Iltisstraße, Lansstraße, Takustraße, Takuplatz und Takufeld in Neuehrenfeld

„Chinesenviertel“, „Chinese Veedel“

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Köln
Kreis(e): Köln
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 57′ 39,11″ N: 6° 54′ 59″ O 50,96086°N: 6,91639°O
Koordinate UTM 32.353.677,57 m: 5.647.539,80 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.564.425,45 m: 5.647.692,90 m
  • Die Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Die Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Porträt von Korvettenkapitän Wilhelm Lans an einer Hauswand in der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Porträt von Korvettenkapitän Wilhelm Lans an einer Hauswand in der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Informationsschild in der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Informationsschild in der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Detailansicht des Rahmens des Porträts von Wilhelm Lans in der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Detailansicht des Rahmens des Porträts von Wilhelm Lans in der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Gerahmtes Bild der "Iltis" mit zwei Informationstafeln am Takuplatz (2022).

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  • Gerahmte Darstellung des Kanonenboots "Iltis" an einer Hauswand am Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Gerahmte Darstellung des Kanonenboots "Iltis" an einer Hauswand am Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Informationstafel unter der Darstellung des Kanonenbootes "Iltis" am Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Informationstafel unter der Darstellung des Kanonenbootes "Iltis" am Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Detailaufnahme des Rahmens der Darstellung des Kanonenboots "Iltis" am Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Kaum lesbares Schild des Ehrenfelder Geschichtpfades mit der Nummer 23 (2022).

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  • Straßenschilder der Iltisstraße und der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld(2022).

    Straßenschilder der Iltisstraße und der Lansstraße in Köln-Neuehrenfeld(2022).

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  • Straßenschild der Iltisstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Straßenschild der Iltisstraße in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Die Iltis Apotheke in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Die Iltis Apotheke in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Das "Iltis Eck" in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Das "Iltis Eck" in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Straßenschilder der Takustraße und des Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Straßenschilder der Takustraße und des Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Ein Ladenfachgeschäft am Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld mit dem Namen "TAKUTAKU" (2022).

    Ein Ladenfachgeschäft am Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld mit dem Namen "TAKUTAKU" (2022).

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  • Der Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

    Der Takuplatz in Köln-Neuehrenfeld (2022).

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  • Die "Takufeld" genannte Parkanlage in Köln-Neuehrenfeld im Frühjahr 2022.

    Die "Takufeld" genannte Parkanlage in Köln-Neuehrenfeld im Frühjahr 2022.

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Die Namen Lans und Iltis beziehen sich auf den Korvettenkapitän Wilhelm Lans (1861-1947), der das Kanonenboot Iltis im Jahr 1900 im chinesischen Meer für die deutsche kaiserliche Marine kommandierte. Die Iltis war an der Belagerung und Eroberung der „Taku“-Forts beteiligt. „Taku“ ist ein Versuch den eigentlichen chinesischen Namen der Forts in eine deutsche Schreibweise zu übertragen, wobei inzwischen häufiger die Schreibweise „Dagu“ verwendet wird.

Historischer Hintergrund
Legendenbildung um die Iltis
„Chinesenviertel“ in Köln-Ehrenfeld
Informationstafeln und Erinnerungskultur

Historischer Hintergrund
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatten europäische Kolonialmächte das Chinesische Reich gezwungen, seine Souveränität teilweise aufzugeben. Seit 1897 hatte das deutsche Kaiserreich sich eine Kolonie in dem Gebiet um die Hafenstadt Qingdao in der Bucht von Jiaozhiou (in älteren Texten meistens „Tsingtao“ und „Kiautschou“) angeeignet, welche offiziell für 99 Jahre gepachtet war.
Im Jahr 1900 sahen die in China aktiven europäischen und US-amerikanischen Kolonialmächte ihre Interessen im chinesischen Kaiserreich bedroht, da innerhalb Chinas eine Bewegung auf sich aufmerksam machte, deren Vertreter abwertend als „Boxer“ bezeichnet wurden. Diese „Boxer“-Bewegung sah sich in der Tradition verschiedener Nahkampfschulen und bezeichnete sich selbst als yihequan („in Rechtschaffenheit vereinigte Faustkämpfer“) und später als yihetuan („in Rechtschaffenheit vereinigte Milizen“, Kuß 2010, S. 49). Da sich die Bewegung auch gegen die in China aktiven Europäer und US-Amerikaner richtete, wurde aus imperialistischer Perspektive lange vom „Boxeraufstand“ gesprochen. Im Laufe des Frühjahrs 1900 näherte sich die „Boxer“-Bewegung den Städten Peking und Tianjin und zerstörte dabei unter anderem Kirchen und Eisenbahngleise. Die Kolonialmächte fühlten sich dadurch bedroht und verstärkten ihre militärische Präsenz in China. Die an der Mündung des Hai He (früher meist „Paiho“) stationierten Marineeinheiten befürchteten schließlich, dass man den Zugang und Kontakt zu Peking und dem dort stationierten Personal und den dortigen Einheiten verlieren würde.

