Naturschutzgebiet Wildpferdebahn im Merfelder Bruch

NSG COE-004, Dülmener Wildpferdebahn

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde, Naturschutz
Gemeinde(n): Coesfeld, Dülmen
Kreis(e): Coesfeld
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 50′ 16,35″ N: 7° 08′ 16,48″ O 51,83788°N: 7,13791°O
Koordinate UTM 32.371.710,61 m: 5.744.645,90 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.578.472,77 m: 5.745.477,53 m
  • Dülmener Wildpferde (2023)

    Dülmener Wildpferde (2023)

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    Dülmener Wildpferde (2023)

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    Dülmener Wildpferdebahn (2023)

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Mit einem dunklen sogenannten Aalstrich von der Mähne bis zum Schweif, Querstreifen über dem Schulterkreuz, Zebrastreifen an den Beinen, einer Widerristhöhe von 1,25-1,35 Metern und einer graugelben Färbung als markante phänotypische Ausprägungen gelten die Dülmener Wildpferde gemeinhin als die „letzten Wildpferde Europas“. Der mehrdeutige Begriff „Wildpferd“ bezieht sich hier auf ihr vom Menschen weitestgehend unabhängiges Leben in freier Wildbahn, namentlich in der Dülmener Wildpferdebahn im Merfelder Bruch (Aussprache mit langem Vokal wie in „Buch“) – Verhältnisse, die in Europa in dieser Form sonst nirgendwo mehr anzutreffen sind. Sie selbst sind nicht weniger als ihr einzigartiger Lebensraum, die Dülmener Wildpferdebahn, sowie das Spektakel des alljährlich stattfindenden Wildpferdefangs ein regionales bis globales Kulturgut.

Wildpferdebahnen in Westfalen
Pferde im Merfelder Bruch
Dülmener Wildpferde als Nutztiere
Vom wilden zum halbwilden Gestüt
Im Besitz des Adelsgeschlechts von Croÿ
Zeiten der Bestandsgefährdung
Entwicklung des järhlichen Wildpferdefangs
Naturschutzfachliche Ausweisungen und Kritik von Seiten des Tierschutzes
Heutige Situation
Internet/Literatur

