Bellthal Moselsprudel bei Kobern-Gondorf

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Kobern-Gondorf, Wolken
Kreis(e): Mayen-Koblenz
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 19′ 20,92″ N: 7° 28′ 39,49″ O 50,32248°N: 7,47764°O
Koordinate UTM 32.391.630,55 m: 5.575.594,50 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.605.271,61 m: 5.577.323,21 m
  • Ruine der Abfüllanlage der zwischen 1870 und 1975 betriebenen Firma "Bellthal Moselsprudel" bei Kobern-Gondorf (2021).

    Ruine der Abfüllanlage der zwischen 1870 und 1975 betriebenen Firma "Bellthal Moselsprudel" bei Kobern-Gondorf (2021).

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    Franz-Josef Knöchel
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  • Blick auf das Moseltal, Sicht aus südlicher Richtung auf den Ort Kobern-Gondorf und den Ort Dieblich auf der gegenüberliegenden Flussseite (2015).

    Blick auf das Moseltal, Sicht aus südlicher Richtung auf den Ort Kobern-Gondorf und den Ort Dieblich auf der gegenüberliegenden Flussseite (2015).

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Das Belltal bei Kobern-Gondorf hat der ehemaligen Firma „Bellthal Moselsprudel“ seinen Namen gegeben. Die früheren Betriebsgebäude liegen direkt am Zusammenfluss des Belltalbachs mit dem Langentalbach kurz vor dessen Mündung in die Mosel.

Der Belltalbach und seine Quellen
The Bellthal Brunnen Company Ltd. / Ferrobell
Bellthal Moselsprudel AG (später GmbH)
Lage und Objektgeometrie
Quelle, Internet

Der Belltalbach und seine Quellen
Der Belltalbach speist sich aus mehreren oberhalb des Belltals gelegenen Quellen, deren aus mehreren hundert Metern Tiefe kommendes Wasser einen hohen Mineralgehalt aufweist. Bereits im Jahr 1825 konnte ein Winninger Apotheker Dr. Arnoldi über eine Analyse des Quellwassers dessen heilende oder zumindest gesundheitsfördernde Wirkung, „speziell bei Unterleibsbeschwerden“, nachweisen:
„Sein kristallhelles Wasser hat durch seinen reichen Gehalt an freier und gebundener Kohlensäure einen überaus angenehmen, erfrischenden und belebenden Geschmack. Er wird ausnehmend wohl vertragen auch von Personen, die kaltes Wasser nicht gewöhnt sind, regt den Appetit an und belebt die Verdauung, indem sein reicher Gehalt an doppelkohlensaurem Natron und kohlensaurem Magnesia den Magen belebt und stärkt, … Es befördert außerdem auf eine energische und doch milde Weise die Abscheidungen der Darmschleimhaut, der Leber und der Nieren und wirkt dadurch, wie meine lange Erfahrung zeigt, als vortreffliches Heilmittel aller chronischen Unterleibsbeschwerden.“ (Zitate hier und nachfolgend nach Rudolf Schäfer, kuratorium-kobern.de, 2020)
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The Bellthal Brunnen Company Ltd. / Ferrobell
Die kommerzielle Nutzung der Bellthalquelle erfolgte ab 1870, als der Koblenzer Unternehmer D. Fleischl das kohlensäurehaltige Bellthalwasser in 500 Steingutkrüge abfüllte und verkaufte. Als sich die Produktion in den Folgejahren vervielfachte (1873 wurden bereits 1.500 Krüge abgefüllt), wurden britische Investoren aufmerksam und ließen das Mineralwasser 1877 durch den englischen Chemiker Dr. Arthur Hiel-Hassel analysieren. Aufgrund des sehr guten Analyseresultats erwarben die Investoren die Brunnenrechte von Fleischl, gründeten in London die börsennotierte Kapitalgesellschaft „Bellthal Brunnen Company Limited“ und errichteten in den Folgejahren Wohn- und Wirtschaftsgebäude unterhalb der Quellen.

