Im Jahre 1897 wurde in Laubenheim an der Nahe eine Bogenbrücke in Monier-Bauweise fertiggestellt. Diese Brücke gehört zu den wenigen noch heute erhaltenen Bogenbrücken aus Eisenbeton. Die Brücke ermöglicht von der Ortsgemeinde aus den Zugang zum Nahe-Ufer und zum Bahnhof. Der Bahnhaltepunkt „Laubenheim“ befindet sich auf halber Strecke zwischen Bingen und Bad Kreuznach.
Beschreibung An der Ostseite der Ortsgemeinde Laubenheim und parallel zur Nahe, verläuft die Bahnstrecke von Bingen nach Bad Kreuznach. Von der Bundesstraße B48 aus führt die Naheweinstraße zur Bogenbrücke. Diese stellt den einzigen Übergang von der Ortsgemeinde aus über die Gleise dar und ermöglicht den Zugang zur Uferzone vom Ort aus.
Die Bogenbrücke erstreckt sich über eine Länge von 17,35 Metern und eine Breite von 2,27 Metern über die Bahnstrecke. Die Brücke hat eine Höhe von 5,45 Metern. Eine Besonderheit dieser Brücke ist, dass der Brückenbogen auf der am Ufer gelegenen Seite in einen zweiten Seitenbogen übergeht. Dieser springt im 90-Gradwinkel vom Hauptbogen ausgehend nach rechts und gleicht den Höhenunterschied zur Gleisebene somit aus. Der seitliche Brückenbogen hat eine Länge von 12 Metern und eine Höhe von 3,30 Metern. Die Seiten der filigranen Brücke werden von einem Metallgeländer umsäumt.
Entwicklung der Monierbrücke Die Geschichte dieser Brücke wirft ihren Schatten in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gleichermaßen spannt sie dabei einen Bogen von Frankreich nach Deutschland. Bis der französische Gärtner, Erfinder und Unternehmer Joseph Monier (1823-1906) zu einem Patent für Eisenbeton kam, sollten einige Jahre vergehen. Seine frühen Versuche bestanden zunächst darin, Pflanzenkästen stabiler zu gestalten. Dafür arbeitete er Drahtgewebe in Zement ein. Im Jahr 1873 meldete Monier ein Patent auf eine Bauweise an, die den Bau von Brücken in Eisenbeton ermöglichte (Steinbock 2016, S. 265).
Brücken nach Monier in Deutschland Es dauerte nicht lange, bis man auch in Deutschland auf diese neue Bauweise aufmerksam wurde. Zwei Namen sind hier maßgebend: Conrad Freytag (1846-1921) und Gustav Adolf Wayss (1851-1917). Beide gehören zu den Pionieren des Eisenbetons, seiner Verbreitung und seiner Erforschung. So unternahmen sie Studienreisen und erwarben sich die nötigen Genehmigungen, um diese Technik anwenden zu können. Eine Herausforderung bestand darin, die von Monier erdachte Vorgehensweise zu prüfen. Dafür wurden verschiedene wissenschaftliche Test- und Anwendungsreihen vorgenommen, unter anderem ein Belastungstest, um die Tragfähigkeit sicherzustellen (siehe Abbildung in der Mediengalerie). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen veröffentlichte Wayss im Jahre 1887.
Die Vorzüge dieser Konstruktion lagen nun klar auf der Hand: „Alle Vorzüge, welche das Moniergewölbe vor anderen Gewölbekonstructionen besitzt, seine Leichtigkeit, sein Auskommen mit schwächeren Widerlagern, die Schnelligkeit und Einfachheit der Ausführungen auch in schiefer oder gebogener Richtung und seine Billigkeit weisen demnach ganz besonders darauf hin, die Cement-Eisen-Constructionen überall bei solchen Spannweiten anzuwenden, welche sonst nur noch mit mächtigen Eisenconstructionen überbrückt werden könnten“ (Berlin 1891, S.12).
In den kommenden Jahren entstanden immer mehr Brücken und Übergänge als Wölbekonstruktion nach Monier: Im Jahre 1886 wurde eine Teichbrücke von 7,50 Metern Länge in Düren erbaut. Im Jahre 1890 eine Eisenbahnbrücke von 12,80 Metern Länge in Neustadt an der Haardt (heute Neustadt an der Weinstraße). Weitere Brücken wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert in Oldenburg, Magdeburg, Bremen, in der Schweiz, in Österreich und Budapest realisiert. Die international agierende Firma Wayss & Freytag Ingenieurbau schrieb im Jahre 2015 ihre 140-jährige Firmengeschichte.
