Die kraftvollen Schwingen der Tiere berühren sich an den Enden und verbinden so die Körper zu einem geschwungenen Bogen von fast sechs Metern Länge. Beeindruckend ist die Ausgewogenheit der statisch anspruchsvollen Konstruktion. Je nach Blickwinkel formen die Bewegungen des Flügelschlags die Linie zu einem rhythmischen Wellenmuster. Schnäbel, Hälse und Beine bilden fortgesetzte Linien, die wie Richtungspfeile nach oben weisen.
Trotz seiner Beschädigung (der Hals des ersten Kranichs ist abgebrochen) betört das Werk auch heute noch durch seinen Ausdruck von Freiheit und Leichtigkeit, von unbelastetem Aufbruch. Das grüne Umfeld, der Weiher und die alte Ringwallanlage bringen die Wirkung der patinierten Bronzefigur noch stärker hervor.
Erich Fritz Reuter reflektiert mit seinem Werk auch die Aufbruchstimmung der Zeit des sogenannten Wirtschaftwunders. Ein weiteres Exemplar der Plastik steht in Berlin-Tempelhof in der Gontermannstraße. In Hilden stetzte sich Hans Peter Feddersen 1964 ebenfalls mit dem Kranich als Motiv auseinander.
Erich Fritz Reuter (1911-1997) gehörte zu den bedeutendsten Bildhauern der deutschen Nachkriegszeit. Er studierte von 1926 bis 1934 an der Kunstgewerbeschule in Berlin-Charlottenburg. 1935 führte er sein Studium an der Berliner Hochschule für Bildende Künste fort, ab 1941 als Meisterschüler. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt er 1946 eine Professur an der Kunstgewerbeschule in Berlin-Charlottenburg.
1950 heiratete er Bärbel Reuter, mit der er später eine Reihe von Mosaikarbeiten gestaltete (unter anderem für den Fußboden im Foyer der Berliner Philharmonie und für das Foyer des Senders Freies Berlin). Ab 1952 lehrte er als Professor für Plastik an der Technischen Universität Berlin. Von 1966 bis 1968 war er Gastprofessor an der Technischen Universität Istanbul. Dort entstand sein Bronzerelief-Zyklus „Landschaften Anatoliens“. Sein Werk umfasst Reliefs, Mosaike, Porträtbüsten bis hin zu Skulpturen und Plastiken.
Stilistisch blieb Reuter in seinen Plastiken zunächst lange dem Gegenständlich-Figürlichen verhaftet, wobei Einflüsse des Expressionismus bemerkbar sind. Zu seinen Vorbildern zählten Ernst Barlach und Wilhelm Lehmbruck. Später gewinnt die Abstraktion eine immer größere Bedeutung in seinem Arbeiten. Seine Skulpturen werden bestimmt von einem elementaren Raumbewusstsein und dem Prinzip der Ausgewogenheit.
Erich Fritz Reuter gewann zahlreiche Wettbewerbe und erhielt renommierte Auszeichnungen. Bei einem Wettbewerb für das Modell eines Denkmals für die Opfer der Berliner Luftbrücke erhielt er 1949 den ersten Preis, allerdings wurde der Entwurf nicht umgesetzt. Große Erfolge erzielte seine Arbeit auch international. Seine Bronzeplastik „Denkmal für den unbekannten politischen Gefangenen“ wurde 1953 in der Londoner Tate Gallery ausgestellt. Das 13 Meter lange Bronzerelief „Gegensätzliche Strukturen“ wurde 1966 als repräsentativ für die moderne deutsche Bildhauerei bei der Weltausstellung in Montreal gezeigt. Zahlreiche seiner Werke sind heute im öffentlichen Raum zu sehen.
(Barbara A. Lenartowicz-Senguel und Rainer Hotz, im Auftrag des Kulturamts der Stadt Hilden, 2024)
Internet
geoportal.hilden.de: Bildung, Freizeit & Kultur, Kunst im öffentlichen Raum, Prof. Erich Fritz Reuter: Auffliegende Kraniche (Bronze, 1964) (PDF-Datei, 203 kB, abgerufen 17.09.2024)
de.wikipedia.org: Erich Fritz Reuter (abgerufen 17.09.2024)
www.erich-fritz-reuter.de: Werkverzeichnis, Fliegende Kraniche (Nr. 79) (abgerufen 17.09.2024)