Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Bretzenheim
Kreis(e): Bad Kreuznach
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 52′ 38,53″ N: 7° 54′ 10,06″ O 49,87737°N: 7,90279°O
Koordinate UTM 32.421.167,43 m: 5.525.573,43 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.421.211,09 m: 5.527.344,36 m
  • Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim (1542)

    Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim (1542)

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  • Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim (1608)

    Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim (1608)

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  • Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim (1822)

    Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim (1822)

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  • Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim

    Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim

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Wenn alte Gebäude Gegenstand geschichtlicher Betrachtungen sind, so sind es in erster Linie Kirchen, Klöster, Schlösser und Burgen, denen das besondere Interesse gilt. Aber auch profanere Gebäude wie Mühlen, Backhäuser, Gutshöfe oder besonders markante Wohnhäuser können noch einer gewissen Beachtung sicher sein.
Anders verhält es sich mit jenen Stätten und Einrichtungen, die der Ausübung der Gerichtsbarkeit dienten, vor allem dem Gefängnis und dem Richtplatz bzw. dem Galgen. Sie werden, wenn überhaupt, mit einer gewissen Scheu und Abneigung zur Kenntnis genommen, wird man dabei doch zu sehr an die Rechtsprechung und Rechtspraxis früherer Jahrhunderte mit ihrer Folter und ihren grausamen Hinrichtungsmethoden erinnert.
Und doch ist es gerade der Galgen, der auf keinem alten Städtebild fehlen darf, denn er dokumentiert am augenfälligsten das vom Kaiser verliehene Privileg eines eigenen Gerichtsstandes und Blutbanns. Weitaus seltener ist dieses Symbol der „Hohen Gerichtsbarkeit“ hingegen auf Abbildungen kleiner Städte und Dörfer zu finden, denn diese waren in der Regel einem größeren Territorium zugeordnet, von dem aus die über die örtliche Gerichtsbarkeit hinausgehenden rechtlichen Belange wahrgenommen wurden.

Wenn auch diese Relikte herrschaftlicher Gewalt längst verschwunden sind, erinnern noch heute Gemarkungs- und Gewannbezeichnungen wie Galgenberg oder Galgenweg an dieses Plätze. An andere Gerichts- und Strafvollzugsstätten früherer Zeiten, die innerhalb der Städte oder Dörfer lagen, wie z. B. Gerichtsgebäude, Gefängnis, Pranger u. a. erinnern nur noch selten Hinweise. Anders hingegen in Bretzenheim, das über viele Jahrhunderte über alle Einrichtungen der früheren „Rechtspflege“ verfügte und die auf den beiden bekannten Abbildungen des Ortes aus den Jahren 1542 und 1608 auch größtenteils zu sehen sind. Besonders auffallend ist als Zeichen der Hohen Gerichtsbarkeit der Galgen dargestellt. Dass er unmittelbar an der Grenze zu Kreuznach errichtet war, hatte gute Gründe. Bretzenheim war als freie Reichsherrschaft mit ihrer Schwestergemeinde Winzenheim ein selbständiges Territorium und ringsum von ,,Ausland„ umgeben. Streitigkeiten und Reibereien, die bis zu Landfriedensbruch, Überfällen und Plünderungen reichten, nahmen nicht selten von Kreuznach aus ihren Ausgang und so machte man in diese Richtung seine territoriale Eigenständigkeit besonders deutlich.

Von wesentlich alltäglicher Bedeutung war das Gefängnis, das es in Bretzenheim zeitweise in zwei Ausführungen gab. Nachdem Emich von Daun Graf zu Falkenstein Bretzenheim zu seiner Residenz erkoren hatte und dies im Jahre 1589 durch den Bau des Schlosses nachhaltig zum Ausdruck brachte, errichtete er auch innerhalb des Schlossareals ein Gefängnis. Mit diesem in alten Schriftstücken als Schloss- oder Criminalgefängnis bezeichnete Ort haben viele Bretzenheimer Einwohner in der Folgezeit Bekanntschaft machen müssen.

