Heidenlöcher bei Deidesheim

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Archäologie, Landeskunde
Gemeinde(n): Deidesheim
Kreis(e): Bad Dürkheim
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 24′ 54,76″ N: 8° 09′ 56,27″ O 49,41521°N: 8,16563°O
Koordinate UTM 32.439.481,34 m: 5.473.949,08 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.439.532,52 m: 5.475.699,61 m
  • Grundriss der Heidenlöcher bei Deidesheim (1989)

    Grundriss der Heidenlöcher bei Deidesheim (1989)

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    Jürgen Keddigkeit
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  • Ausgrabung der Heidenlöcher (1908)

    Ausgrabung der Heidenlöcher (1908)

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  • Grundriss der Heidenlöcher (1827)

    Grundriss der Heidenlöcher (1827)

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    Ludwig Schandein
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Allgemeine Informationen
Frei zugängliche Ringwallanlage (Fliehburg) westlich von Deidesheim. Die ovale Burgstelle befindet sich östlich der Gipfelkuppe des Kirchberges. Ein konkreter, historisch belegter Name ist nicht bekannt. Ludwig Schandein (Pfälzer Historiker und Mundartdichter) bezeichnete die Burgstelle 1827 als „Heidenlöcher“.

Geschichte
Die bisherige Annahme, die Ringwallanlage „Heidenlöcher“ sei im Zusammenhang mit der Gefährdung durch Ungarn und Normannen am Ende der Karolingerzeit errichtet worden, hat sich bezüglich der Zeitstellung als falsch erwiesen,
Neueste Forschungen von Wolfgang Metz (1985) und Franz Staab (1995) belegen, dass die Fronfahrten (jeweils zwei Quadersteine und Sand mit dem Wagen nach Deidesheim zu transportieren), welche die Bewohner des untergegangenen Dorfes Littersheim (heute Nonnenhof bei Bobenheim) zu leisten hatten und die dem Bau (Ausbau?) bzw. Bauunterhalt der „Heidenlöcher“ bei Deidesheim zuzuordnen sind, wohl eher von Bischof Burkhard I., der sowohl in Littersheim als auch in Deidesheim begütert war, zwischen 1000 und 1025, vielleicht aber auch erst um 1168 angeordnet wurden.
Letztlich sind die Heidenlöcher, deren Errichtung die Kräfte der Deidesheimer allein sicherlich weit überfordert hätte, als Gemeinschaftswerk Wormser Hintersassen im weiteren Umfeld Deidesheims bzw. auch weit entfernterer Orte wie Littersheim anzusehen. Etwa 250 Menschen konnten im Bering der „Heidenlöcher“ mit seinen mehr als 65 nachgewiesenen größeren und kleineren Häusern Zuflucht finden. Schon früh aufgelassen diente, die Fliehburg später unter anderem als willkommener Steinbruch beim Bau einer nahegelegenen Kapelle.

Baubeschreibung
Einer ersten Beschreibung der Heidenlöcher durch Ludwig Schandein im Jahre 1827 folgten 1907 und 1939 zwei Ausgrabungen. Demnach umschließt eine 450 Meter lange und ca. drei Meter starke Wallanlage zusammen mit einer künstlich angelegten Vorbefestigung oval einen Teil des östlichen Kirchbergs. Das vorgelagerte Abstandshindernis ist an der westlichen Hauptangriffsseite im Westen besonders stark ausgebaut. Es bestand im Wesentlichen aus einem heute weitestgehend verschütteten und etwa fünf Meter breiten, jedoch nicht sonderlich tiefen Sohlgraben. Der Aushub wurde an den Grabenböschungen angeschüttet und die Innenkanten im Südwesten und Norden durch mehrere Steinschichten fast einen Meter hoch verstärkt. Karlwerner Kaiser hält darüber hinaus eine starke Palisadenwand entlang des Grabens für denkbar.
Der eigentliche Wall, ursprünglich zwei geschichtete Trockenmauerschalen mit einem Füllkern aus Bruchsteinen und Bauschutt, war im Regelfall mehr als drei Meter breit. Die äußere Mauer besitzt eine Höhe von 1,3 bis 2,0 Metern. Diese Umwehrung errichtete man über einem weitmaschigen Holzrost. Ein Holzgerüst im Innern stabilisierte die Mauer.
Der Oberbau, letztlich der Wehrgang, trug als Brustwehr eine Wand aus pfostenverankertem Stein- und Holzwerk. Die ursprüngliche Gesamthöhe der äußeren Mauer dürfte, so Karlwerner Kaiser, nicht über drei Meter betragen haben.

