Beginn
Gemeinsame Nutzung zur Franzosenzeit
Juristische Konflikte
Gestaltung
Änderung der Bestattungskultur
Umnutzung zum Park
Kulturdenkmal
Quellen, Internet, Literatur
Beginn
Auch in Mutterstadt wurden im Mittelalter die Toten direkt neben und um die Kirchen begraben. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde der Platz jedoch knapp. Der ursprüngliche Gedanke, einen Friedhof für alle Konfessionen zu errichten, scheiterte daran, dass die Katholiken gerade dabei waren, eine eigene Kirche zu bauen und ihre Toten um diese begraben wollten. Daher erwarb die protestantische Kirche am 21. Juli 1744 das Gelände „auf dem Satze“, an der heutigen Ludwigshafener Straße.
Laut einer Inschrift am Haupteingang des Friedhofes wurde im Mai 1745 mit den Arbeiten begonnen. 1748 war der Friedhof vollendet und konnte belegt werden. Auch den Lutheranern wurde gestattet, den Friedhof zu benutzen. Bodenfunde bei Ausschachtungen von Gräbern ergaben, dass an gleicher Stelle bereits ein früher Friedhof mit Reihengräbern angelegt war. Neben Gefäßen als Grabbeigaben wurden – so 1862 – auch Goldanhänger und eine Scheibe aus dünnem Blech gefunden, die in das ausgehende 7. Jahrhundert zu datieren sind. Sie sind mit Kreuzen verziert und somit ein Beweis für die frühe Bestattung von Christen in Mutterstadter Boden. Die jüdische Gemeinde von Mutterstadt hatte übrigens seit dem späten 19. Jahrhundert einen eigenen Friedhof.
Gemeinsame Nutzung zur Franzosenzeit
Während der Franzosenzeit wurde es den Katholiken verboten, ihre Toten um die Kirche zu bestatten, also „innerhalb der Gemeinde“, wie es in mehreren Urkunden heißt. Am 12. Juni 1804 wurde durch ein Dekret des Unterpräfekten des Arrondissements Speyer verfügt, dass der Friedhof außerhalb der Gemeinde, also „auf dem Satze“, auch den Katholiken zur Verfügung stehen müsse. Da das Friedhofsgelände für die nun drei Konfessionen – die Bevölkerung war zudem auf 2200 Einwohner angewachsen – bald zu klein war, stellte das Presbyterium der protestantischen Kirche bei der Gemeinde den Antrag auf Erweiterung des Friedhofes in Richtung Osten. Dafür musste die Gemeinde, die inzwischen die Trägerschaft des Friedhofes übernommen hatte, aber erst benachbartes Gelände erwerben. 1821 wurde die erste Erweiterung, die 735 Gulden kostete, durchgeführt. Schon 1839 war die nächste Erweiterung notwendig. Die Gemeinde erwarb für 2.032 Gulden den Grund und Boden. Die Auffüllung des Geländes und die Errichtung einer Umfassungsmauer aus Sandsteinen durch das Unternehmen Adam Rief kosteten nochmals 1.266 Gulden.
Juristische Konflikte
Jahrzehnte lang stritten sich die politische Gemeinde und die drei Konfessionen um die Abfindung aufgegebenen Geländes. Bei der katholischen Pfarrei ging es um das Gelände des ehemaligen Friedhofs um die Kirche, bei den Reformierten um ihr früheres Friedhofsgelände. Erst 1856 kam es zu einem notariell abgesicherten Vergleich zwischen der politischen Gemeinde und der katholischen Kirche. Das Königlich bayerische Landkommissariat hatte in einem Schreiben an den Bürgermeister vom 5. März 1856 die Forderung der Katholiken als berechtigt bezeichnet und einen Vergleich vorgeschlagen, der sich fast wörtlich in der notariellen Akte wiederfindet. Der Fabrikrath verzichtete auf das Eigentumsrecht an dem ehemaligen Friedhofsgelände und der 1843 errichteten Umfassungsmauer. Die Gemeinde verpflichtete sich, die Kosten für die Mauer zu erstatten und diese „zum Schutz der Kirche“ zu unterhalten. Das Gelände durfte von der Kirche zu religiösen Veranstaltungen benutzt werden. Auch die Protestanten und Lutheraner verhandelten mit der Gemeinde lange um einen Ausgleich für eingebrachtes Gelände. Sie verlangten seit 1818 immer wieder für den ersten Teil des Friedhofes, den die Reformierten gekauft hatten und der ja nun ein allgemeiner Friedhof war, eine Entschädigung. Erst im Juli 1863 wurde der Streit beigelegt. Bis 1864 verblieb der Friedhof im Besitz der protestantischen Kirchengemeinde, dann übernahm ihn die politische Gemeinde. Für den ältesten Teil des Friedhofes zahlte die Gemeinde der protestantischen Kirche eine Ausgleichssumme von 123 Gulden 26 Kreuzer.
