Auf der Dreiborner Hochfläche oberhalb der zwischen 1900 und 1905 angelegten Urfttalsperre in der Nordeifel errichteten die Nationalsozialisten ab 1934 die Nationalsozialistische Lehr- und Schulungsstätte „NS-Ordensburg Vogelsang“. Die Anlage konnte jedoch auf Grund des Zweiten Weltkriegs nicht vollendet werden und wurde ab 1939 bis Kriegsende von der Wehrmacht genutzt. Das Areal wurde von 1946/50 bis 2005 als belgische Kaserne und Truppenübungsplatz „Camp Vogelsang“ genutzt und fungiert seit 2006 als Dokumentationsstätte und Besucherzentrum „Internationaler Platz vogelsang ip“.
Standort und Planung Der Standort wurde - wie der der anderen Ordensburgen im Reich auch (neben Vogelsang noch Sonthofen in Bayern und Crössinsee bzw. Krössinsee in Pommern) - mit Bedacht gewählt. In allen Fällen wurden die Ordensburgen in Regionen errichtet, in denen der Nationalsozialismus erst spät Fuß gefasst hat. Sie sollten dort als Leuchtturmprojekte dienen um diese Gebiete „mit nationalsozialistischem Gedankengut zu durchbluten“ (Heinen 2014, S. 19). Zudem zielte der Bau in der Nähe der Reichsgrenzen auf die jenseits der Grenze lebenden Auslandsdeutschen ab. Die Ordensburgen sollten Stätten des „volksdeutschen Kampfes“ sein.
Die Pläne der Anlage stammten vom Kölner Architekten Clemens Klotz (1886-1969), dieser hatte auch die Erholungsanlage der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) im Seebad Prora entworfen (ein Ortsteil der Gemeinde Binz auf Rügen). Bauherr war der Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Führer der Deutschen Arbeiterfront (DAF) Robert Ley (1890-1945). Dieser hatte, nach eigenem Eingeständnis, die Ordensburgen „ohne jedes Konzept in Angriff genommen“ (Heinen 2014, S. 21). Daher musste der Architekt jederzeit mit unvorhergesehenen Veränderungen der Pläne durch Ley rechnen. Zu Beginn ging es eigentlich nur um den Bau eines besseren Barackenlagers, dieses wurde dann im Lauf der kommenden Jahre zu einer massiven Schulungsburg ausgebaut und letzten Endes sollte eine monumentale Ordensburg entstehen. Das führte zu erheblichen Planungsänderungen, gleichzeitig sollten die Neubauten aber mit den bereits gebauten Gebäuden im Einklang stehen. Diese Planungsbrüche sind auch heute noch zu erkennen: Die späteren Erweiterungsbauten setzen sich deutlich von den ersten Bauabschnitten ab. Für den Bau mussten zunächst die Hänge terrassiert werden, bis zur Einstellung der Bauarbeiten 1941 wurden mehrere 100.000 m³ Fels bewegt. Die Bauarbeiten selber machten schnell Fortschritte. Zwar hatte Klotz für die Bauten eine Außenverkleidung aus regionalem Material wie Grauwacke und Schiefer vorgesehen, die tragenden Elemente wurden aber in der Regel in Stahlbeton- oder Ziegelsteinbauweise errichtet.
Erster Bauabschnitt Geplant wurde Vogelsang als Landschaftsarchitektur am zur Urfttalsperre abfallenden Nordhang der Dreiborner Hochfläche. Man betritt die Anlage durch ein großes Zugangsportal (bis heute erhalten auf der Zufahrt von der Bundesstraße B 266 aus). An der westlichen Abbruchkante des Plateaus wurde ein Gemeinschaftshaus mit einer Erweiterung nach Westen, die als „Wandelhalle“ bezeichnet wird, und einem vorgelagerten umbauten Platz errichtet. Südwestlich angewinkelt schließt die Kantine „Burgschenke“ an. Unterhalb dieser liegen 14 Unterkunftsbauten und noch weiter unten in Richtung der Urfttalsperre liegen die Sportanlagen und eine Aussichtsplattform. Den Zentralbereich bildet der Platz am Gemeinschaftshaus. Dieser „Adlerhof“ genannte Platz hat seinen Namen von zwei steinernen Adlern, die am Platz gestanden haben.
Zweiter Bauabschnitt 1936 wurde auf Anweisung Leys hin die Ordensburg monumental erweitert. Es ging ihm um die Schaffung einer Anlage, die auch für Parteiaufmärsche und Tagungen genutzt werden konnte, aber nicht für den eigentlichen Lehrbetrieb. Ab 1937 entstanden südöstlich des Adlerhofes ein mehrgeschossiger Wirtschafts- und Kraftfahrzeugbereich. Weiter südlich des Adlerhofes entstanden weitere Neubauten. Dazu gehörte ein Torgebäude.
