Geschichte vor 1902
Bis ins Jahr 1901 oder 1902 befand sich auf dem Grundstück Baumschulallee 3 noch eine Villa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach Erwerb des Grundstückes durch zwei wohlhabende Rentner wurde das ursprüngliche Grundstück in zwei längliche Parzellen aufgeteilt, wodurch die beiden heutigen Grundstücke 3 und 3a entstanden.
Die Villa, die in ihrer großzügigen Anlage und ursprünglichen Konzeption als ‚Villa suburbana‘ im ländlichen Raum nicht mehr dem Zeitgeschmack gemäß war, wurde abgerissen. Dies ermöglichte die Errichtung der heutigen Gebäude, welche weitaus besser an die urbane Bebauung angepasst waren, die inzwischen bis Poppelsdorf reichte (zur niedergelegten Villa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und zur Baumschulallee vgl. das Objekt Villa, Baumschulallee 3).
1902 bis 1944 – Einfamilienhaus des Großbürgertums
Die Neuerwerber des Grundstückes, zwei Rentner, ließen im Jahr 1902 auf den beiden Grundstücken zwei Doppelhaushälften errichten, die, wenngleich gespiegelt, beinahe identische Grund- und Aufrisse aufweisen. Hierdurch konnten Planungskosten eingespart werden, weil der Architekt nur einen Gebäudetyp entwerfen musste. Dies ist ein typisches Merkmal gründerzeitlicher Häuser. Unterschiede ergeben sich etwa durch die Gestaltung mit runderen Formen bei der Häuserfront des Gebäudes Baumschulallee 3a. Hierin zeigt sich ein weiteres typisches Merkmal der Wohnhäuser jener Zeit: So folgen diese Gebäude zwar oft bestimmten Gesetzen im Baustil, in der Ausgestaltung der Details jedoch wurde die Möglichkeit geschaffen, persönliche Akzente zu setzen, um somit neben der Anpassung an gesellschaftliche Moden eine eigene Besonderheit zu erhalten.
Bei den Gebäuden handelt es sich um dreigeschossige Bauten im Jugendstil mit je einem Querhaus auf der Gartenseite. Der Bau erfolgte in der zweiten großen Bauphase an der Baumschulallee, die um die Jahrhundertwende vor allem Reihenhäuser im Stile des Historismus hervorbrachte. Gemeinsam mit der in der ersten Bauphase Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten klassizistischen Villa, fanden auf dem Grundstück also stets zeittypische Bautätigkeiten statt.
Die Anlage des Gebäudes als großbürgerliches Reihenhaus spiegelt sich noch in der heutigen Bausubstanz wieder. So besteht neben der großen repräsentativen Freitreppe auch noch ein kleinerer Dienstboteneingang, der ins Souterrain führt, das zum Garten hin ebenerdig liegt. Dies liegt daran, dass sich im Bereich des Gartens im 19. Jahrhundert eine Kiesgrube befand. Die Räume des Erdgeschosses und der ersten Etage, die vom Hausbesitzer selbst bewohnt wurden, sind bis zu 4,40 Meter hoch und weisen teilweise an den Decken noch Stuckverzierungen auf. Die Böden bestehen aus Parkett und teilweise aus Marmor. Im Vergleich dazu verfügen die oberen Stockwerke als Schlafräume der Eigentümer und im Dachgeschoss als Wohnort des Dienstpersonals über weitaus geringere Raumhöhen und einfache Dielenböden. Im Souterrain befand sich die Küche und ein Vorratsraum und im Querhaus die Waschküche. Das Souterrain selbst ist nochmals mit zwei Räumen unterkellert, die ebenfalls als Vorratsräume dienten.
Die Rückseite des Hauses ist im Vergleich zur dekorativen Vorderfront schlicht gehalten. Es ist keine genaue Aussage darüber möglich, wie lange das Gebäude als Einfamilienhaus mit Dienstpersonal genutzt wurde, jedoch lässt die Anlage zweier Gauben im Dachgeschoss in den Jahren 1937 und 1940 darauf schließen, dass die oberen Etagen vermietet wurden.
