Rathaus in Weisel

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Weisel
Kreis(e): Rhein-Lahn-Kreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 07′ 7,21″ N: 7° 47′ 58,31″ O 50,11867°N: 7,79953°O
Koordinate UTM 32.414.178,99 m: 5.552.515,10 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.414.219,74 m: 5.554.296,61 m
  • Rathaus in Weisel

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  • Alte Ansicht des Rathauses in Weisel

    Alte Ansicht des Rathauses in Weisel

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  • Ratssaal im Rathaus in Weisel

    Ratssaal im Rathaus in Weisel

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Weisel besaß seit 1324 Stadtrechte, die ihm von Kaiser Ludwig dem Bayern (aus dem Hause Wittelsbach, ca. 1282 bis 1347) verliehen worden waren. 1419 wurden Weisel, Ober- und Nieder-Dörscheid (heute nur noch Dörscheid) von Kaub abgetrennt und durften fortan ein eigenes Schöffengericht mit sieben Schöffen - vier aus Weisel, drei aus Dörscheid - unterhalten, das für Fragen der niederen Gerichtsbarkeit zuständig war. Den Vorsitz führte der Schultheiß, den die Obrigkeit einsetzte. Zusätzlich gab es noch einen Rat mit sechs Ratsmännern (in Dörscheid waren es vier) und einen Bürgermeister, der von den männlichen Bürgern des Dorfes für jeweils zwei Jahre gewählt wurde. Vermutlich tagten Gericht und Rat zunächst auf einem zentralen Platz im Dorf unter einer Gerichtslinde. Erst im 15. oder 16. Jahrhundert wurde wahrscheinlich ein erster Ratshausbau errichtet, der 1583 zum ersten Mal erwähnt wird. Er enthielt neben der Amtsstube des Schultheißen und einer Gerichts- und Ratsstube auch ein kleines Gefängnis („Bollesje“ oder „Gewahrsam“) und einen Raum, in dem die Feuereimer und Brandleitern aufbewahrt wurden. Außer Gerichtsverhandlungen, Verkaufsverhandlungen (z.B. mit Händlern, die die in der Gemeinde produzierte Schafwolle zu einem Einheitspreis aufkauften und dafür mit Rat und Gericht verhandelten), Ratssitzungen und Versteigerungen diente das Rathaus auch zeitweise als Schulsaal, als nach dem Dreißigjährigen Krieg das Schulhaus abgebrannt war, oder als Lehrer- und Pfarrerwohnung, wenn deren eigentliche Dienstwohnungen gerade renoviert wurden. Und auch für private Feiern wie Hochzeiten konnte das Rathaus damals schon gemietet werden.
Dieser erste Rathausbau wurde wegen Baufälligkeit 1730-1731 durch einen Fachwerk-Neubau ersetzt, der im oberen Stockwerk Ratsstube, Kammer und Küche mit Feuerstelle enthielt und im unteren Stockwerk einen Stall, einen Feuerwehrgeräteraum und einen kleinen Kerker. 1753 ließ die Gemeinde ein „Profet“, einen öffentlichen Abort ans Rathaus anbauen, „damit wann fremde Herren allda sein sollten auch ihren Abdritt nehmen könnten“. Auch dieser Rathausbau wurde wieder für Familienfeiern und als Schulersatzraum genutzt. Aufbewahrt wurden hier auch der gemeindeeigene Besitz wie die Mehlwaage, eine Messrute zur Grundstücksvermessung, Hacken, Totenbahre, Sargtücher, Werkzeuge für die Waldarbeit, ein Spieß und zwei Signalhörner für die Tag- und Nachtwächter.
Der Rathausbau gehörte Weisel und Dörscheid gemeinsam. Als die bis dahin gemeinschaftlichen Gemarkungen der beiden Dörfer im Zuge der nassauischen Verwaltungsreform geteilt wurden und Dörscheid eigenständig wurde, verkauften die Dörscheider 1812 ihren Anteil am Weiseler Rathaus für 200 Gulden an die Weiseler.

Der von 1856-1865 und von 1869-1900 amtierende Bürgermeister Georg Graßmann (1825-1900), der 1878 in den Landtag berufen wurde, hoffte, dass im Zuge einer Neuordnung des Kreises St. Goarshausen die Kreisbürgermeisterei in Weisel angesiedelt würde. Er beschloss daher mit der Gemeinde den Bau eines neuen, repräsentativen Rathauses, des heutigen Gebäudes. Es wurde 1878 an gleicher Stelle als Backsteinbau errichtet, nachdem der alte Fachwerkbau abgerissen worden war.

Der neue Bau war prächtig geraten und so außergewöhnlich im Vergleich zur übrigen Bebauung, dass sich noch im 21. Jahrhundert Besucher in Weisel darüber wundern, wie ein solches Gebäude hier entstehen konnte. Die ursprüngliche Planung sah eine neoklassizistische Fassadengestaltung vor, die noch spektakulärer gewirkt hätte, man entschied sich aber am Ende für eine an eine mittelalterliche Burg erinnernde Variante mit Backsteinmauerwerk und Ecktürmchen mit umlaufendem Zinnenkranz, die leider 1964 bis 1965 bei einer Renovierung und Aufstockung des durch Artilleriebeschuss und Bombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg (1939-1945)beschädigten Dachs teilweise entfernt wurden.

Im Untergeschoss war jetzt ein großer Raum für die beiden Feuerspritzen (die eine mit dem Aufdruck „Stadt Weisel 1882“ befindet sich noch heute im Kleinen Feuerwehrmuseum) und die Feuerwehrgerätschaften, eine Arrestzelle und das Büro des Gemeinderechners untergebracht. Die Arrestzelle wurde später zu einem Übernachtungsraum für durchziehende Handwerksgesellen und das Büro des Gemeinderechners zur Dorfbücherei umgebaut. Heute sind im Untergeschoss die öffentliche Bibliothek und eine Toilettenanlage untergebracht. Im Obergeschoss befindet sich noch immer der Rathaussaal mit einer prächtigen Balkendecke und ehemals bemalten Wänden, das Büro des Bürgermeisters und ein Raum für das Standesamt, der 1985 zur Küche umgebaut worden ist, nachdem 1972 im Zuge einer Verwaltungsreform fast alle Verwaltungsaufgaben an die Verbandsgemeindeverwaltung delegiert werden mussten. Der Rathaussaal wurde im 20. Jahrhundert auch als Schulraum, Festsaal, Gottesdienstraum, Turnsaal und 1955 für eine elektrische Musterküche und Haushaltsschule genutzt, und auch den Weiseler Chören diente er jahrzehntelang als Übungsraum. Bis heute finden im Rathaus neben den Gemeinderatssitzungen größere Veranstaltungen und Familienfeiern statt.

(Dr. Margit Göttert, Forschungsgruppe Weiseler Geschichte(n), Weisel, 2023)

Rathaus in Weisel

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Kirchgasse 8
Ort
56348 Weisel
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Vor Ort Dokumentation, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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Dr. Margit Göttert: „Rathaus in Weisel”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-344951 (Abgerufen: 22. März 2025)
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