Wildpferdebahnen in Westfalen
Im Grunde beginnt die Geschichte der Dülmener Wildpferde bereits mit dem Ende der pleistozänen Vereisung, also vor rund 11.600 Jahren. Infolge der Gletscher- und Moränendynamik entstanden in Westfalen zahlreiche Senken, die sich mit Niederschlags- bzw. Schmelzwasser füllten und über Jahrtausende zu Niedermooren verlandeten. Nicht selten wurden Moorgebiete „inaktiv“, wenn die Ablagerung von Pflanzenteilen der sich angesiedelten Baumvegetation (den feuchten und sauren Bedingungen entsprechend hauptsächlich Birke und Kiefer) in die Höhe wuchs, sich also Torf bildete – es entstanden sogenannte Brüche. Solche sind stets dadurch gekennzeichnet, dass der Grundwasserspiegel im Gebiet weiterhin ausgesprochen hoch ist und oft Staunässe entsteht, wodurch sie auch nach dem Sesshaftwerden der Menschen in Westfalen ca. 4.800 v. Chr. (LWL 2012, S. 9) lange Zeit nicht als Siedlungsgebiet oder landwirtschaftliche Nutzfläche erschlossen waren. Wilde Tiere, so auch wildlebende Pferde, zogen sich infolgedessen gezielt dorthin zurück. Als zunächst natürlicher Rückzugsort wurden Brüche allerdings später aktiv von Jägern zur Hege genutzt. In dieser Funktion werden solche Gebiete als „Wildbahn“ oder, waren sie von Pferden dominiert, als „Wildpferdebahn“ bezeichnet.
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Pferde im Merfelder Bruch
Auch etwa 12 Kilometer westlich der westfälischen Stadt Dülmen fand und findet sich noch heute ein Bruchgebiet, das Merfelder Bruch, in welchem seit Jahrhunderten eine ursprünglich circa 4.000 Hektar große Wildpferdebahn besteht. Das Vorkommen von wilden Pferden an diesem Ort wird erstmals 1316 urkundlich erwähnt und steht im direkten Zusammenhang mit der Nutzung als Wildbahn. Denn in jenem urkundlichen Beleg gesteht Johannes von Lette das Jagd- und Fischereirecht für dieses Gebiet sowie das Recht auf die dort vorkommenden wilden Pferde Hermann von Merveldt zu (= Wildbann). Archäologische Funde und die Tatsache, dass offensichtlich zuvor die Herren von Lette das sogenannte Wildbannrecht für diese Gründe besaßen, lassen darauf schließen, dass Pferde schon lange zuvor die Bruchlandschaft nahe Dülmen kennzeichneten. Auch der Name „Merfeld“ gibt einen Hinweis darauf, denn bereits um 890 n. Chr. erwähnten Mönche des Klosters Werden bei Essen die Siedlung mit dem Namen „Marefeldrom“. Das Präfix „Mare-“ (heute „Mer-“) geht auf dieselben germanischen Wurzeln wie der Begriff „Mähre“ zurück, mit dem ein weibliches Pferd, d. h. eine Stute gemeint ist (Nebenbei bemerkt meint das Englische „mare“ dies weiterhin!) und mit dem heute ein „(altes) verbrauchtes, mageres Pferd“ (DWDS 2021) bezeichnet wird.
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Dülmener Wildpferde als Nutztiere
Im Verlaufe des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, als Pferde ein fester Bestandteil des bürgerlichen Alltags wurden, entwickelte sich aus der Wildpferdebahn im Merfelder Bruch, wie aus vielen Wildpferdebahnen Westfalens, ein wildes Gestüt. Wilde Gestüte sind Zuchtstätten mit natürlichem Pferdevorkommen und großer Flächenausdehnung, bei der Stuten und Hengste als Herde beinahe ohne anthropogene Beeinflussung ganzjährig im Freien leben und sich dort unter natürlicher Auswahl fortpflanzen. Der Mensch greift lediglich durch Herausnahme einzelner Individuen ein. Aufgrund ihrer geringen Größe, ihres geringen Gewichts sowie ihrer ausgesprochenen Robustheit und Belastungsfähigkeit bestand die Verwendung der Dülmener Wildpferde, die zu dieser Zeit noch als „Merfelder“ bezeichnet wurden, vor allem im Einsatz bei einfacher Feldarbeit bzw. als Grubenpferde. So wurden sie im Auftrag ihres Besitzers von einem Pferdefänger herausgefangen, mit dem Brandzeichen jenes Besitzers versehen und auf dem Markt verkauft.
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Vom wilden zum halbwilden Gestüt
Doch die Bevölkerung Westfalens wuchs ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts rasant an und mit ihr der Bedarf an agrarischen Produkten, demgemäß an landwirtschaftlicher Nutzfläche. Durch sich parallel verbessernde Techniken zur Trockenlegung konnten immer mehr Brüche gänzlich oder teilweise landwirtschaftlich erschlossen werden; auch das Merfelder Bruch blieb nicht unverschont. Zum einen nahmen Ackerbauern nun zunehmend die Schadwirkung der wildlebenden Pferde wahr, da sie mit ihrem Tritt die Ernte zerstörten. Zum anderen kam es in der Paarungszeit infolge des begrenzteren Platzes zu heftigen Kämpfen zwischen den Hengsten. In vielen Wildpferdebahnen wurde somit der Beschluss gefasst, die männlichen Fohlen herauszufangen, zu kastrieren, sie danach allerdings zurück in die Wildbahn zu lassen.