Dem zum 10. Januar 1877 geschlossenen Gesellschaftsvertrag zufolge war das Grundkapital von 6.000 Pfund Sterling zunächst auf 1.200 Aktien zu je 5 Pfund Sterling geteilt. Die Generalversammlung der Gesellschaft beschloss bereits ein Jahr später zum 27. Februar 1878 eine Kapitalerhöhung auf 15.000 Pfund Sterling, nun geteilt in 3.000 Aktien à 5 Pfund Sterling (Reichsanzeiger 1881).
Als Hauptgegenstand des Unternehmens werden „Ankauf, Erhaltung und Erwerbung der Bellthal-Mineral-Brunnen“ angeführt, welche sich „nebst den dazu gehörigen Ländereien, Gebäuden und Zubehör … in den Hügeln, das Bellthal genannt, in der Nähe des Dorfes Cobern an der Mosel im Königreich Preußen“ befinden.
Als Inhaber und Repräsentanten der Firma werden die in London wohnhaften Herren Marcus Hardy Voß, Harry Cove Sothers und Thomas Malcolm Watson genannt, die zum 6. Mai 1881 den „am Bellthal-Brunnen in der Gemeinde Cobern wohnenden Kaufmann Ludwig Friedrich Migeod zum kontinentalen Direktor der Gesellschaft“ ernannten und diesen zugleich mit den Vertretungs- und Zeichnungsrechten für das „Continental Management of the Bellthal Brunnen Company Limited“ bevollmächtigten.

Die 1877 bereits 150.000 Flaschen betragende Jahresproduktion konnte bis zur Jahrhundertwende auf 500.000 Flaschen und 10.000 Krüge gesteigert werden. Da die Nachfrage stetig anstieg, wurden weitere Quellbrunnen bis zu einer Tiefe von 30 Metern gebohrt. Eine der neuen Quellen erbrachte sogar „ein wesentlich stärker kohlensäurehaltiges Wasser mit einem Ausstoß von 216.000 Liter am Tag.“
Der beim kaiserlichen Patentamt in Berlin geschützte Markenname des Wassers lautete „Ferrobell“ - wohl auch mit Bezug zum englischen Wort bell (= Glocke) zeigten die Flaschenetiketten als Markenlogo eine schwingende Glocke. Für die Koberner Bevölkerung war das Wasser aus dem „Sauerbrunnen“ (so der Name der Mineralquellen im Volksmund) im Abfüllwerk kostenlos verfügbar, etwa als Getränk für die Arbeit in den benachbarten Weinbergen (Schäfer 2020).
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Bellthal Moselsprudel AG (später GmbH)
Anfang des 20. Jahrhunderts erwarb das am 2. Juli 1906 offenbar zu diesem Zweck neu gegründete Unternehmen „Bellthal Moselsprudel Aktiengesellschaft Traben-Trabach a.d. Mosel“ des Wiesbadener Sektfabrikanten Franz Kupferberg (1850-1909) und der beiden Traben-Trarbacher Weingroßhändler Julius Kayser (1869-1932) und Oscar Haussmann den Koberner Belltal-Brunnen und investierte Kapital in Höhe von 350.000 Mark. Mit dem frischen Geld wurde neben dem Verkauf in Deutschland auch der Export nach Großbritannien, Frankreich, Ungarn, Österreich und sogar in die USA angekurbelt. Der Transport des Wassers erfolgte in der Regel über die unmittelbar neben dem Betrieb verlaufende Moselstrecke der Bahn. Im Jahr 1912 entstanden neue Büro-, Produktions- und Lagergebäude durch eine Koberner Baufirma Reck sowie eine Betriebswohnung weiter oberhalb im Bellthal bei der Villa Waldfrieden.
Die heute ruinöse Villa wurde später (wohl nach 1952) von einem früheren Aktionär der AG namens vom Rath als Betriebsleiter bezogen. Neben der Villa befanden sich zwei heute noch sichtbare Becken, „in denen das Mineralwasser 48 Stunden stehen musste, damit das im Sprudelwasser befindliche rötliche Eisen sich am Boden ablagerte. Die beiden Wohnhäuser hatten keinen öffentlichen Wasseranschluss. Sie musste als Trinkwasser das Mineralwasser benutzen. Für das Waschen von Wäsche war das aber nicht geeignet. Zum Waschen holte man das Wasser aus dem Bellthalbach.“

