Objektbeschreibung
Das dreigeschossige Gebäude mit steilem, zweigeschossigem Dach ist an der Straßen- und Rückfront ab dem ersten Obergeschoss in Fachwerk ausgeführt. Zu den Nachbarhäusern hin stehen zwei hohe, 90 cm dicke Seitenmauern. In der rechten Hälfte der Fassade springt ein mehreckiger, zweigeschossiger Erker mit einem an die Dachzone angelehnten Dach hervor. Das gesamte Gebäude erstreckt sich zwischen Moselfront und Oberstraße mit einer Tiefe von fast 18 Metern, bei einer Breite von nur 9 Metern und einer Höhe von 14 Metern. Das Fachwerk hat eng stehende Ständer und hohe Eckstreben. Die Brüstungen sind durchgehend mit Rautenmustern und geschweiften Krummhölzern geschmückt. Das Dach besitzt mehrere Gauben mit hohen spitzen Dächern. Das so einheitlich wirkende Gebäude besteht aus zwei kurz hintereinander errichteten Bauten. Ursprünglich wurde nur ein Gebäude an der Dorfstraße errichtet, das dann, noch im 16. Jahrhundert, durch einen ganz ähnlich aufgebauten Anbau Richtung Moselufer erweitert wurde.
Geschichte und Funktion
Trotz der in Mittelalter und Früher Neuzeit bestehenden Herrschaftsstrukturen konnten die Gemeinden damals frühe Formen einer kommunalen Selbstverwaltung praktizieren. Alle männlichen, aus alt eingesessenen Familien stammenden Haushaltsvorstände bildeten die Dorfversammlung und wählten ihren Bürgermeister und andere Funktionsträger. Sie wurden von den Amtmännern der Trierer Kurfürsten und den am Ort ansässigen Vögten respektiert. Doch ein Rathaus hatte damals noch viel mehr Funktionen, als „nur“ die Dorfversammlung aufzunehmen und dem Bürgermeister eine Stube zur Verfügung zu stellen. Die Häuser dienten ähnlich wie die heutigen Dorfgemeinschaftshäuser als Festhäuser, in denen die Bürger zu Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen einladen konnten. Es gab gemeinsame „Dorfgelage“. Darüber hinaus hatten die Rathäuser auch wirtschaftliche Funktionen. Im Moselkerner Rathaus lagen im Erdgeschoss zwei Verkaufshallen - eine hinter dem Eingang von der Oberstraße her, die andere im hinteren Anbau. Diese war sogar von der Moselfront her ursprünglich mit einem Wagen zu befahren. Hier wurden die Maße und Gewichte aufbewahrt und Verkaufsverhandlungen geführt, etwa wenn Weinhändler ins Dorf kamen. Auch die jährlichen Versteigerungen, wie die der Nüsse, fanden im Rathaus statt.
Neben dem Eingang ist ein eiserner Ring in die Mauer eingelassen, der allgemein als Pranger gedeutet wird. Mit entehrenden Strafen wie dem „an den Pranger stellen“ wurden straffällig gewordene Menschen dem Spott preisgegeben. Das Rathaus wurde im 18. Jahrhundert, als die Pfarrkirche neu gebaut wurde, auch als Behelfskirche genutzt. Als die Franzosen 1794 die Herrschaft an der Mosel übernahmen, schafften sie die alte kommunale Selbstverwaltung per Federstrich ab. Als Rathaus wurde es nun nicht mehr benutzt und geriet mehr und mehr in Verfall. Es diente noch als Schulgebäude, bis in den 1840er Jahren unter preußischer Verwaltung ein neues Schulhaus an der Moselstraße gebaut wurde. Das Rathaus war dann nur noch Obdachlosenunterkunft, bis ein soziales Projekt ihm neues Leben einhauchte. Die Kirchengemeinde kaufte das Haus 1907 von der Zivilgemeinde, um eine Niederlassung von Schwestern einzurichten: die Dienerinnen vom heiligsten Herzen Jesu aus dem Mutterhaus in Wien lebten hier und betrieben einen Kindergarten, eine Nähschule und widmeten sich der ambulanten Krankenpflege. Zwischen 1904 und 1907 wurde das verfallende Gebäude durchgreifend renoviert und als „Klösterchen“ eingerichtet. Die Schwestern lebten und arbeiteten in Moselkern bis 1969 und viele Moselkerner Bürgerinnen und Bürgern können sich noch an ihre Kindergartenzeit bei ihnen erinnern. Von 1969 bis 1997 war das Haus im Besitz von Dr. Ulrich Müller-Frank (1917-1996), 1956 bis 1975 Bürgermeister der Stadt Bensberg in Nordrhein-Westfalen. Nach seinem Tod erwarb die Ortsgemeinde Moselkern das Haus von den Erben und ließ die Tradition wieder aufleben, indem sie es wieder als Rathaus nutzt. Im Haus kann auch wieder gefeiert werden - es ist für standesamtliche Trauungen, private Feiern und Veranstaltungen zu mieten.
Kulturdenkmal
Das Rathaus wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Landkreis Cochem-Zell (Stand 2023) geführt. Der Eintrag lautet:
„Oberstraße 47, ehem. Rathaus, dreigeschossiges Fachwerkhaus, tlw. massiv, bez. 1535; Rückseite wohl 2. Hälfte 16. Jh.“
(Ingeborg Scholz, Moselkern, 2023)
Internet
historisches-rathaus-moselkern.de: Rathaus Moselkern (abgerufen 06.11.2023)
www.visitmosel.de: Historisches Rathaus Moselkern (abgerufen 06.11.2023)
www.denkmalschutz.de: Rathaus Moselkern. Ältestes Rathaus an der Mosel (abgerufen 06.11.2023)
www.mosel.de: Historisches Rathaus, Moselkern (abgerufen 06.11.2023)
www.deutsche-digitale-bibliothek.de: Dr. Ulrich Müller-Frank (1917-1996), Bürgermeister (Bestand) (abgerufen 06.11.2023)