Dieser erste Rathausbau wurde wegen Baufälligkeit 1730-1731 durch einen Fachwerk-Neubau ersetzt, der im oberen Stockwerk Ratsstube, Kammer und Küche mit Feuerstelle enthielt und im unteren Stockwerk einen Stall, einen Feuerwehrgeräteraum und einen kleinen Kerker. 1753 ließ die Gemeinde ein „Profet“, einen öffentlichen Abort ans Rathaus anbauen, „damit wann fremde Herren allda sein sollten auch ihren Abdritt nehmen könnten“. Auch dieser Rathausbau wurde wieder für Familienfeiern und als Schulersatzraum genutzt. Aufbewahrt wurden hier auch der gemeindeeigene Besitz wie die Mehlwaage, eine Messrute zur Grundstücksvermessung, Hacken, Totenbahre, Sargtücher, Werkzeuge für die Waldarbeit, ein Spieß und zwei Signalhörner für die Tag- und Nachtwächter.
Der Rathausbau gehörte Weisel und Dörscheid gemeinsam. Als die bis dahin gemeinschaftlichen Gemarkungen der beiden Dörfer im Zuge der nassauischen Verwaltungsreform geteilt wurden und Dörscheid eigenständig wurde, verkauften die Dörscheider 1812 ihren Anteil am Weiseler Rathaus für 200 Gulden an die Weiseler.
Der von 1856-1865 und von 1869-1900 amtierende Bürgermeister Georg Graßmann (1825-1900), der 1878 in den Landtag berufen wurde, hoffte, dass im Zuge einer Neuordnung des Kreises St. Goarshausen die Kreisbürgermeisterei in Weisel angesiedelt würde. Er beschloss daher mit der Gemeinde den Bau eines neuen, repräsentativen Rathauses, des heutigen Gebäudes. Es wurde 1878 an gleicher Stelle als Backsteinbau errichtet, nachdem der alte Fachwerkbau abgerissen worden war.
Der neue Bau war prächtig geraten und so außergewöhnlich im Vergleich zur übrigen Bebauung, dass sich noch im 21. Jahrhundert Besucher in Weisel darüber wundern, wie ein solches Gebäude hier entstehen konnte. Die ursprüngliche Planung sah eine neoklassizistische Fassadengestaltung vor, die noch spektakulärer gewirkt hätte, man entschied sich aber am Ende für eine an eine mittelalterliche Burg erinnernde Variante mit Backsteinmauerwerk und Ecktürmchen mit umlaufendem Zinnenkranz, die leider 1964 bis 1965 bei einer Renovierung und Aufstockung des durch Artilleriebeschuss und Bombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg (1939-1945)beschädigten Dachs teilweise entfernt wurden.
Im Untergeschoss war jetzt ein großer Raum für die beiden Feuerspritzen (die eine mit dem Aufdruck „Stadt Weisel 1882“ befindet sich noch heute im Kleinen Feuerwehrmuseum) und die Feuerwehrgerätschaften, eine Arrestzelle und das Büro des Gemeinderechners untergebracht. Die Arrestzelle wurde später zu einem Übernachtungsraum für durchziehende Handwerksgesellen und das Büro des Gemeinderechners zur Dorfbücherei umgebaut. Heute sind im Untergeschoss die öffentliche Bibliothek und eine Toilettenanlage untergebracht. Im Obergeschoss befindet sich noch immer der Rathaussaal mit einer prächtigen Balkendecke und ehemals bemalten Wänden, das Büro des Bürgermeisters und ein Raum für das Standesamt, der 1985 zur Küche umgebaut worden ist, nachdem 1972 im Zuge einer Verwaltungsreform fast alle Verwaltungsaufgaben an die Verbandsgemeindeverwaltung delegiert werden mussten. Der Rathaussaal wurde im 20. Jahrhundert auch als Schulraum, Festsaal, Gottesdienstraum, Turnsaal und 1955 für eine elektrische Musterküche und Haushaltsschule genutzt, und auch den Weiseler Chören diente er jahrzehntelang als Übungsraum. Bis heute finden im Rathaus neben den Gemeinderatssitzungen größere Veranstaltungen und Familienfeiern statt.
(Dr. Margit Göttert, Forschungsgruppe Weiseler Geschichte(n), Weisel, 2023)