Mit diesem Eingriff und dem Einsatz von Zuchthengsten (einerseits zur Vermeidung von Inzucht der zeitweise durch die Hengstkämpfe und eine übermäßige Entnahme von Individuen stark reduzierten Herden sowie andererseits zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Pferde als Nutztiere) vollzogen alle wilden Gestüte Westfalens die Entwicklung zu einem halbwilden Gestüt. Wann mit dem Einsatz von Zuchthengsten in der Wildpferdebahn Dülmen begonnen wurde, ist unklar. Fest steht aber, dass sich auch während der Zeit, zu der noch eine gänzlich natürliche Zuchtauswahl herrschte, entlaufene Bauern- und Kriegspferde einmischten, womit die Dülmener Wildpferde unausweichlich bereits zuvor „domestiziertes Blut“ in sich trugen. Erst mit der aktiven Zucht änderte sich jedoch ihr zuvor allein durch die evolutionäre Selektion an die Lebensbedingungen in einem Bruch angepasste Phänotyp nachhaltig.
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Im Besitz des Adelsgeschlechts von Croÿ
Die Dülmener Wildpferde blieben trotz mehrfach wechselnder Wildbahnberechtigung stets in adligem Besitz. Im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 (vgl. www.rheinische-geschichte.lvr.de) wurde das dem Fürstbistum Münster angehörige Amt Dülmen (einschließlich der Wildbannrechte des Merfelder Bruchs) an das wallonisch-flämisch-westfälische Adelsgeschlecht von Croÿ übertragen, in dessen Besitz die Pferde noch heute stehen. Diese Übertragung fiel in eine Zeit, in der sich (halb)wilde Gestüte bereits nicht mehr rentierten, da die Zucht immer gezielter und intensiver betrieben wurde. So verloren die Wildpferdebahnen Westfalens weitere Hektar an Siedlungs- oder landwirtschaftliche Nutzfläche. Spätestens aber die preußische Markenteilung zwischen 1830 und 1850, bei welcher zuvor gemeinschaftlich genutztes Agrarland (= Mark/Allmende) oder adliges Landeigentum in privaten Besitz übergingen, besiegelte das Ende fast aller Wildpferdebahnen. Denn für die neuen landwirtschaftlich ausgerichteten Besitzer waren die Pferde entweder Schädlinge oder Nutztiere; sie wurden erschossen oder aber eingefangen, willkürlich fortgepflanzt und damit ausgerottet.
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Zeiten der Bestandsgefährdung
Die Dülmener Wildpferdebahn blieb als einzige ihrer Art erhalten, auch wenn die Familie von Croÿ bei der Markenteilung lediglich etwa 488 Hektar Land um ihren Wohnsitz, das Schloss Dülmen, herum zugesprochen bekam. Herzog Alfred von Croÿ (1789-1861) gelang es in den 1840er Jahren jedoch, durch geschickte Kauf- und Tauschgeschäfte, seinen Besitz auf rund 766 Hektar Land zu vergrößern. In diesem waren nun wieder Teile der ursprünglichen Wildpferdebahn im Merfelder Bruch enthalten. Um ihr Überleben zu sichern, ließ er im Jahre 1847 die letzten 20 Tiere einfangen und ein etwa 35 Hektar großes Areal einzäunen, in dem sie ge- bzw. erhalten werden konnten. Unausweichlich mussten bei bloß 20 Individuen externe Zuchthengste eingesetzt werden, um einer Inzucht vorzubeugen. Doch nun wurde das konkrete Zuchtziel „Erhalt eines kleinen Pferdes mit einer Widerristhöhe von 1,30 m“ verfolgt. Damit kam es zu einem bewussten Einsatz bestimmter Zuchthengstrassen (z. B. Welsh-Ponys), die das ursprüngliche Aussehen der Dülmener Wildpferde wahren sollten. Seine Bestrebungen und die Verantwortung über die letzte Wildpferdebahn übertrug Alfred von Croÿ an seine Nachkommen. Diese nahmen umfassende Kulturvierungsmaßnahmen im Merfelder Bruch vor, da die Staunässe die Seuchenentstehung – bekannt ist eine starke, nicht weiter definiierte Seuche in den 1880er Jahren – begünstigte. Erst danach wuchs die Herdengröße erfolgreich an, und das Reservat wurde ihr fortlaufend angepasst; bereits 1891 standen den Pferden etwa 50 Hektar Fläche zur Verfügung.
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Entwicklung des järhlichen Wildpferdefangs
In den Jahrzehnten, in denen es schlecht um ihren Bestand stand, galten die Dülmener Wildpferde als Rarität, sodass sie nicht mehr geregelt herausgefangen wurden. Lediglich einzelne Exemplare verschenkten die von Croÿs an Verwandte oder Freunde bzw. verkauften sie teuer an Liebhaber. Ihr Einsatz erfolgte demnach nicht mehr wie einst untertage oder bei der Feldarbeit, sie wurden vielmehr zum Luxuspferd vor der Kutsche. Erst nachdem sich der Bestand um die Jahrhundertwende wieder erholte, waren sie als Grubenpferde und für Kleinbauern wieder einfacher zu finanzieren. Für diese Zwecke erworben werden konnten ab 1907 allerdings ausschließlich einjährige Junghengste, die sogenannten Jährlinge. Denn aufgrund der nun immens gewachsenen Herde war es erneut notwendig geworden, diese herauszufangen. Bewusst wurde für den Fang ein Zeitpunkt Ende Mai gewählt, da ihre Bindung zur Mutter dann bereits nicht mehr besteht. Wie Jahrhunderte zuvor fingen professionelle Treiber und Pferdefänger die Tiere ein und versahen sie mit dem Brandzeichen der Familie von Croÿ. Die Nachfrage nach den Dülmener Wildpferden stieg insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg an, als Benzinknappheit herrschte, die durch ursprüngliche Fortbewegungsmittel kompensiert wurde.