1944 bis 1949 – Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit
Wie weite Teile Bonns wurde das Haus im Jahr 1944 bei einem Luftangriff stark beschädigt. Das Querhaus auf der Gartenseite wurde bis auf das Souterrain und das Treppenhaus teilweise zerstört. Es ist zu vermuten, dass das Gebäude anschließend einige Zeit unbewohnt war.
Die Entwicklungen in der Nachkriegszeit sind vom chaotischen Charakter dieser Jahre geprägt. Ein 1946 von der Besitzerin geplanter Wiederaufbau wurde genehmigt, jedoch vermutlich aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt. Erst ein neuer Besitzer ließ das Gebäude bis 1948 instandsetzen, jedoch ohne dabei den 1946 genehmigten Plänen zu folgen. Diese hatten die Anlage geschlossener Wohnungen auf jeder Etage vorgesehen, wiesen jedoch, wie es der neue Besitzer später formulierte, „bedenkliche Mängel in Bezug auf die sanitären Anlagen“ auf. Dies äußerte sich in der fehlenden Existenz von Badezimmern auf den einzelnen Etagen und dem Umstand, dass die Toiletten nur über den Balkon der Stockwerke zu erreichen waren.
Der neue Besitzer strukturierte den Grundriss der Geschosse extrem um, indem er das Treppenhaus zur Straßenseite hin verlegte, wodurch Raum zur Anlage von Badezimmern, Toiletten und einem Luftschacht entstand. Dadurch verfügte das Haus nun über geschlossene Wohnungen auf den Etagen, welche zudem eine hervorragende sanitäre Ausstattung aufwiesen. Hierin zeigt sich womöglich die Weitsicht des Besitzers, welcher schon damals die „bevorzugte Lage“ des Grundstückes erkannte und die Chance nutzte, die alte Bausubstanz eines Einfamilienhauses an zeitgemäße Anforderungen anzupassen. Bei vielen anderen Gründerzeithäusern erfolgte dieser Schritt erst ab den späten 60er Jahren, wobei eine dermaßen radikale Umgestaltung des Grundrisses dann aus Gründen des Denkmalschutzes kaum mehr durchführbar war.
Dieser Umbau des Gebäudes wurde 1949 nachträglich genehmigt, nachdem die Bautätigkeiten bereits seit einem Jahr beendet waren.
Der Wiederaufbau des Querhauses erfolgte hierbei wahrscheinlich aus Kostengründen nicht. Einzig im Hochparterre wurde auf das noch erhaltene Souterraingeschoss des Querhauses ein schmaler Anbau aufgesetzt, in welchem später eine Werkstatt untergebracht wurde. Das Nachbargehäuse Baumschulallee 3a wurde im Krieg nicht beschädigt, wodurch es noch heute den Grundriss und das Querhaus von 1902 aufweist. Bis 1970 bestand in der ehemaligen Waschküche ein Hühnerstall mit einem davor liegenden Freigehege. Vermutlich wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg zur Eigenversorgung angelegt.
1950 bis 2011 – Wandel zum Mehrfamilienhaus
Das inzwischen als Mehrfamilienhaus genutzte Gebäude war jedoch lange Zeit kein reines Wohnhaus. Bereits vor dem Krieg wurde das Hochparterre des Querhauses als Arztpraxis genutzt. Der neue Hausbesitzer nach dem Krieg war Tuchhändler und nutze das Haus auch gewerblich unter anderem durch Vermietung an einen Schneider, mit dem er zusammenarbeitete. Nachdem das Gebäude 1958 in den Besitz eines Arztes überging, wurde das Hochparterre erneut als Arztpraxis genutzt. Die gute Lage des Gebäudes führte dazu, dass nach Schließung der Praxis zeitweise die Geschäftsstelle eines Elektrohändlers und der Kreisverband Bonn der CDU im Gebäude untergebracht waren.
