Eine der wichtigsten Zulieferer-Industrien der Pirmasenser Schuhfabriken war die der Leder herstellenden Gerbereien der Stadt. Die Gerberei Gebrüder Fahr im Strecktal in Pirmasens zählte stets zu den innovativsten Gerbereien der Stadt.
Gründung unter Ernst Georg Fahr Ernst Georg Fahr war ein Pirmasenser Landwirt, der Gerberei nebenbei betrieb. Pirmasens hatte sich im frühen 19. Jahrhundert zu einem bedeutenden Standort der Schuhproduktion entwickelt und so gab es großen Bedarf an Lederwaren. Fahr pflanzte im Umland der Stadt einen Eichenwald, den sogenannten Fahrschen Wald. Die Rinde der gefällten Bäume dieses Eichenschälwaldes wurde zum Gerben benutzt. Der Fahrsche Wald hatte eine Größe von ungefähr 100 Morgen, was einer Fläche von 250.000 Quadratmetern entspricht. Im Jahre 1835 wurde er nochmal erweitert. Die Eichenrinde wurde in lokalen Mühlen kleingehäckselt und in Wasser eingeweicht, bis der Gerbstoff ausgelaugt war.
Georg Fahr lässt den Betrieb expandieren 1853 starb Ernst Georg Fahr und seine beiden Söhne Georg und Ernst Fahr übernahmen den Betrieb. Die Firma hieß nun „Gebrüder Fahr“. Besonders Georg zeichnete sich durch sein unternehmerisches Geschick und seine Weitsicht aus, so dass der Betrieb expandierte. Längst waren die Brüder Fahr keine Landwirte mehr, sie waren hauptberuflich als Gerber tätig. Dass der Betrieb zunehmend auch international agierte, zeigt sich daran, dass Georg Fahr auf der Weltausstellung 1855 in Paris im großen Stil südamerikanisches Quebracho-Holz kaufte, da dieses einen Gerbstoffgehalt von 25 Prozent besitzt gegenüber dem heimischen Eichenholz mit nur 10 Prozent Gerbstoffgehalt. Georg Fahr unterhielt auch Geschäftsbeziehungen zu Handelspartnern an den Importzentren Le Havre, London und Antwerpen, was sonst nur große Gerbereien in Süddeutschland geschafft hatten. Neben heimischen Häuten wurden auch Häute und Felle aus Java und Kalkutta im Betrieb gegerbt. In den 1860er Jahren wurden dabei mehr als die Hälfte der Häute von der Firma Fahr gegerbt.
Dampfkraft steigert die Produktion 1874 rüstete die Gerberei Gebrüder Fahr als eine der ersten Gerbereien der Stadt auf Dampfkraft um. Mittels Dampfkraft konnten nun große Gerbfässer aufgestellt und mit Motorkraft betrieben werden. Diese großen Fässer hatten eine Breite von drei Metern und einen Durchmesser von zweieinhalb Metern. Diese neuen Kapazitäten und die durch die Dampfkraft ermöglichten neuen Verfahren beschleunigten den Gerbprozess. Darüber hinaus wurden mittels Dampfkraft Lederwalzen und Lederhämmer für die Bodenlederproduktion betrieben.
Auch in Hinblick auf die Holzverarbeitung war die Firma Impulsgeber. Da nämlich das von Georg Fahr eingeführte Quebracho-Holz sehr hart war und mit herkömmlichen Raspel-Methoden nicht bearbeitet werden konnte, wurde in der Firma Fahr eine Zerkleinerungsmaschine entwickelt und zum Patent angemeldet.
Umsichtige Geschäftsleitung hat Auswirkungen auf Pirmasens Georg Fahrs Geschäftsbeziehungen und das Vertrauen, dass er bei Kreditgebern und Partnern besaß, beflügelte den Betrieb und hatte überdies auch einen sehr positiven Effekt auf die gesamte Schuhindustrie in Pirmasens, da die internationalen Partner nun auch in andere heimische Produktionszweige und Betriebe investierten. So ist es kein Wunder, dass Georg Fahr in Pirmasens zeitweise das Amt eines zweiten Adjunkts, man würde es heute stellvertretender Bürgermeister nennen, bekleidete und in der Kirchengemeinde als Presbyter mitwirkte. Im Jahre 1896 starb Georg Fahr im Alter von 60 Jahren.
Überleben in schwere Zeiten und Niedergang im 20. Jahrhundert Die Wirtschaftskrise der Schuhindustrie des Jahres 1891 traf 1898 auch die Lederproduzenten und somit die Gerbereien. Beide Krisen waren durch eine Verknappung des Geldes hervorgerufen worden und führten zu 150 Konkursen in Pirmasens. Von den vierzehn Gerbereien, die 1891 in Pirmasens produzierten, musste der Großteil schließen. Im Jahr 1912 gab es nur noch die beiden Gerbereien Fritz König in der Schäfergasse und Gebrüder Fahr im Strecktal. Die nahe von Pirmasens im Dankelsbachtal gelegene Gerberei Leinenweber wurde 1922 von Gebrüder Fahr übernommen, was auf eine gesunde Wirtschaftslage der Gebrüder Fahr hinweist. Die meisten Gerbereien wurden durch die Industrialisierung abgehängt, da auch Kredite immer schwerer zu beschaffen waren. Zum Ende des Ersten Weltkrieges (1914-1918) war nur noch die Firma Gebrüder Fahr geblieben. Diese aber befand sich nicht mehr im Familienbesitz. Um neues Kapital zu bekommen war sie im Jahre 1904 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Innovativ aber war die Firma geblieben: Neben der Ledergerbung war Fahr seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch in der modernen Chromgerbung tätig. Als letzte Gerberei, die rohe Haut zu Leder verarbeitete, schloss die Firma Gebrüder Fahr im Jahre 1971 ihre Produktion und beendete damit die traditionelle Lederherstellung in Pirmasens.
(Florian Weber, Universität Koblenz, 2024)
Quelle Die Pirmasenser Gerber und das Gerben von Leder. Schriftliche Ausführungen eines Vortrags von Werner Schmidt, o.J.
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Empfohlene Zitierweise
Florian Weber: „Gerberei Gebrüder Fahr im Strecktal in Pirmasens”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-352152 (Abgerufen: 3. Dezember 2024)
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