Das Spektakel des Wildpferdefangs lockte schon in frühen Jahren zahlreiche Besuchende an, sodass die von Croÿs 1930 mit dem Bau einer Arena in der Wildpferdebahn begannen, die im Frühjahr 1931 fertiggestellt war. Erstmalig wurden Tickets für den nun jährlich am letzten Samstag im Mai stattfindenden Wildpferdefang und die Jährlingsversteigerung verkauft, wobei die Einnahmen von Anfang an ausschließlich für den Erhalt der Wildpferdebahn bestimmt waren. Kurze Zeit später änderte sich darüber hinaus das Zuchtziel, das Alfred von Croÿ seinerzeit einführte. Eigentlich wurde bereits um 1900 festgestellt, dass dieses zum Verlust des ursprünglichen Wildpferdetyps beitrug, da durch die Einkreuzung domestizierter Rassen wildpferdeuntypische äußerliche Merkmale auftraten. Vor allem in der Größe machte sich dies bemerkbar, so waren die Dülmener Wildpferd ursprünglich 10 bis 20 cm größer. Doch erst als genau dies eine tierärztliche Dissertation von 1939 kritisierte, wurden das Zuchtziel 1943 zu „Phänotyp eines Wildpferdes“ geändert. Von nun an setzte man entsprechende Zuchthengstrassen bzw. sogar in der Wildbahn geborene Zuchthengste ein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte die Veranstaltung des Wildpferdefangs letztlich solche Ausmaße, dass die Arena in den 1950er Jahren auf 14.000 Plätze erweitert wurde und über die Jahre ein großes Begleitprogramm entstand. Dazu gehören seitdem sowohl Reit-, Hindernis-, Spring- und Dressurvorführungen der lokalen Vereine als auch Konzertauftritte oder Aufführungen mit anderen Tieren wie z. B. Schafen, Ziegen und Hunden. Diese Entwicklungen fallen in die Zeit, zu der der Nutztiereinsatz der Dülmener Wildpferde analog zur allgemeinen Entwicklung der Mensch-Pferd-Beziehung nachließ. Nun waren sie „auch bei Kindern als Reit-, Wagen- und Voltigierpferd sehr begehrt […], da sie einen guten Charakter besaßen und sich leicht zähmen ließen“ (Zenker 2016, S. 113-114).
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Naturschutzfachliche Ausweisungen und Kritik von Seiten des Tierschutzes
1956 wurden 291 Hektar des 360 Hektar großen Reservats zum Naturschutzgebiet „Wildpferdebahn im Merfelder Bruch“ nach § 23 BNatSchG und die Herde selbst zu einem Naturdenkmal nach § 28 BNatSchG ausgewiesen. Die Wildpferdebahn befindet sich darüber hinaus auf dem Gebiet des EU-Vogelschutzgebiets „Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge“. Dieses entstand im Zuge des nach der 1992 von der EU verabschiedeten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie verpflichtend zu erschaffenen Schutzgebietsnetzes „Natura 2000“. Ferner nahm man die Dülmener Wildpferde im Jahre 1994 auf die Rote Liste der bedrohten Haustierrassen in der Gefährdungskategorie III „stark gefährdet“ auf. Seit 1998 wird außerdem intensiv Verhaltensforschung an ihnen betrieben, die vor allem der Pferdeverhaltensforscher Prof. Dr. Klaus Zeeb vorantreibt. Zu den neusten Entwicklungen zählt die Zusammenarbeit mit dem Tierschutz, da der Wildpferdefang trotz seiner Notwendigkeit jedes Jahr aufs Neue kritisiert wird. Infolgedessen wurde 2010 das Brandmarken durch Chipping ersetzt. Auch werden die Jährlinge seit 2014 nicht mehr niedergerissen, um ihnen ein Halfter umzulegen, sondern im Stehen gefangen.
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Heutige Situation
Heute leben etwa 400 Dülmener Wildpferde in einem 400 Hektar großen Reservat, das mittlerweile wieder als „Wildpferdebahn“ bezeichnet werden kann. Sie sind bis auf das Herausfangen der Jährlinge, das Einbringen der Deckhengste und eine geringfügige winterliche Zufütterung gänzlich auf sich allein gestellt – „Fohlen werden dort geboren, wo alte und kranke Tiere sterben“ (Zenker 2016, S. 115). Mittlerweile hat sich ein konstanter Phänotyp eingestellt, der dem aktuellen Zuchtziel gerecht wird und damit die wildpferdetypischen Merkmale erhält. Wenngleich sie optisch wilden Pferden nachkommen, muss jedoch unterstrichen werden, dass sie nur im allgemeinen Sprachgebrauch „Wildpferd“ genannt werden können und diese Bezeichnung selbst in diesem Kontext aufgrund der anthropogenen Beeinflussung und des umzäunten Reservats vage ist. Im zoologischen Sinne sind sie hingegen keinesfalls „Wildpferde“, da es bekanntlich immer wieder zur Einmischung domestizierter Rassen kam und sie wie alle Pferde in Europa auf das ursprünglich domestizierte E. caballus zurückgehen.
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(Sarina Eßling, 2021)