1965 wurde der Vorgarten des Gebäudes, welcher von einem vermutlich noch aus dem Jahr 1902 stammenden schmiedeeisernen Gartengitter umgeben war, entfernt und durch Parkplätze ersetzt. Durch die gezielte Motorisierung der Innenstädte in den 1960er Jahren wurde dieser Vorgang möglich, der heute vermutlich aus Gründen des Denkmalschutzes nicht mehr genehmigt würde. Eine geplante Modernisierung der Fassade des Hochparterres, wie sie bei vielen Gründerzeithäusern in dieser Zeit und auch dem Nachbarhaus Baumschulallee 3a durchgeführt wurde, wurde nicht durchgeführt. Weitere Bautätigkeiten umfassten zahlreiche Renovierungen und den sukzessiven Ausbau des Souterrains und des Dachgeschosses, teilweise als Studentenunterkünfte. So konnte die Zahl der Wohnungen von vormals vier auf zeitweise sechs erhöht werden.
Heutiger Zustand
Heute ist das Gebäude ein reines Wohnhaus. Einzig die alten Vorratsräume im Tiefkeller werden seit 1998 durch die KDB (Katholische Deutsche Burschenschaft) Winfridia im RKDB (Ring Katholischer Deutscher Burschenschaften), die bereits in den 1960er Jahren einmal in den beiden Kellerräumen untergebracht war, als Versammlungsräume genutzt. In Zuge dessen wurde einer der beiden Kellerräume mit einer Küche ausgestattet. Das Haus ordnet sich damit in die Liste zahlreicher Gründerzeithäuser der Südstadt ein, die Studentenverbindungen teils schon seit der Kaiserzeit beherbergen. Hierin zeigt sich die Bedeutung Bonns als Studentenstadt.
Wie in seiner gesamten Geschichte hindurch spiegeln sich auch aktuelle Prozesse noch in der Bausubstanz des Gebäudes wider, das der heutigen Zeit gemäß auch über Internet und Kabelanschlüsse auf allen Etagen verfügt. So wurden beispielsweise in den hohen Räumen des ersten Geschosses Galerien eingezogen. Dadurch wurde bei gleichzeitiger Persistenz der alten Bausubstanz eine Anpassung an heutige Wohntrends durchgeführt, welche sich durch eine effiziente Nutzung des gegebenen Raumes ausdrücken. Die beiden Dachgeschosse wurden 1991 zu einer Wohnung zusammengeschlossen. Hierin zeigt sich der seit Ende des Kriegs stark steigende Wohnraumverbrauch pro Person in Deutschland.
Durch den großen Garten und die zentrale Lage zwischen Bonner City und Poppelsdorf ist das Gebäude heute insbesondere für Familien mit Kindern äußerst attraktiv. Dies spiegelt den zunehmenden Trend der Reurbanisierung wider.
Das Haus als sozio-kulturelles Dokument
Das ehemalige großbürgerliche Vorstadthaus in der ländlichen Idylle zwischen dem Dorf Poppelsdorf und Bonner Hauptbahnhof ist somit inzwischen zu einem Mehrfamilienhaus im Herzen Bonns geworden.
1993 wurde das Gebäude als Baudenkmal in die Denkmalliste aufgenommen, da es die Wohnverhältnisse und -kultur seiner Entstehungszeit widerspiegelt. Wie sich an der Geschichte des Gebäudes jedoch zeigt, wurde das Gebäude auch in späterer Zeit stark durch die Verhältnisse der jeweiligen Zeit geprägt, und seine Geschichte kann exemplarisch für die Geschichte der Gründerzeithäuser der gesamten Bonner Süd- und Weststadt gelten. Somit ist es als sozio-kulturelles Dokument der Bonner Geschichte seit 1902 und insbesondere als Teil eines weltweit fast einzigartig gut erhaltenen Gründerzeithausviertels erhaltungswürdig.
Das Objekt „Gründerzeithaus Baumschulallee 3“ in Bonn, Baumschulallee 3, ist ein eingetragenes Denkmal (Denkmalliste Bonn, Stand 01.04.10, Nr. A 2710)
(Jost Dockter, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2012)
Quellen
Auskünfte Ortsansässiger und des Eigentümers des Nachfolgebaus sowie von diesem bereitgestellte Bauakten. Diese enthielten unter anderem:
- Begründung der Denkmaleigenschaft des Gebäudes durch die Denkmalbehörde der Stadt Bonn
- Zahlreiche Grund- und Aufrisse
- Verschiedenste Bauanträge
- Alte Fotografien des Gebäudes