V1-Feuerstellung der 21. Batterie Wershoven bei Lommersdorf

V1-Abschussrampe

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde, Archäologie
Gemeinde(n): Blankenheim (Nordrhein-Westfalen)
Kreis(e): Euskirchen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 25′ 12,63″ N: 6° 46′ 33,59″ O 50,42017°N: 6,776°O
Koordinate UTM 32.342.013,04 m: 5.587.713,13 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.555.192,95 m: 5.587.433,63 m
  • Historische Schnittzeichnung durch einen Marschflugkörper V-1, wahrscheinlich aus der Nachkriegszeit.

    Historische Schnittzeichnung durch einen Marschflugkörper V-1, wahrscheinlich aus der Nachkriegszeit.

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Östlich des Ortsteils Lommersdorf der Gemeinde Blankenheim (Ahr) befinden sich im Wald die als Bodendenkmal geschützten Überreste von einer der 32 Abschussrampen für V1-Marschflugkörper, die während des Zweiten Weltkriegs in der Eifel zum Einsatz kamen.

Die „Wunder“- und „Vergeltungswaffe“ V1
Mit den Marschflugkörpern des meist kurz als V1 bezeichneten Typs Fieseler Fi 103 wollte die NS-Führung „Rache“ für alliierte Bombardierungen üben. Die so genannten „Vergeltungswaffen“ V1 und V2 (eigentlich Aggregat 4 bzw. A4, die weltweit erste funktionsfähige ballistische Rakete) galten aufgrund der zunehmend aussichtslosen Kriegslage für die nationalsozialistische Propaganda als „Wunderwaffen“, die dazu dienen sollten, „den Durchhaltewillen des Deutschen Volkes aufrecht zu erhalten“. Auch wenn V1 und V2 keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die Entwicklung des Zweiten Weltkriegs hatten, gelten sie als richtungsweisend für die Waffentechnik der Nachkriegszeit und im Kalten Krieg.

Die knapp 8 Meter langen und von einem Pulsstrahltriebwerk angetrieben V1-„Flügelbomben“ erreichten Fluggeschwindigkeiten von bis zu 630 km/h. Insgesamt wurden von der Wehrmacht von Juni 1944 bis März 1945 ca. 12.000 Fi 103 hauptsächlich gegen Ziele in England (London) und Belgien (Hafen von Antwerpen) eingesetzt.
Bei der Flugbombenoffensive gegen England im Juli und August 1944 wurden 8.892 V1 vom Boden gestartet, davon erfolgreich 7.488, wobei 3.957 (knapp 53 %) von den Briten abgeschossen wurden. Weitere 1.600 V1 wurden von Bombern aus der Luft gestartet, ferner wurden etwa 3.200 A4-Raketen auf England, Frankreich, Belgien und Niederlande abgefeuert.
Obgleich 2.419 V1 das Ziel London trafen, dort detonierten und auch beträchtliche Schäden anrichteten (alleine in London starben 6.184 Zivilisten und weitere 17.981 wurden schwer verletzt), konnten die deutschen Terrorangriffe in Gruppen von bis zu zehn V1-Flugkörpern weder die beabsichtigte Wirkung bei der bombardierten Bevölkerung erzielen, noch die Wirtschaft in England kriegsentscheidend schwächen.
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Die V1-Stellung bei Lommersdorf, „Eifelschreck“
Aufgrund ihrer beschränkten Reichweite und des Verlusts der Kanalküste infolge der dortigen Landung der Alliierten ab dem „D-Day“ am 6. Juni 1944, war die nördliche Eifel als Stationierungsgebiet für die V1- Marschflugkörper prädestiniert.

Wegen der zahlreichen Frühabstürze unweit der Raketenstellungen erhielten die vermeintlichen Wunderwaffen in der Bevölkerung den Namen „Eifelschreck“. Abstürzende V1 hatten viele Tote und Verletzte in der Zivilbevölkerung der Eifel zur Folge. Häufig war zwar der Abschuss einer V1 zu hören, doch blieb „der zweite Knall, bei dem normalerweise der Zünder nach einiger Zeit im Flug scharf gemacht wurde“, aus.
Bei dem Einschlag eines solchen Blindgängers in eine Lommersdorfer Scheune 1944 „wurde unter anderem eine Kuh durch die Luft geschleudert. Ihr Aufprall auf dem Dachboden bzw. dem Schornstein der Nachbarhäuser richtete einigen Schaden an.“ (lommersdorf.de)
Als Grund für viele der Abstürze ist Sabotage bei der Produktion der Waffen anzunehmen, bei der tausende Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen eingesetzt wurden.