Zunächst entsendeten die vor Ort stationierten Marineeinheiten eine Expedition unter Führung des britischen Kommandeurs Admiral Edward Seymour (1840-1929) in Richtung Peking. Am 17. Juni griff der internationale Flottenverband die Dagu-Forts an. Dies geschah unter anderem unter dem Vorwand, den Landzugang und damit den Zugang zu den Truppen im Inland zu sichern. Dieser Zugang wäre aber auch ohne Eroberung der Forts durchaus gegeben gewesen. Es erfolgte keine Kriegserklärung und die amerikanischen Marineeinheiten unter Führung des Konteradmirals Louis Kempff (1841-1920) lehnten eine Teilnahme an den Kämpfen ab, da die chinesische Regierung keine feindlichen Handlungen vorgenommen hatte. Während die Dagu-Forts nach heftigen Kämpfen erobert werden konnten, musste sich die Expedition in Richtung Peking geschlagen geben und sich zurückziehen.
Der Konflikt eskalierte weiter, als der deutsche Gesandte Clemens Freiherr von Ketteler (1853-1900) in Peking ermordet wurde. Die genauen Umstände des Mordes sind nicht bekannt, doch noch bevor in Deutschland gesicherte Informationen über den Tod von Kettelers eintrafen, forderte Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) eine militärische Intervention. In der Folge beschlossen die Kolonialmächte eine gemeinsame militärische „Strafexpedition“, an der auch Truppen des deutschen Kaiserreichs beteiligt waren. Neben Deutschland schlossen sich England, Frankreich, Russland, Italien, Österreich-Ungarn, die USA und Japan zusammen, um den sogenannten „Boxeraufstand“ niederzuschlagen und das Kaiserreich China zu zwingen sich den wirtschaftlichen und politischen Interessen der Kolonialmächte zu beugen. Eine Eroberung Chinas war nicht vorgesehen.