Die territoriale Besonderheit von Bretzenheim hatte zu allen Zeiten auch Auswirkungen auf das Gerichtswesen und die Stätten zum Vollzug von Freiheitsstrafen. Deutlich wurde unterschieden zwischen dem ,Criminalgefängnis“und dem „Civilgefängnis“ (Ortsgefängnis) der jeweiligen Ortsherrschaft. Letzteres blieb den kleinen Sündern vorbehalten, die nur kurzzeitig in Arrest genommen werden mussten oder nur gegen ortsrechtliche Regeln verstoßen hatten, während das Criminalgefängnis den Straftätern zugedacht war, die sich kapitaler Verbrechen und Verstößen gegen Landes- und Reichsrecht schuldig gemacht hatten.

Das Criminalgefängnis
Von einem solchen Gefängnis, das auch Burg- oder Schlossgefängnis genannt wurde, berichten vorgeschichtliche Quellen erstmals im Zusammenhang mit der Regentschaft des Emich von Daun, Graf zu Falkenstein (1589-1627). In dieser Zeit hatten mehrere Bretzenheimer Einwohner hier ungerechtfertigte und willkürlich verhängte Strafen absitzen müssen. Wo sich jedoch dieses Gefängnis innerhalb des Schlossareals befand, blieb lange Zeit ungeklärt. Alle Beschreibungen gehen davon aus, dass es sich um ein düsteres und nasses Kellergewölbe gehandelt haben muss. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass sich diese Räumlichkeit im Wohn- und Kanzleitrakt des Grafen befunden hat.
Mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit kommt jedoch das Gebäude in Betracht, das auf dem Ausschnitt aus dem Katasterplan von 1822 quer an der Mauer zum Markplatz verortet werden kann.

Bei diesem Gebäude handelt es sich um das ehemalige Rathaus der Gemeinde Bretzenheim, das seit Jahrhunderten hier seinen Platz hatte, im Jahre 1559 einem verheerenden Brand zum Opfer gefallen und gerade wieder neu aufgebaut worden war, als es Emich von Daun Graf zu Falkenstein 1589 unter fadenscheinigen Begründungen der Gemeinde entzog. Er hat es in sein neu entstehendes Schlossareal als Pferdestall (im Erdgeschoss), als Wohnungen für Bauhandwerker (im Obergeschoss), als Scheune (im Dachgeschoss) und als Schloss-Gefängnis im Keller umgewidmet. Über Jahrhunderte blieb dieses Gebäude in den ihm zugedachten Funktionen erhalten und diente allen nachfolgenden Schlossherren bis in die Zeit des Reichsfürsten Carl August von Bretzenheim in gleicher Art und Weise, einschließlich des darin befindlichen Criminalgefängnisses.
Welcher hohe Stellenwert der Frage der Gefängnisse in Bretzenheim unmittelbar zu Beginn der Herrschaft des Reichsgrafen Carl August von Bretzenheim zukam, macht ein Schreiben des Bretzenheimer Amtmannes Joseph Schweickardt vom Nov. 1775 an die gräflich-bretzenheimische Kanzlei in Mannheim deutlich. Darin beschreibt er die Situation als Teil eines längeren Briefes:

„(…) So schwehr es mich ankommt, mit ferneren (weiteren) Baulichkeiten Euer Excell. zu behelligen,
die mich stark belästigen, so dringt mich doch die Nothwendigkeit dazu.
1. Ein ordentliches Gefängnis und Verhör- oder wenigstens Wachstube.
AIle zeitherige Crminial-Prozesse, auch einige Bestrafungen, endigten damit, daß die Verbrecher
aus der Haft entwichen.
Das dermalige Gefängnis besteht aus einem unterirdischen Loch, dessen üble
Beschaffenheit der Schultheiß Schröder vormahlen schon beschrieben hat:
(…) Einen kleinen Frevel zu züchtigen mögte solches noch wohl hinreichen,
aber Haupt-Verbrecher aufzubwahren, ohne sie durch das Gefängnis
schon empfindlich zu strafen, hat es nicht die gehörige Eigenschafte.
Diese müssen in einem Zimmer bewacht werden, und dann fallet es
ihnen nicht schwer, ihren schlafenden Wächtern zu entgehen;
Es erübrigt dahero nichts, als ein neues zu erbauen, wozu man den Orte


