Geologischer Überblick
Seit der kaledonischen Gebirgsbildung an der Grenze Ordovizium/Silur vor etwa 443 Millionen Jahren bestand im nördlichen Europa ein ausgedehntes Festland, das nach seinen roten Verwitterungsmassen Old-Red-Kontinent genannt wird. Diesem stand im Süden ein weiterer großer Superkontinent des Erdaltertums gegenüber, der alle Landmassen der heutigen Südhalbkugel in sich vereinte – Gondwana. Während des Devons (ca. 419–360 Millionen Jahre) senkte sich südlich des Old-Red-Kontinents als lang gestrecktes Meeresgebiet das Rhenoherzynische Becken ein. Es war ein Randbecken des sehr viel größeren Rheischer Ozeans, der zwischen dem Old-Red-Kontinent im Norden und Gondwana im Süden lag.
Im Laufe des Devons wurde der Old-Red-Kontinent durch Erosionsprozesse wieder abgetragen. Der dabei anfallende Verwitterungsschutt wurde durch Flüsse abtransportiert und in Form großer Deltagebiete in das Rhenoherzynische Becken geschüttet und füllte dieses weitestgehend wieder auf. So entstanden die stellenweise mehrere 1000 Meter mächtigen Sand-, Silt- und Tonsteine, aus denen das Unterdevon (ca. 419–394 Millionen Jahre) des Rheinische Schiefergebirges zum Großteil besteht, so auch in der Eifel. Mit zunehmender Aridität und einer sich stetig nach Nordwesten verlagernden Küstenlinie stellten sich zu Beginn des Mitteldevons (vor 419 Millionen Jahren, dem sogenannten Eifelium) maßgebliche ökologische Veränderungen ein, die sich heute in den Kalksteinen der Eifeler Kalkmulden studieren lassen. Durch das Ausbleiben von siliziklastischen Schüttungen konnten sich am Boden eines flachen, kristallklaren, (sub)tropischen Meeres ausgedehnte Riff-Plattformen etablieren. Zu ihren Architekten zählen insbesondere Stromatoporen (eine Gruppe ausgestorbener, kalkabscheidender Schwämme) sowie tabulate und rugose Korallen. Nordrhein-Westfalen lag zu dieser Zeit noch südlich des Äquators und die Eifel kann durchaus mit der heutigen Südsee verglichen werden.
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Stillgelegter Steinbruch PaulsgrabenDer ehemalige Kalksteinbruch liegt rund einen Kilometer südwestlich von Nettersheim-Pesch am Südostrand der Sötenicher Kalkmulde. Sein dick gebankter, steil nach Südosten einfallender Kalkstein bildete sich im Vorriffbereich und ist ausgesprochen reich an Fossilien. Hier sammelte sich das Material, das durch Wellenbewegung und Stürme aus dem eigentlichen Riffkörper herausgebrochen wurde. Viele Organismen liegen daher in einem gebrochenen Erhaltungszustand vor, nur wenige erscheinen in Lebendstellung. Bei den Fossilien handelt es sich neben den bereits erwähnten Stromatoporen und Korallen häufig um die gebrochenen Reste von Seelilien. Letztere gehören zu den sogenannten Stachelhäutern und sind mit den Seeigeln, -sternen und -gurken verwandt. Während Seelilien heute vor allem für tiefere Meeresbecken kennzeichnend sind, besiedelten sie im Erdaltertum den flach marinen Bereich und bildeten dort regelrechte Wälder. Im Vorriff finden sich auch weitere Tiere, die für das Mitteldevon der Eifel charakteristisch sind, z. B. Brachiopoden. Diese Armfüßer ähneln äußerlich den Muscheln, besitzen jedoch einerseits eine abweichende Schalensymmetrie und andererseits einen unterschiedlich aufgebauten Weichkörper. Aus dem Steinbruch Paulsgraben wurden vor allem die Brachiopoden Desquamatia triangulata und Gypidula montana beschrieben. Der generelle Erhaltungszustand der hier zu findenden Fossilien ist allerdings nur mäßig gut.
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AlterseinstufungAnhand des Fossilberichts datieren die aufgeschlossenen Kalksteinbänke im Steinbruch Paulsgraben in die Ahrdorf-Formation des Mitteldevons. Neben den Brachiopoden-Arten Desquamatia triangulata und Gypidula montana erlauben auch einige Korallen-Arten eine gesicherte biostratigraphische Einstufung.
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VerwitterungDie verkippten und in südöstliche Richtung einfallenden Gesteinsbänke lassen sich anhand ihrer Korngröße in Kalksteine, Kalkmergel und Kalksande differenzieren. Je nach Anteil organischer und metallischer Rückstände erscheinen die Bänke gelblich, rötlich oder grünlich.
Bedingt durch die starke Zerklüftung des Gesteins ist die Felswand morphologisch widerstandsfähig. Niederschlagswasser kann durch die Klüfte abfließen und verursacht an der Oberfläche kaum physikalische Verwitterung (Erosion).
Der Abbau pflanzlicher und tierischer Reste führt zur Bildung einer dünnen Bodenschicht, die mit organischen Säuren und Nährstoffen angereichert ist, was die Etablierung einer Pflanzendecke ermöglicht. Mit fortschreitender chemischer Verwitterung bildet sich ein Boden über dem Gestein. Das Niederschlagswasser wird im Boden mit organischen Säuren angereichert, die bei der Perkolation durch das Gestein Stoffe wie Calcium oder Eisen lösen. Wenn das Wasser, angereichert mit diesen gelösten Stoffen, in Risse im Gestein eindringt, ändern sich unter bestimmten Bedingungen wie Temperaturabfall oder Verdunstung die Löslichkeit dieser Stoffe. Dadurch kristallisieren sie und lagern sich an den Kluftwänden ab. Häufige Ausfällungen sind Kalziumkarbonat und Eisenverbindungen, die die Klüfte teilweise oder vollständig füllen. Beim Austreten der Lösungen an der Felswandfront entstehen Versinterungen und Residualfahnen.
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(LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2024)Hinweise
Der Steinbruch liegt im Naturschutzgebiet Teilbereich der Kalkgruppen-Landschaft Eschweiler Tal und angrenzende Waldflächen und im bedeutsamen Kulturlandschaftsbereich Nordeifel (KLB 28.01) der Landesplanung.
Der Steinbruch war Station der Archäologietour Nordeifel 2024.