Als die Aktie der Bellthal Moselsprudel AG nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Wert nahezu ganz verloren hatte, erfolgte 1952 die Übernahme durch zwei Koblenzer Unternehmer, den Besitzer einer Sektkellerei, Sartor, und den Mitbesitzer der Königsbacher Brauerei, Knödgen. Diese wandelten das Unternehmen in eine GmbH um und intensivierten nochmals die Mineralwasser-Produktion.
„In der Zeit von 1952 bis 1974 wurden jährlich rund 2.000.000 Flaschen Sprudel und Limonade verkauft, die immer noch in Handarbeit abgefüllt wurden. Um im Wettbewerb mit anderen Mineralwasserquellen bestehen zu können, wäre eine Modernisierung von Produktion und Vertrieb unumgänglich geworden. Da sich die beiden Inhaber jedoch nicht auf die dringend notwendigen Investitionen einigen konnten, wurde der Bellthal Moselsprudel 1975 geschlossen und die zehn Mitarbeiter und zwölf Mitarbeiterinnen verloren ihre Arbeitsstelle.“

Nach der Firmenschließung verfielen die Villa Waldfrieden und die ehemaligen Betriebs- und Außenanlagen zunächst. Sie wurden um 2007 zeitweise von einem „Waldmenschen“ bewohnt - einem in Kobern gestrandeten US-amerikanischen Studenten aus der New Yorker Bronx, der hier recht anspruchslos lebte und einen kleinen Anbau von Hanf- und Cannabispflanzen „für den Eigenbedarf“ unterhielt, bevor die Polizei das Gelände wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz räumte.
Um 2014 wurde das Areal privat erworben und wird seitdem saniert.
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Lage und Objektgeometrie
Die hier verzeichnete Geometrie zeigt im Süden die einstige Abfüllstation und rund 500 Meter nördlich davon den früheren Betriebs- und Wohnbereich am Haus Waldfrieden nach der aktuellen Amtlichen Liegenschaftskarte ALK Rheinland-Pfalz. Ferner sind die in der aktuellen ATKIS-/onmaps-Karte Deutschland ausgewiesenen Mineralquellen am Belltalbach mit drei Punktsignaturen verzeichnet.

(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2021)

Quelle
Deutscher Reichsanzeiger, Königliches Amtsgericht Coblenz, Abtheilung II vom 15. Juli 1881 (hier zitiert nach dem Digitalisat unter digi.bib.uni-mannheim.de, abgerufen 02.11.2021).

Internet
kuratorium-kobern.de: Bellthal Moselsprudel in Kobern-Gondorf (Rudolf Schäfer, Kuratorium für Heimatforschung und -pflege Kobern-Gondorf, 5/2020, mit umfassender Bildergalerie; abgerufen 03.11.2021)
www.rhein-zeitung.de: Kobern-Gondorf, Zur Historie der Fabrik „Bellthal Moselsprudel“ (Text Stefanie Braun, 18.08.2020, abgerufen 11.01.2023)

Bellthal Moselsprudel bei Kobern-Gondorf

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Belltal 3
Ort
56330 Kobern-Gondorf
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Geländebegehung/-kartierung, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1870, Ende 1975

Empfohlene Zitierweise

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„Bellthal Moselsprudel bei Kobern-Gondorf”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-343136 (Abgerufen: 19. April 2024)
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