Der eigentliche militärische Kampf dauerte nicht lange, doch wurden danach immer wieder einzelne „Strafexpeditionen“ durchgeführt, angeblich um verbliebene „Boxer“ zu bekämpfen. Es kam zu Plünderungen, Vergewaltigungen und in einigen Extremfällen zu Massakern. (Für eine detaillierte Beschreibung des Verhaltens deutscher Truppen in China, siehe Kuß 2010, S.49-77.). Die Kampfhandlungen endeten am 7. September 1901 mit dem sogenannten „Boxerprotokoll“, in dem die Kolonialmächte China Verbrechen gegen Völkerrecht, Humanität und Zivilisation vorwarfen. China wurde gezwungen dem Deutschen Reich bis 1940 hohe Reparationszahlungen zu leisten und die Dagu-Forts wurden geschliffen.
Im deutschen Kaiserreich war der Einsatz in China nicht unumstritten. Vor allem die sogenannte „Hunnenrede“ Kaiser Wilhelm II. und die „Hunnenbriefe“ wurden in der Öffentlichkeit diskutiert. Ein prominenter Gegner des militärischen Vorgehens war der SPD-Abgeordnete August Bebel, der den Angriff auf die Dagu-Forts ohne Kriegserklärung als völkerrechtswidrig bezeichnete. Zudem machte er den Kaiser für die Verbrechen deutscher Soldaten verantwortlich, die in den „Hunnenbriefen“ bekannt geworden waren. Mehrere Zeitungen hatten Briefe von Soldaten abgedruckt, in denen die Verbrechen gegen die chinesische Bevölkerung geschildert worden waren. Dieses Verhalten war Bebels Meinung nach vom Kaiser aktiv provoziert worden. Wilhelm II. hatte sich vor dem Militäreinsatz in China mehrfach äußerst martialisch geäußert und in der „Hunnenrede“ dazu aufgefordert kein Pardon zu geben und keine Gefangenen zu machen. In einer später offiziell verbreiteten Version der Rede war die entsprechende Passage so formuliert, dass der Kaiser die deutschen Truppen gewarnt habe, dass sie vom Gegner keine Gnade zu erwarten hätten und dieser keine Gefangenen mache. (Zur Hunnenrede und Hunnenbriefen, siehe: Wielandt und Kaschner 2002 sowie Kuß 2010, S. 352 ff). Spätere Reaktionen und Kampflieder von Matrosen und Soldaten deuten darauf hin, dass die Äußerungen des Kaisers durchaus als Anstachelung verstanden worden sind (Kuß 2010, S. 212-226). Unstrittig ist, dass das deutsche Militär in China äußerst brutal vorging und sich verschiedener Kriegsverbrechen schuldig machte.
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Legendenbildung um die Iltis
Für die Öffentlichkeitsarbeit der kaiserlichen Marine erwies sich der Einsatz in China als großer Erfolg. Erstmals hatte sich ein Schiff der deutschen Marine in einem internationalen Kampfeinsatz auszeichnen können. So gab der Admiralstab selbst eine Publikation heraus, in der die Kämpfe der Iltis verklärt wurden. Es entstand eine nachhaltige Heldengeschichte um die Iltis und den Korvettenkapitän Lans, der bei den Kämpfen verletzt wurde. Lans machte bei der Marine Karriere und wurde später Admiral. Der Historiker Cord Eberspächer schreibt dazu:
„Der Einsatz des deutschen Kanonenboots S.M.S. 'Iltis' wurde in Deutschland zur Legende: Das Schiff selbst erhielt den Orden Pour le Merite. Zahlreiche Publikationen verherrlichten den Einsatz, der weit über das Kaiserreich hinaus populärer Stoff blieb, so erschien um 1942 der Heftroman 'Iltis bezwingt die Taku-Forts' (Erlebnis-Bücherei, Heft 19), in dem gleichzeitig für den Eintritt in die Kriegsmarine geworben wurde, und noch 1956 thematisierte ein Heft aus der Reihe 'SOS - Schicksale deutscher Schiffe' des Moewig-Verlags (Nr. 88) die Aktionen des Kanonenboots.“ (Eberspächer 2002, S. 127)