Hinter der Außenmauer, meist aus größeren, roh zugeschlagenen Bruchsteinen und Sandsteinfindlingen aufgesetzt, befinden sich die Reste der niedrigeren zweiten (inneren) Mauerschale. Sie ist aus kleineren Bruchsteinen errichtet und diente als Auflager für den umlaufenden Wehrgang. Die Höhe der inneren Trockenmauer schwankt zwischen 0,70 und 1,10 Metern, die Stärke zwischen 1,30 und 1,60 Metern, ursprünglich ist eine Höhe von 1 bis 1,50 Metern anzunehmen. Zwei, etwa 2,50 Meter breite Steinrampen an der Innenseite der West- bzw. der Ostmauer dienten als Aufgang zum Lauf- und Wehrgang der Ringmauer, die entsprechend der größeren Gefährdung an der Westseite am stärksten war.
Den Zugang zum Innenbereich gewährten zwei unterschiedlich große Tore. Der Hauptzugang befindet sich an der Nordseite. Nach Überschreiten des Grabens mittels einer 2,50 Meter breiten Erdbrücke, die offensichtlich seitlich mit Bruchsteinen versehen war, erreicht man das Tor. Dieses erhob sich im Zwischenraum der von Osten bzw. der von Westen herangeführten, seitlich versetzten Nordmauerteile. Neben dem „Übergreiftor“ im Norden ist noch ein zweiter Eingang im Süden zu erwähnen. Er dürfte vor allem dem direkten Zugang aus dem südlichen Tal gedient haben.
Die Reste von 65 in Trockenmauerwerk aufgeführten Steinhäusern legten Mitte der Dreißiger Jahre Archäologen im Innenbereich (143 x 107 Meter) frei. Die größte Häuserdichte wurde im Süden und Südwesten nachgewiesen. Fundamentreste und das nachgewiesene, bis zu zwei Meter hoch erhaltene Mauerwerk weisen weitgehend unbearbeitete Bruchsteine auf, doch konnten auch hammergerecht bearbeitete Quader nachgewiesen werden. Das größte der untersuchten Häuser, das eine Grundfläche von 80 Quadratmeter aufweist, deutete Kaiser als „Gemeinschaftshaus“.
Die vorhandenen Mauern dienten wohl im Regelfall als Sockel von meist einräumigen Blockhäusern mit Wohnfunktion. Darauf verweist vor allem eine bereits 1907 nachgewiesene Ofenanlage, die an eines der Häuser angebaut war. Ein größeres, ummauertes Becken wird als Zisterne angesehen.
Die Fundleere spricht gegen eine dauerhafte Besiedlung. Karlwerner Kaiser geht wohl zu Recht davon aus, dass die Anlage nur in Notzeiten genutzt wurde oder ungenutzt blieb und „vielleicht schon beim Bau aufgegeben wurde“.

(Jürgen Keddigkeit, Kaiserslautern, 2023)

Internet
Wikipedia: Ludwig Schandein

Literatur

Kaiser, Karlwerner (1951)
Die Heidenlöcher bei Deidesheim eine frühmittelalterliche befestigte Bergsiedlung. In: Pfälzer Heimat 2, S. 10-14. o. O.
Keddigkeit, Jürgen; Übel, Rolf / Thon, A. (Hrsg.) (2002)
Pfälzisches Burgenlexikon. Band 2. F-H. S. 318-323, Kaiserslautern.
Metz, Wolfgang (1985)
Quellenstudien zum Servitium Regis (900-1250), Tl. 3. In: Archiv für Diplomatik 31, S. 290-296. o. O.
Pfälzische Kreisgesellschaft des bayerischen Architecten- und Ingenieur-Vereins (1884)
Die Baudenkmale in der Pfalz. Band 1. S. 154, Ludwigshafen am Rhein.
Schäfer, Alfons (1965)
Mauerbaupflicht fränkischer Königsleute zu Ladenburg und an der karolingischen Ringwallanlage "Heidenlöcher" bei Deidesheim. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 113, S. 429-435. o. O.
Schandein, Ludwig (1827)
Beschreibung der auf dem Martenberge in der Gemarkung von Deidesheim gelegenen sogenannten Heidenlöcher. In: Intelligenz-Blatt des Königlich Baierischen Rheinkreises 10, S. 376. o. O.
Sprater, Friedrich (1910)
Führer durch die Heidenlöcher bei Deidesheim. Eine vorgeschichtliche Stadtanlage (1. Jahrh. v. Chr.) auf dem Gipfel des Kirchberges bei Diedesheim. Speyer.
Sprater, Friedrich; Hildebrand, Sprater (1908)
Die Heidenlöcher auf dem Kirchberg bei Deidesheim. Bericht über die Ausgrabungen des Herbstes 1907. In: Pfälzisches Museum 25, S. 49-52. o. O.
Staab, Franz / Andermann, Kurt; Schnabel, Berthold (Hrsg.) (1995)
Spuren der Römer, austrasisches Adelserbe, kirchlicher Fernbesitz und Konzentration in Speyerer Hand. Deidesheim von der Römerzeit bis ins 13. Jahrhundert. In: Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Stadt im Wandel, S. 51-80. Sigmaringen.
(1995)
Kreis Bad Dürkheim. Stadt Bad Dürkheim, Gemeinde Haßloch, Verbandsgemeinden Deidesheim, Lambrecht, Wachenheim. Band 1. S. 188f, Worms.

Heidenlöcher bei Deidesheim

Schlagwörter
Ort
67146 Deidesheim
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Geschütztes Kulturdenkmal gem. § 8 DSchG Rheinland-Pfalz
Fachsicht(en)
Archäologie, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Vor Ort Dokumentation

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Jürgen Keddigkeit: „Heidenlöcher bei Deidesheim”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-351879 (Abgerufen: 3. Mai 2024)
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