Die V1-Stellung bei Lommersdorf wurde „durch Zufall“ Opfer eines Jagdbomberangriffes, wobei die Stellung völlig zerstört wurde. Noch viele Jahre nach Kriegsende, kamen Menschen zu Tode, die die gefährlichen Zünder der V1 berührten (kreis-ahrweiler.de).

Die einstige V1-Gefechtsstellung bei Lommersdorf wurde im Herbst 1944 als eine von vier zur 21. Batterie Wershoven gehörenden Abschussstellungen errichtet. Als Überreste sind beiderseits des heutigen Waldweges Römerstrasse noch einige Fundamente zu sehen, darunter die Bodenplatten der Abschussrampe, sowie auf der gegenüberliegenden Seite zwei andeutungsweise viereckige „Bunker“ (lommersdorf.de):
„Vermutlich handelt es sich um Wasserbecken, die zur chemischen Dampferzeugung für den Abschuss des Bolzens mit der Flugbombe auf der Schleuder dienten. Nachdem die Flügelbombe das Katapult verlassen hatte, fiel der Mitnehmerbolzen herunter und sie nahm den Kurs auf, der durch einen Fernkompass automatisch gesteuert wurde. Das Propellerzahlwerk, das sich vorne an der Spitze befand, lief so lange, bis die eingestellte Flugstrecke erreicht war und die Bombe zum Absturz gebracht werden sollte ...“
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Bodendenkmal
Die „Neuzeitliche V 1-Feuerstellung 21. Batterie Wershoven“ ist mit Eintragung vom 22. Mai 2017 Bodendenkmal der Gemeinde Blankenheim (Ahr) (Untere Denkmalbehörde Nr. 25 / LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland Nr. EU 312).

In der Begründung zum Denkmalwert wird angeführt, dass die V1-Feuerstellungen bei Blankenheim und Nettersheim neben den Bunkern der Westbefestigungen aus den Jahren 1938 bis 1940 (Teile des sogenannten „Westwalls“) „zu den wenigen in der Eifel noch erkennbaren militärgeschichtlichen Bodendenkmälern aus den Schreckensjahren des Zweiten Weltkrieges [gehören]. Diese Anlagen ... dokumentieren den sinnlosen Versuch des NS-Regimes durch propagandistisch aufgebauschte ‚Wunder'- oder ‚Vergeltungswaffen' den verlorenen Krieg zu verlängern. Die in ihrem Ausbau sehr unterschiedlichen Feuerstellungen zeigen, wie trotz vorgeschriebener bautechnischer Richtlinien die betroffenen Mannschaften eine dem Standort angepasste Anlage erbauen mussten und stellen in ihrer Erhaltung ein Unikat dar. ... Am Schutz und Erhalt der Feuerstellungen besteht aus wissenschaftlichen, insbesondere militärgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse“. (LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland)
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(Lisa Kröger und Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR / Claus Weber, Redaktion KuLaDig, 2024)

Quellen
  • Freundliche Hinweise von Herrn Dieter Dobrzinsky, 2024.
  • Gutachten des LVR-Amts für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2012.

Internet
lommersdorf.de: Lommersdorf - Eifel, Historische Treffpunkte und Sehenswürdigkeiten, V1 Stellung (abgerufen 05.11.2024)
kreis-ahrweiler.de: Der Eifelschreck - die V 1 während des Zweiten Weltkrieges im Kreis Ahrweiler (Text Wolfgang Gückelhorn, abgerufen 06.11.2024)
de.wikipedia.org: Fieseler Fi 103 (abgerufen 06.11.2024)
de.wikipedia.org: Liste der Bodendenkmäler in Blankenheim (Ahr) (abgerufen 05.11.2024)
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Literatur

Gückelhorn, Wolfgang; Paul, Detlev (2004)
V1 - "Eifelschreck". Abschüsse, Abstürze und Einschläge der fliegenden Bombe aus der Eifel und dem Rechtsrheinischen 1944/45. Aachen.

V1-Feuerstellung der 21. Batterie Wershoven bei Lommersdorf

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Römerstraße
Ort
53945 Blankenheim - Lommersdorf
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Bodendenkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde, Archäologie
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1944, Ende 1945

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„V1-Feuerstellung der 21. Batterie Wershoven bei Lommersdorf”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-355700 (Abgerufen: 2. Mai 2025)
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