„Chinesenviertel“ in Köln-Neuehrenfeld
Trotz der Diskussionen, die es als unmittelbare Reaktion auf den Einsatz in China gegeben hatte, wurde der Kolonialkrieg Teil einer heroischen Erinnerungskultur, die sich unter anderem im Kölner Stadtteil Neuehrenfeld niederschlug. Dort wurden 1902 die Straßennamen Iltisstraße, Takustraße und Takuplatz und Takufeld vergeben. Das Takufeld war ein Exerzierplatz, der inzwischen Teil einer Parkanlage ist. Die Lansstraße kam 1913 beziehungsweise 1914 hinzu. Eine Plakette in der Lansstraße nennt das Jahr 1913, während Rüdiger Schünemann-Steffen den 26.11.1914 zur Datierung des Straßennamens anführt (Schünemann-Steffen 2016/17, S. 500). Da die Lansstraße eine Privatstraße ist, die zu der Ehrenfelder Arbeiter-Wohnungsgenossenschaft (später Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Ehrenfeld eG, heute Die Ehrenfelder) gehörte, könnte die Benennung auf die Initiative der Genossenschaft zurückgegangen sein und so behauptet es auch eine Plakette in der Lansstraße. Die Genossenschaft wurde 1899 gegründet, allerdings findet sich in den Protokollen der entsprechenden Genossenschaftssitzungen kein Hinweis auf die Namensgebung der Straße. Dort wird die Verbindungsstraße zwischen der Takustraße und der Iltisstraße einfach als „Projektstraße“ bezeichnet (Festschrift „100 Jahre Lansstraße“ 2014, S. 5-6). Erst ab 1920 wird in diesen Protokollen von der Lansstraße gesprochen. Dass man sich bei einem bereits bestehenden Straßenpaar namens Iltis und Taku für die Lansstraße als Ergänzung entschieden hat, muss den Akteur*innen damals naheliegend erschienen sein. Inwieweit dies aus politischer Motivation geschehen ist, kann aus den vorliegenden Quellen nicht geschlossen werden. Es ist jedoch bekannt, dass es in Köln, vor allem bei den wirtschaftlichen Eliten, durchaus große Unterstützung für eine aktive Kolonialpolitik gegeben hat (Bechhaus-Gerst, Treins 2013, S. 28-29).
Die Benennung der Straßenzüge hat schließlich dazu geführt, dass das Viertel als „Chinesenviertel“ beziehungsweise „Chinese-Veedel“ bekannt wurde. Zudem nennt sich der örtliche Karnevalsverein „Ihrefelder Chinese“ (Ehrenfelder Chinesen).
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Informationstafeln und Erinnerungskultur
Sowohl in der Lansstraße als auch am Takuplatz (genauer Standort: Haus Iltisstraße 65, Ecke Takuplatz) befinden sich verschiedene Informationstafeln zu der Namensgebung der Straßenzüge. In der Lansstraße hängt ein gerahmtes Porträt von Wilhelm Lans in Paradeuniform an einer Hauswand. Auf dem Bilderrahmen ist eine Plakette angebracht, auf der steht: „80 Jahre Lansstraße / im Chinese-Veedel / Karnevalsfreunde Ihrefelder Chinese“
Je nachdem, ob sich das Jubiläum auf die Gründung der Wohnungsgenossenschaft oder auf den Bau der Lansstraße bezieht, könnte das Bild 1979 oder aber 1993/1994 angebracht worden sein. Unter dem Rahmen befindet sich ein weiteres Messingschild. Dort heißt es:
„Warum Lansstraße? Im Jahre 1900 tobte in China der geschichtlich bekannte Boxeraufstand. ('Boxer' Mitglieder eines chinesischen Geheimbundes.) Dieser Aufstand wurde unter anderem auch mit Hilfe der Kaiserlichen Deutschen Marieneinfanterie [sic!] beendet. Im Juni 1900 sollten die Takuforts in China von ihren Besetzern befreit werden. Dazu lief das Kanonenboot 'Iltis' unter dem Kommandanten Korvettenkapitän Lans in den Peiho-Fluß aus, um die Takuforts zu beschießen und von den Belagerern zu befreien. Dieses Ereignis gab der damaligen Ehrenfelder Arbeiter-Wohnungsgenossenschaft, heute Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Ehrenfeld eG, die Gelegenheit, den Straßen der im Jahre 1913 neu erbauten Wohnhäuser, diesen geschichtlichen Namen zu geben. So entstanden die Takustraße, der Takuplatz, die Iltisstraße und die Lansstraße.“

