 1535 belegt ist. Sie wird als Gnadenbild verehrt; aufgrund der Pilger, die zum Hospital kamen, um es zu verehren, trug die Vuvenstraße von 1717 bis 1801 den Namen Pilgramstraße. 1958 gelangte die Madonna nach Herz-Jesu.
(Christoph Kühn, im Auftrag des LVR-Fachbereichs Umwelt, 2012 / Ergänzungen von Andreas Wall, Universität Koblenz-Landau, 2014)
Internet www.euskirchen.de: Stadt Euskirchen - Herz-Jesu-Kirche (abgerufen 12.09.2014)
Literatur
Cecere, Fabio / Freunde und Förderer des Stadtmuseums e.V. (Hrsg.) (2006)
Die Kirchen und Kapellen in Euskirchen. Euskirchen.
Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.) (2007)
Jakobswege. Wege der Jakobspilger im Rheinland. Band 2: In 13 Etappen von Köln und Bonn über Trier nach Perl/Schengen am Dreiländereck von Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Köln (3. Auflage).
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