Baugeschichte der Monierbrücke in Laubenheim Der Abschnitt der Bahnstrecke zwischen Bingen und Bad Kreuznach war im ausgehenden 19. Jahrhundert Teil der Linie von Bingerbrück nach Neunkirchen. Sie wurde zwar privat finanziert, wegen des staatlichen Zuschusses bzw. der Zinsgarantie aber wurde der Betrieb von Anfang an durch die staatliche Saarbrücker Eisenbahn durchgeführt. Die Strecke wurde am 15. Juli des Jahres 1858 eröffnet. Die Teilstrecken setzen sich folgendermaßen zusammen: Bingerbrück - Kreuznach (15,1 Kilometer); Kreuznach - Oberstein (53,2 Kilometer); Oberstein - Neunkirchen (52,7 Kilometer).
Warum die Bogenbrücke in Laubenheim erst 30 Jahre nach dem Gleisbauprojekt im Ort realisiert wurde, kann hier nur vermutet werden. In den Übergangsjahren vom späten 19. Jahrhundert ins frühe 20. Jahrhundert (Industrialisierung) kam es auch in Laubenheim zu wirtschafts- und gesellschaftshistorischen Veränderungen. War der Haupterwerb die Landwirtschaft, Laubenheim damit gleichzeitig Wohn- und Arbeitsort, so entwickelten sich zunehmend Wohnort und Arbeitsort auseinander. Über die klassische Metapher der Eisenbahn als ‚Motor der Industrialisierung' hinaus, mussten die Menschen nun nicht mehr zwangsläufig dort arbeiten, wo sie lebten und nicht mehr dort leben, wo sie arbeiteten.
Die historische Schwarzweißfotografie der Monierbrücke (siehe Abbildung in der Mediengalerie) zeigt links unten einen Mann, der als Einziger einen Anzug trägt. Ob es sich bei dieser Person um Wayss oder Freytag handelt, kann nicht genau gesagt werden. Freytag käme hier in Frage, da sich sein Geschäftshaus in Neustadt an der Weinstraße nur 90 Kilometer entfernt von Laubenheim befand. Dieses Haus in der Talstraße existiert noch heute (vgl. Ramm 2012, S. 340). Außerdem war Freytag dafür bekannt, dass er nicht nur neue Aufträge akquirierte, sondern auch die Baustellen persönlich überwachte (vgl. Ramm 2012, S.340).
Durch den engagierten Einsatz der Bewohner in Laubenheim wurde mit dem Antrag auf Denkmalschutz vom 15.04.2021 bei der ‚Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz' der Prozess der Begutachtung eingeleitet. Die Brücke wurde als schützenswertes Kulturdenkmal eingestuft. Ganz im Sinne von Freytags Motto: „Nicht nachlassen zwingt!“
(Alexander Tibo-Gnosa, Universität Koblenz-Landau / freundliche Hinweise von Herrn Rolf Swoboda und Herrn Oliver Steinbock, 2021)
Internet dged.de: Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (abgerufen 28.10.21) www.deutsche-biographie.de: Monier, Joseph (abgerufen 28.10.21) www.deutsche-biografie.de: Freytag, Conrad (abgerufen 28.10.21) www.wirtschaftsgeschichte-rlp.de: Geschichte der Industrialisierung in Rheinhessen und im Rheingau, von Stefan Grathoff (abgerufen 28.10.21) www.wf-ib.de: Wayss & Freytag Ingenieurbau AG (Historie) (abgerufen 28.10.21) issuu.com: Über die Anfänge des Eisenbetonbaus in Deutschland und die Pioniere der ersten Jahre (Wieland Ramm) (abgerufen 28.10.21)
Actien-Gesellschaft für Monier-Bauten. Vorm. G.A. Wayss & Co. (Hrsg.) (1891)
Die Monier-Bauweise, D.R.-Pat.. Eisengerippe mit Cement-Umhüllung; Abteilung: Brücken, Durchlässe und Tunnel. Berlin. Online verfügbar: https://digital.slub-dresden.de
Ramm, Wieland (2012)
Über die Anfänge des Eisenbetonbaus in Deutschland und die Pioniere der ersten Jahre. In: Beton- und Stahlbetonbau, Heft 5., S. 335-356. Berlin.
Steinbock, Oliver (o.J.)
Brücken bauen mit Eisenbeton. Gedanken zum denkmalgerechten Umgang. In: Tagungsband 26. Dresdner Brückenbausymposium, Dresden.
Das System Monier. (Eisengerippe mit Cementumhüllung) ; in seiner Anwendung auf das gesammte Bauwesen. o. O. Online verfügbar: https://diglib.tugraz.at
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