Planung und ursprüngliche Bauausführung Das heute als „Altes Stadthaus“ bezeichnete Gebäude am Bottlerplatz in der Bonner Innenstadt war ursprünglich als Verwaltungsgebäude für die französische Besatzungsmacht der Alliierten Rheinlandbesetzung infolge des Ersten Weltkrieges vorgesehen. Der Entwurf von 1922 geht auf den Münchner Architekten und Reichskultursenator German Bestelmeyer (1874-1942) zurück und wurde in den Jahren 1924 bis 1925 als Bürogebäude für die Verwaltung der Stadt Bonn umgesetzt.
Die Dachkuppeln waren als so genannte „Zollbau-Lamellendächer“ bzw. „Zollingerdächer“ konstruiert, einer Dachkonstruktion nach einer auf den Merseburger Stadtbaurat Friedrich Zollinger (1880-1945) zurückgehenden Systembauweise. Bei dieser Zwischenform von Mansard- und Tonnendach werden vorgefertigte und gleichartige Einzelelemente als rautenförmige Gitterschale zu einem Stabnetztragwerk zusammengesetzt. Markant für diese freitragenden Dächer ohne Balken oder Stützen sind die gewölbten Dachflächen. Der Holzbedarf für den zudem recht einfach zu montierenden Dachstuhl verringerte sich durch diese Bauweise um teils über 40 Prozent. Das Patent Zollingers wurde von einer Deutschen Zollbau Licenz Gesellschaft bzw. im Rheinland ab 1927 von einer Zollbau-Verwertungs-Gesellschaft m.b.H. Köln über lizenznehmende Bauunternehmen verwertet (Kieser 2015, S. 24-25 u. Heise 2019). Die Fassadengestaltung des als repräsentativer Zugang zur Stadt freistehend konzipierten Stadthauses zieht sich einheitlich um den gesamten Baukörper. Der Bereich des Innenhofs wird begrenzt durch einen erhaltenen Teil der ehemaligen barocken Bastionsbefestigung zum Florentiusgraben hin - neben dem Alten Zoll am Rheinufer einer der wenigen frei zugänglichen Teile der ausgedehnten Befestigungsanlage.
Spätere Nutzung und Umgestaltung In Teilbereichen des Stadthauses (vornehmlich in einem heute abgerissenen Bereich) war in den Jahren 1949 bis 1957 das damalige Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen untergebracht. Anfang der 1970er Jahre wurde nach dem Neubau des Bonner Stadthauses am Berliner Platz das nunmehr „Alte“ Stadthaus für eine Nutzung als Stadtbibliothek umgebaut. In den 1980er Jahren wurde ein Zugang vom Florentiusgraben eingerichtet und gleichzeitig der Innenhof gärtnerisch gestaltet sowie eine Baumreihe gepflanzt. Ein Teil dieser kleinen Parkanlage wurde Ende der 1990er Jahre zu einem Spielplatz umgestaltet.
Kontroverse um den geplanten Verkauf und heutige Situation Im Sommer 2006 wurden Pläne der Stadt Bonn bekannt, das als Stadtbücherei und städtisches Verwaltungsgebäude genutzte Alte Stadthaus zu verkaufen. Die Bibliothek sollte zusammen mit der Volkshochschule und dem Stadtmuseum in einen Neubau in der Quantiusstraße in Bahnhofsnähe verlegt werden. Für das Alte Stadthaus war eine Nutzung als Verkaufsfläche vorgesehen. Eine aus Widerstand gegen diese Pläne im Oktober 2006 gegründete Bürgerinitiative setzte sich für den Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes als Eigentum der Stadt ein. Zwischen den Fraktionen des Stadtrats, möglichen Investoren, der Bürgerinitiative und Bonner Bürgern – darunter viele Kulturschaffende und Prominente - wurde kontrovers eine öffentliche Debatte um die Verkaufspläne geführt; die Bürgerinitiative strebte dabei zuletzt ein Bürgerbegehren für den Erhalt und die Nutzung des alten Stadthauses als Bibliothek an. Am 31. Januar 2007 beschloss der Rat der Stadt Bonn schließlich mit großer Mehrheit, das Gebäude nicht zu verkaufen, sondern als „Haus der Bildung“ mit Erweiterungsbauten in Richtung der Ecke Münsterstraße / Mülheimer Platz umzubauen und zu renovieren. Hier wurde inzwischen das „Siemenshaus“ abgerissen, auf dessen Resten des Kellers ein Neubau entsteht. Die Kosten der Renovierungen, des Umbaus und der Erweiterungen werden auf mehr als 20 Millionen Euro geschätzt. Bei einem im Oktober 2008 abgeschlossener Architektenwettbewerb mit 15 ausgewählten Planungen wurden die Entwürfe des Architekturbüros Alexander Koblitz aus Berlin auf Platz eins gesetzt.
Baudenkmal Das Objekt „Altes Stadthaus“ ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Bonn, Baudenkmäler lfd. Nr. A 363).
Internet deu.archinform.net: Reichskultursenator German Johann Bestelmeyer (1874-1942), Architekt (abgerufen 01.07.2021) de.wikipedia.org: Altes Stadthaus Bonn (abgerufen 18.01.2011) www2.bonn.de: Stadt Bonn, Amt 61, Stellungnahme der Verwaltung, Drucksachen-Nr. 0611268ST17 (abgerufen 17.01.2011, Inhalt nicht mehr verfügbar 27.04.2022) www.ingenieurteam2.com: Öffentliches Privates Informationsmanagement, ÖPI-Newsletter Nr. 19 Juni 2009, S. 1 (abgerufen 02.12.2010, Inhalt nicht mehr verfügbar 01.07.2021)
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) S. 150, Stuttgart (3. völlig neu bearbeitete Auflage).
Heise, Karin (2019)
Neues Bauen in Sachsen-Anhalt. Das Werk des Architekten, Konstrukteurs und Merseburger Stadtbaurats Friedrich Zollinger: kreativ - pragmatisch - zukunftsfähig. In: Sachsen-Anhalt-Journal 1, o. O. Online verfügbar: journal.lhbsa.de, abgerufen am 01.07.2021
Kieser, Marco / Landschaftsverband Rheinland, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (Hrsg.) (2015)
Zollingerdächer der Zwanziger Jahre im Rheinland. Aus dem Nachlass des Architekten Theo Willkens. In: Denkmalpflege im Rheinland, 32. Jg., Nr. 1/2015, S. 22-31. Pulheim.
Stadt Bonn, Amt 61-02, Untere Denkmalbehörde (Hrsg.) (2012)
Liste der gem. § 3 DSchG NW in die Denkmalliste eingetragenen Baudenkmäler, Bodendenkmäler, beweglichen Denkmäler und Denkmalbereiche der Stadt Bonn (Stand: 01.01.2012). S. 12, Bonn.
Stadt Bonn, Amt 61-02, Untere Denkmalbehörde (Hrsg.) (2006)
Liste der gem. § 3 DSchG NW in die Denkmalliste eingetragenen Baudenkmäler, Bodendenkmäler, beweglichen Denkmäler und Denkmalbereiche der Stadt Bonn (Stand: 01.08.2006). S. 13, Bonn.
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