Dritter Bauabschnitt Durch die Verlagerung des Einganges entstanden weitläufige unbebaute Flächen. Dort sollten unter anderem das „Haus des Wissens“ sowie ein tempelartiger Bau mit einer riesigen Halle entstehen. Für weitere Bauten entstand zudem eine Stützmauer am Osthang des Plateaus. Die innenliegenden Kellerräume wurden während des Krieges verstärkt und als Luftschutzräume genutzt. Außerdem entstand am Osthang ein Schießplatz. Da die Burgmannschaften zu Piloten ausgebildet werden sollten, wurde an einer der Zufahrtstraßen ein Sportflugplatz errichtet. Außerdem wurde mit dem Bau einer „NS-Mustersiedlung“ begonnen, dem „Dorf Vogelsang“. Durch die Kriegsvorbereitungen, die verstärkt ab 1938 einsetzten, kam es beinahe zu einem vollständigen Stillstand auf der Baustelle. Nach einem vorläufigen Baustopp 1939 wurden mit wenig Personal bis 1942 Rest- und Sicherungsarbeiten erledigt.
Bedeutung und Nutzung Die zum Teil burgähnlich errichtete Anlage diente nicht nur als „Kaderschmiede“ für den nationalsozialistischen Funktionärs- und Führungsnachwuchs der „Ordensjunker“, sondern auch zur Inszenierung und Selbstdarstellung der NSDAP. Außerdem wurde sie für Tagungen, Schulungen, Massenveranstaltungen und Repräsentationszwecke genutzt. Die Ausbildungen in den Schulungsburgen Sonthofen, Crössinsee und Vogelsang hatten unterschiedliche Themenschwerpunkte. In Sonthofen lag der Schwerpunkt auf Verwaltungs- und Militäraufgaben sowie Diplomatie, in Crössinsee auf „charakterlicher Bildung“ und in Vogelsang auf „rassischer Philosophie der neuen Ordnung“. Vor der Einstellung des 1936 aufgenommenen Lehrbetriebes mit Beginn des Zweiten Weltkriegs hatten der erste Lehrgang für das Stammpersonal der Ordensburgen sowie zwei reguläre Jahrgänge die ideologische und sportliche Ausbildung durchlaufen. Bei Kriegsausbruch wurde Vogelsang der Wehrmacht zur Verfügung gestellt. 1940 wurde die Burg im Rahmen des Westfeldzuges als Gefechtsstand genutzt. 1941/42 waren hier mehrere Klassen sogenannter „Adolf-Hitler-Schulen“ (AHS, NS-Auslese-Internate) mit etwa 250 Schülern untergebracht. Ab 1941 diente Vogelsang als Krankenanstalt, ab 1943 als Entbindungsstation und zuletzt im Januar 1945 kurzzeitig als Lazarett. Zum Kriegsende wurde die Anlage durch die US-Armee erobert und stand Anfang 1946 unter britischer Militärverwaltung, die zeitweilig ihren Abriss als herausragendes Symbol des Nationalsozialismus erwog. Während des zwischenzeitigen Leerstandes wurden die Gebäude teils von der örtlichen Bevölkerung geplündert.
Hinweis Die „NS-Ordensburg Vogelsang“ ist wertgebendes Merkmal des Kulturlandschaftsbereichs „Urfttalsperre, NS-Ordensburg Vogelsang“ (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 221).
(Marc Scheffer, LVR-Redaktion KuLaDig, 2016)
Internet www.vogelsang-ip.de: Vogelsang IP, Internationaler Platz im Nationalpark Eifel (abgerufen 09.09.2015 und 06.12.2016) de.wikipedia.org: NS-Ordensburg Vogelsang (abgerufen 09.09.2015 und 06.12.2016)
Weltanschauliche Erziehung in Ordensburgen des Nationalsozialismus. Zur Geschichte und Zukunft der Ordensburg Vogelsang. (Geschichte und Erwachsenenbildung.) Essen.
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (3. völlig neu bearbeitete Auflage). (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) S. 935-937, Stuttgart.
Heinen, Franz Albert (2014)
Ordensburg Vogelsang. Die Geschichte der NS-Kaderschmiede in der Eifel. Berlin.
Vogelsang IP gemeinnützige GmbH (Hrsg.) (2015)
Vogelsang IP - Auf einen Blick (Broschüre mit Geländeplan, Stand 06/2015). Meckenheim.
Nationalsozialistische Lehr- und Schulungsstätte „Ordensburg Vogelsang“
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