Diese Tafel steht in der Tradition der noch zur Kaiserzeit entstandenen Erinnerungskultur. Die Verwendung von Begriffen wie „Boxeraufstand“ und die Behauptung, die Forts hätte man von „Besetzern befreit“, folgt der Argumentation, die die Kolonialmächte 1900 selbst anführten. Es wird nicht hinterfragt, warum die kaiserliche Marine und das Kaiserreich überhaupt in China tätig waren, und auch das Leid, das deutsche Soldaten der chinesischen Bevölkerung antaten, wird nicht erwähnt. Das über der Plakette angebrachte Porträt von Wilhelm Lans kann in diesem Kontext als Heldenverehrung interpretiert werden. Unklar ist, von wem genau und wann genau diese Plakette angebracht worden ist, da keine entsprechenden Angaben gemacht worden sind.
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Am Takuplatz gibt es ein ähnliches Ensemble aus Bild und Informationstafel. Auf einer Plakette am Rahmen einer Darstellung der Iltis steht: „100 Jahre Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft / Ehrenfeld E.G. / Im Chinesen-Veedel / Karnevalsfreunde 'Ihrefelder Chinese' 1971 E.V.“
Demnach müsste das Bild 1999 angebracht worden sein. Unter dem Bild der Iltis befindet sich eine Messingtafel. Dort heißt es:
„Das 'Chinese-Veedel' / Seit 1898 formierte sich in China Widerstand gegen die seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmende Besetzung Chinas durch ausländische Mächte. / Eine der Kampftruppen des Widerstandes nannte sich 'in Rechtschaffenheit vereinte Faustkämpfer', die von den Kolonialmächten abwertend 'Boxer' genannt wurden. Am 17. Juni 1900 begannen Kolonialmächte - zu denen auch das Deutsche Reich gehörte - mit dem Angriff auf die Taku-Forts unweit von Peking. Jeglicher chinesischer Widerstand sollte gebrochen werden. / Das war der Beginn eines blutigen Kolonialkrieges, der in Deutschland als 'Niederschlagung des Boxeraufstandes' in die Geschichte einging. / In Deutschland wurden die Ereignisse als ruhmreiche Kolonialgeschichte heroisiert. Daher benannte die damalige Ehrenfelder Arbeiter-Wohnungsgenossenschaft 1913 die neu entstandenen Straßenzüge nach diesem Ereignis. So bekamen die Iltisstraße, die Lansstraße, die Takustraße und der Takuplatz ihre Namen. / Im Volksmund hieß das Viertel fortan 'Chinese-Veedel' / Die Anwohner sind heute stolz auf ihr in 100 Jahren gewachsenes 'Veedel'“

Diese Tafel wurde laut der Historikerin Marianne Bechhaus-Gerst angebracht, nachdem es 2011 eine teils heftige und emotionale Diskussion um die Erinnerungskultur und die Straßennamen im „Chinese-Veedel“ gegeben hatte. Auf einer Podiumsdiskussion waren viele Anwohner*innen und Angehörige des örtlichen Karnevalsvereins anwesend, die eine Namensänderung der betroffenen Straßen befürchteten und sich dagegen aussprachen. Als Ergebnis der Podiumsdiskussion soll die oben zitierte Tafel installiert worden sein (Bechhaus-Gerst 2013, S. 240). Darauf findet keine Heroisierung deutscher Kolonialpolitik statt und die Benennung der Straßen wird in einen historischen Kontext eingeordnet, dient aber auch der Selbstdarstellung der Anwohner*innen, die ihren Stolz auf das Viertel zum Ausdruck bringen. Die Verbrechen, die deutsche Soldaten in China begangen, werden mit dem Hinweis auf einen „blutigen“ Krieg zwar angedeutet, aber nicht klar benannt. Auch bei dieser Informationstafel wird nicht explizit deutlich von wem und wann sie angebracht worden ist.
Bei beiden Tafeln unter den gerahmten Bildern wird angeführt, dass die Ehrenfelder Arbeiter-Wohnungsgenossenschaft für die Namensgebung der Straßenzüge verantwortlich gewesen sei. Im Falle der Lansstraße ist dies zwar durchaus denkbar, allerdings sprechen die oben genannten Protokolle eher dagegen. Für die nicht im Privatbesitz befindlichen Straßen Takustraße und Iltisstraße, kann man jedoch davon ausgehen, dass die Namensgebung durch die zuständige politische Vertretung erfolgt ist.
Eine weitere Tafel des Ehrenfelder Geschichtspfads neben dem Bild der Iltis, enthält keine zusätzlichen Informationen, sondern verweist nur auf die bereits genannten Tafeln (siehe Bildergalerie). Hier wird keine historische Einordnung angeboten und es wird auch keine kritische Auseinandersetzung mit den anderen Informationstafeln angeregt. Zumindest ist hier deutlich wer für das Informationsschild verantwortlich ist (ehrenfelder-geschichtspfad.de).
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In der Summe kann man an den derzeit installierten Tafeln und Bildern (Stand Frühjahr 2022) in der Lansstraße und am Takuplatz ein Nebeneinander von verschiedenen Erinnerungspraktiken beobachten. Während die gerahmten Bilder und die Tafel in der Lansstraße sich in ein koloniales Narrativ der Heldenverehrung einordnen lassen, zeigt die Messingtafel am Takuplatz einen Stand der Diskussion an, bei dem eine Verehrung der kolonialen Vergangenheit nicht mehr akzeptabel scheint, der aber gleichzeitig im Rahmen einer Kompromissfindung auch noch keine komplette Abwendung von älteren Narrativen zulässt. Damit stellt das komplette Ensemble an Erinnerungsobjekten in den beiden Straßen für sich genommen eine aussagekräftige Quelle über den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit in Köln-Neuehrenfeld seit den 1990er Jahren dar.