Gestaltung
1842 ließ die Gemeinde durch den Speyerer Steinbildhauer Johannes Frech für 50 Gulden und 50 Kreuzer das große Kreuz errichten und 1862 die beiden Eingänge mit schmiedeeisernen Toren schließen. 1882 wurde das Kriegerdenkmal „Zur Erinnerung an den siegreichen Feldzug 1870 - 1871“ und 1922 das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs errichtet. Die letzte Erweiterung erfolgte 1879 und schob den Friedhof bis an die Friedensstraße heran. Die Kosten beliefen sich – nun in der neuen Reichswährung von 1871 – auf 3.000 Mark. Für die Umfassungsmauer, die Torpfeiler und das Tor mussten 1881 nochmals 4.090 Mark aufgebracht werden. Schließlich umfasste der – heute Alter Friedhof genannte – Gottesacker rund 10.000 m². Die letzte bauliche Veränderung auf dem Friedhof erfolgte 1952. In diesem Jahr wurde an der Nordmauer die Firma Wilhelm Diefenbach und Sohn mit der Errichtung einer kleinen Leichenhalle für den Angebotspreis von 2.199,05 DM beauftragt. Den Plan hatte Architekt R. Steinkönig im September erstellt.
Änderung der Bestattungskultur
Bis 1962 wurden die Verstorbenen zu Hause aufgebahrt. Von dort wurden die Särge mit dem Leichenwagen, der 1878 von der Gemeinde angeschafft worden war und von zwei Rappen gezogen wurde, zum Friedhof gebracht, gefolgt vom Trauerzug. Der Leichenwagen war in einer kleinen Halle untergebracht, die neben der katholischen Kirche errichtet war. Als man an dieser Stelle später den heutigen Kirchturm erbaute, wurde das Leichengefährt gegenüber in der Garage des einstigen katholischen Schulhauses untergestellt. Von 1927 bis 1946 führte Rudolf Schott Senior den Leichenwagen. 1946 übernahm sein Sohn gleichen Namens diese Aufgabe bis 1962.
1955 hatten die Planungen für einen neuen Friedhof begonnen. Er sollte sich an den jüdischen Friedhof anschließen, der 1889 errichtet worden war. Die Eröffnung fand am Volkstrauertag, dem 18. November 1968 statt. Der alte Friedhof wurde laut Gemeinderatsbeschluss vom 26. November 1968 für neue Gräber geschlossen, weil ab dann der neue Friedhof und die neue Leichenhalle zur Verfügung standen. Nur Zulegungen in noch offene Familiengräber waren und sind noch gestattet.
Umnutzung zum Park
Heute ist der alte Friedhof zu einer Parklandschaft geworden. Hierbei spielte die Ortsgruppe des Historischen Vereins Mutterstadt eine große Rolle, die sich schon lange für die Erhaltung und Pflege von Gräbern und Denkmälern einsetzt. Ein KuLaDig-Rundgang ist geplant. Veranstaltungen wie Führungen und Lesungen fanden bereits statt. Zwischen Rosskastanien und Buchen stehen noch einige Gräber, die erhaltenswert sind, entweder weil sie künstlerisch gestaltet oder die Toten von historischer Bedeutung sind. So findet man die Grabmäler der katholischen Pfarrer Joseph Schandein, gestorben 1850, Lorenz Trapp, 1868 beerdigt, Karl Albert Dietrich, der 1923 in Mutterstadt verstarb und hier beerdigt wurde, und von Pfarrer Alfons Schäfer, gestorben 1937, ein einfacher Steinblock des 1878 gestorbenen protestantischen Pfarrers Georg Ludwig Ney. Einen festen Platz haben auch das Grab des Lehrers und Heimatforschers sowie Initiators des Landwirtschaftlichen Consumvereins und der Spar- und Darlehenskasse Mutterstadt (spätere Raiffeisen- und Volksbank) Heinrich Lützel, gestorben 1935, der Gedenkstein für die elf Mutterstadter Opfer der Explosionskatastrophe in der BASF vom 21. November 1921, der Grabstein von Jakob Weber, dem ersten hauptamtlichen Bürgermeister von Mutterstadt (1920-1933), ein Grabstein der Familie Massot, auf dem der gleichzeitige Tod von fünf Familienmitgliedern bei dem Luftangriff vom 1.2.1945 verzeichnet ist sowie Kreuze und Grabsteine für Gefallene. Erinnerungswert hat auch der Grabstein des Johannes Müller an der Mauer Richtung Friedhofstraße. Denn der ehemalige „Sonnenwirt“ wurde 1908 als erster auf dem Friedhof in einem Urnengrab, damals noch Aschengrab genannt, bestattet.
Kulturdenkmal
Der alte Friedhof von Mutterstadt wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Rhein-Pfalz-Kreis geführt (Stand 2024). Der Eintrag lautet:
„Friedhofstraße Alter Friedhof, nach 1964 parkähnliche Umgestaltung; Kriegerdenkmal 1870/71: Tempietto, 1882 von J. Brunner, Neustadt; Kriegerdenkmal 1914/18: skulptiert und reliefiert, 1922; Grabdenkmäler: K. Kämmerer (†1826), Obelisk; J. A. Cron (†1891): antikisierender reliefierter Sarkophag; A. J. Wolf (†1834), Sandstein-Grabkiste; F. Bruckner (†1838), Altarblock; L. Traßß (†1868), Obelisk mit Marmorbüste; A. M. Massot (†1869?): Skulptur der Fama“.
(Michael Hemmberger, Historischer Verein der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt, 2024)
Quelle
Gemeindearchiv Mutterstadt, Akten VI b 420-422.
Internet
www.mrn-news.de: Mutterstadt – Alte Inschrift in neuem Gewand. Artikel vom 21.05.2021 (abgerufen 24.09.2024)