Trotz dieser eindringlichen Darlegung von Gründen gelang es in den folgenden 15 Jahren nicht, dem Bau eines Gefängnisses in der Prioritätenliste der herrschaftlichen Bauvorhaben einen bevorzugten Platz einzuräumen. Und so blieb es bei den geschilderten Verhältnissen, bis der aus Stromberg stammenden Kalkbrenner Wilhelm Sonnet am 25. Nov. 1789 auf dem Weg zwischen Bretzenheim und der Eremitage, einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen, tot aufgefunden worden war. Den Vorgang teilte der gräflich-bretzenheimische Gefälle-Verweser Adam Doras unter besonderem Hinweis auf die desolate Gefängnis-Situation in Bretzenheim der “Hochlöblichen„ Kanzlei mit. Es gab daraufhin in den Folgejahren durchaus Überlegungen ein Criminalgefängnis an den verschiedensten Orten zu realisieren. Doch die französische Revolution mit ihrer Umschichtung der Gesellschaft durch Aufhebung des Adels und Abschaffung aller Feudalrechte
machte ein lokales Criminalgefängnis überflüssig.
Das Gebäude mit dem Criminalgefängnis im Keller innerhalb des Schlossareals wurde zu Beginn des 19. Jh. entbehrlich und wurde abgetragen, der Keller verfüllt.

Das Ortsgefängnis
Wesentlich augenfälliger war das Ortsgefängnis, das als Turm unmittelbar neben dem Unter- oder Nahetor seinen Standort hatte. Deutlich ist dieses Gebäude, eingefügt in die Ortsmauer, auf den Zeichnungen von 1542 und 1608 zu sehen. Da es sich um ein Turmgefängnis handelte, wurden die Straftäter nicht zu einer Gefängnisstrafe sondern zu einer “Turmstrafe„ verurteilt und “eingetürmt„. Da diese Formulierung noch bis in die 2. Hälfte des 18. Jh. gebräuchlich war, ist davon auszugehen, dass der Turm bis zu dieser Zeit noch Bestand hatte. Gegen Ende des 18. Jh, als sich der untere Ortsbereich baulich zu wandeln begann, wurde auch er dem Erdboden gleich gemacht. Es war jedoch nicht davon auszugehen, dass einem Ortsgericht kein Gefängnis zur Verfügung steht. Doch wo genau war es untergebracht, fragte man sich über 200 Jahre später? Auf die Spur des alten Gefängnisstandorts ist man erst gekommen, als in einem Buch zur ev. Pfarrei
Bretzenheim und Winzenheim festgehalten ist, dass das zum Wohnhaus umgebaute Haus-Nr. 35 in der Großen Straße als Außenwand ein Stück alte Ortsmauer aufweist. Damit konnte das ehemalige Turmgefängnis lokalisiert werden. Letzte Gewissheit brachte ein Gespräch mit einer Nachbarin aus dem Haus-Nr. 33, die die Erzählungen ihres Großvaters noch im Ohr hatte. Zu dessen Grundstück waren die Fenster noch mit schweren Eisengittern versehen. Häufig seien Gefangene hinter den vergitterten Fenstern erschienen und hätten mit Handbewegungen zum Mund hin angedeutet, dass sie Hunger hatten. Zu welchem Zeitpunkt das Gefängnis aufgelöst wurde, ist nicht bekannt. Offensichtlich hat es aber die verschiedenen Veränderungen der politischen Verhältnisse überdauert und fand auch noch unter dem neuen Landesherren, dem König von Preußen, eine zweckentsprechende Verwendung.
Um 1935 hat der Besitzer das Gebäude um eine Etage aufgestockt, wodurch das Gebäude weitgehend das Aussehen erhielt, das es heute noch hat.

(Projektteam der Modellkommune Bretzenheim, Juni 2023)

Literatur

Schneider, Hans (2015)
Bretzenheim an der Nahe. Bretzenheim.

Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim

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Ort
Bretzenheim
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Landeskunde
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Projektteam der Modellkommune Bretzenheim: „Galgen und Gefängnisse in Bretzenheim”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345482 (Abgerufen: 2. Mai 2024)
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