Internet
nsg.naturschutzinformationen.nrw.de: Naturschutzgebiet Wildpferdebahn im Merfelder Bruch (COE-004) (abgerufen 10.11.2021)
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Portal Rheinische Geschichte, 1794 bis 1815 - Aufbruch in die Moderne (abgerufen 10.11.2021)
www.dwds.de: Mähre (abgerufen 10.11.2021)
www.oxfordlearnersdictionaries.com: mare (abgerufen 10.11.2021)
wildpferde.de: Wildpferde im Merfelder Bruch (abgerufen 10.11.2021)
www.ig-duelmener.de: Geschichte (abgerufen 10.11.2021, Inhalt nicht mehr verfügbar 22.02.2024)
www.ig-duelmener.de: Situation (abgerufen 10.11.2021, Inhalt nicht mehr verfügbar 22.02.2024)

Literatur

Barden, Eva (2017)
Die Dülmener Wildpferde. In: Westfälische Erinnerungsorte. Beiträge zum kollektiven Gedächtnis einer Region, Paderborn.
Bergmann, Rudolf (2010)
Mittelalterliche Landwirtschaft in Westfalen. In: WESTFALEN REGIONAL – Band 2. Aktuelle Themen, Wissenswertes und Medien über die Region Westfalen-Lippe. Gebiet und Identität, Naturraum, Bevölkerung, Siedlung, Wirtschaft, Verkehr, Bildung, Kultur und Sport, Gesellschaft, Münster.
Carls, Gerhard (1995)
Das Dülmener Pferd. In: Schwerpunkt – Pferde, o. O. Online verfügbar: www.g-e-h.de/geh-pfer/dulm.htm, abgerufen am 02.05.2023
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.) (2012)
Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung im Münsterland. Kreis Borken, Kreis Coesfeld, Kreis Steinfurt, Kreis Warendorf, Stadt Münster. Grundlagen und Empfehlungen für die Regionalplanung. Münster.
Meyer, Heinz (2013)
Zur Biozönose von Mensch und Pferd – Ein historischer und kultursoziologischer Überblick. In: Pferdeheilkunde – Equine Medicine, S. 363-388. o. O.
Nierhoff, Joachim (2012)
Historische Streifzüge durch das Kernmünsterland. Erfurt.
Olthoff, M.; Ikemeyer, D.; Ribbrock, N.; Zimmermann, T. (2007)
Das EU-Vogelschutzgebiet „Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge“. In: WESTFALEN REGIONAL. Aktuelle Themen, Wissenswertes und Medien über die Region Westfalen-Lippe. Gebiet und Identität, Naturraum, Bevölkerung, Siedlung, Wirtschaft, Verkehr, Bildung, Kultur und Sport, Gesellschaft und Politik, Münster.
Opora, Jeannette (2006)
Die Wildbahngestüte Westfalens. Geschichte, Entwicklung und Zukunft. Hannover.
Scholz, Philipp (2007)
Wildpferde im Merfelder Bruch. In: WESTFALEN REGIONAL. Aktuelle Themen, Wissenswertes und Medien über die Region WestfalenLippe. Gebiet und Identität, Naturraum, Bevölkerung, Siedlung, Wirtschaft, Verkehr, Bildung, Kultur und Sport, Gesellschaft und Politik, Münster.
Zenker, Christine (2016)
Vom Nutztier zum Begleiter. Wandel der Mensch-Tier-Beziehung am Beispiel der Dülmener Wildpferde. In: Schauplätze der Umweltgeschichte in Nordrhein-Westfalen, Göttingen.

Naturschutzgebiet Wildpferdebahn im Merfelder Bruch

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Zur Wildpferdebahn
Ort
48249 Dülmen - Merfeld
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde, Naturschutz
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger, Geländebegehung/-kartierung

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Sarina Eßling (2021): „Naturschutzgebiet Wildpferdebahn im Merfelder Bruch”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345353 (Abgerufen: 10. Mai 2024)
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