(Julian Weller, Abteilung Digitales Kulturerbe / Redaktion KuLaDig 2022)

Das Objekt „Iltisstraße, Lansstraße, Takustraße, Takuplatz und Takufeld in Neuehrenfeld“ in Köln war KuLaDig-Objekt des Monats im Dezember 2022.

Quellen
  • Die Ehrenfelder, Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft eG (Hrsg.), Festschrift „100 Jahre Lansstraße“, Köln 2014.
  • Freundliche Hinweise von Herrn Michael Krieger, Köln 2022 (Interview über die Situation vor Ort und Einsicht in die Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Lansstraße).

Internet
www.kopfwelten.org: Takustraße (Takuplatz, Takufeld), Iltisstraße, Lansstraße: Bausteine einer kolonialen Erinnerungskultur (Text Mechthild Leutner, PDF-Datei, 371 KB, abgerufen 25.04.2022)
www.die-ehrenfelder.de: Wohnungsgenossenschaft „Die Ehrenfelder“ (abgerufen 25.04.2022)
ehrenfelder-geschichtspfad.de: Quer durch Ehrenfeld, Der Ehrenfelder Geschichtspfad (abgerufen 25.04.2022)
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Literatur

Bechhaus-Gerst, Marianne / Horstmann, Anne-Kathrin (Hrsg.) (2013)
Koloniale Straßennamen und Erinnerungskultur. In: Köln und der deutsche Kolonialismus - Eine Spurensuche, S. 237-241. Köln, Weimar, Wien.
Bechhaus-Gerst, Marianne; Treins, Kathrin / Horstmann, Anne-Kathrin (Hrsg.) (2013)
Die Anfänge der organisierten Kolonialbewegung in Köln. In: Köln und der deutsche Kolonialimus - Eine Spurensuche, S. 27-29. Köln, Weimar, Wien.
Eberspächer, Cord / Kuß, Susanne; Martin, Bernd (Hrsg.) (2002)
Die Operationen der Kaiserlichen Marine im Yangzigebiet. In: Das Deutsche Reich und der Boxeraufstand, S. 123-144. München.
Kocvar, Jan (2015)
Germany and the Boxer Uprising in China. In: West Bohemian Historical Review V, 2015/2, S. 121-167. Pilsen.
Kuß, Susanne (2010)
Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. (Studien zur Kolonialgeschichte 3.) Berlin.
Schünemann-Steffen, Rüdiger (2016)
Kölner Straßennamen-Lexikon. Köln (3. erweiterte Auflage).
Wielandt, Ute; Kaschner, Michael / Kuß, Susanne; Martin, Bernd (Hrsg.) (2002)
Die Reichstagdebatten über den deutschen Kriegseinsatz in China: August Bebel und die "Hunnenbriefe". In: Das Deutsche Reich und der Boxeraufstand, S. 183-201. München.

Iltisstraße, Lansstraße, Takustraße, Takuplatz und Takufeld in Neuehrenfeld

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Takustraße / Lansstraße / Iltisstraße
Ort
50825 Köln - Neuehrenfeld / Nordrhein-Westfalen
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1902

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Julian Weller: „Iltisstraße, Lansstraße, Takustraße, Takuplatz und Takufeld in Neuehrenfeld”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-343559 (Abgerufen: 11. Mai 2024)
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