Dormagen bildete im 19. Jahrhundert gemeinsam mit Zons eine Synagogengemeinde. Seit 1912 existierte ein Betraum in einem heute noch bestehenden Privathaus, das im Frühjahr 1938 von seinen jüdischen Eigentümern verkauft werden musste.
Die jüdische Gemeinde Dormagen seit dem frühen 19. Jahrhundert Dormagen bildete im 19. Jahrhundert gemeinsam mit Zons eine Synagogengemeinde; seit 1858 Spezialgemeinde Zons-Dormagen im Synagogenbezirk Neuss; 1932 Synagogengemeinde Dormagen. Gemeindegröße um 1815: 24 (1835) / 24 (1806), um 1880: 47 (1885), 1932: 42, 2006: - (Reuter 2007). „Zu Beginn der NS-Zeit“: 34 (www.jüdische-gemeinden.de).
Die Dormagener jüdischen Familien wohnten überwiegend im Bereich der Kölner Straße, Marktstraße und Krefelder Straße. Bereits in den 1920er-Jahren soll es in der zahlenmäßig kleinen Gemeinde schwierig gewesen sein, die erforderliche Anzahl von zehn religionsmündigen Männern (Minjan) für den jüdischen Gottesdienst aufzubringen (rp-online.de 2004). Ab Mitte der 1930er-Jahre zogen viele Dormagener Juden in umliegende Städte wie Düsseldorf oder Köln um, einige emigrierten ins Ausland. Nach der so genannten „Entjudung“ ihres Grundbesitzes wurden im Jahr 1941 die noch in Dormagen verbliebenen Juden aus ihren Häusern ausgewiesen und im Spätherbst des Jahres ins Ghetto Riga (Lettland) bzw. in das Konzentrationslager Theresienstadt im heutigen Tschechien deportiert (nach www.jüdische-gemeinden.de; hingegen nennt de.wikipedia.org 1940 als Jahr der Deportationen). „Im Mai 1942 meldete der Amtsbürgermeister in einem Schreiben an den Landrat: ‚... Es wird Fehlanzeige erstattet, da im hiesigen Bezirk keine Juden mehr wohnhaft sind'. Von den ca. 35 jüdischen Innenstadt-Bewohnern gelang acht die Flucht ins Ausland, 23 fanden einen gewaltsamen Tod in Ghettos in Polen und in Auschwitz; nur zwei sollen überlebt haben.“ (www.jüdische-gemeinden.de)
Bethaus / Synagoge Zunächst besuchte man die Synagoge in Zons. Seit 1912 existierte ein Betraum in einem Privathaus, das im Frühjahr 1938 von seinen jüdischen Eigentümern verkauft werden musste. Das Gebäude existiert noch (Reuter 2007). Die Einrichtung eines eigenen Betraums soll darauf zurückgehen, dass sich das jüdische Leben nach der Reichsgründung 1871 von Zons aus in das verkehrsgünstiger gelegene Dormagen verschoben hatte (rp-online.de 2004). Unter www.jüdische-gemeinden.de wird berichtet, dass bereits seit ca. 1760 eine Dormagener Synagoge bestanden habe, die örtlichen Juden jedoch die 1828 eingeweihte Synagoge der zahlenmäßig größeren jüdischen Gemeinschaft in Zons besuchten: „Seit 1912 gab es im Dachgeschoss eines Privathauses in der Kölner Straße in Dormagen einen Betraum.“
Baubeschreibung Das Gebäude in der Kölner Straße 127, unter dessen Dach sich einst der jüdische Betraum befand, wurde im Jahr 1912 nach Plänen des zwischen 1908 und 1927 in Köln tätigen Architekturbüros Helbig & Klöckner erbaut (deu.archinform.net). Es diente als Geschäfts- und zugleich Wohnhaus des wohlhabenden jüdischen Viehgroßhändlers Josef Gottschalk und seiner Familie. Für die Errichtung wurde ein Vorgängerbau bis auf die rückwärtig gelegene Scheune abgerissen. Das zweigeschossige und fünfachsige Gebäude verfügt über eine Werksteinfassade und ein hoch aufragendes Mansarddach. In dem im Dachgeschoß eingerichteten Synagogenraum fanden 17 Männer Platz. „Für die Frauen gab es eine baulich abgetrennte, durch zwei Stufen leicht erhöhte separate Empore, von der jedoch nichts mehr erhalten ist. Lediglich der Raum als solcher sowie der dorthin führende Dachgeschossflur sind auch nach Umbauten im Jahre 1984 ablesbar geblieben.“ (rp-online.de 2004)
Schändung während des Novemberpogroms 1938 und Besitzerwechsel Die ersten Pogrome gegen Juden während der NS-Zeit datieren in Dormagen bereits auf das Jahr 1933 (de.wikipedia.org). Bei den Novemberpogromen von 1938 wurden auf „höhere Anweisung“ Gewalttätigkeiten gegen Wohnungen bzw. Geschäftshäuser von Dormagener Juden begangen und einzelne jüdische Männer vorübergehend im Rathauskeller inhaftiert (www.jüdische-gemeinden.de). Wie üblich wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 auch die jüdische Betstube geschändet - unklar bleibt jedoch, ob sich das Haus mit der Betstube zu diesem Zeitpunkt noch in jüdischem Besitz befand.
Nachdem das Haus zuvor über mehr als 25 Jahre „der Kristallisationspunkt des jüdischen Lebens in Dormagen“ gewesen war, wechselte es 1938 den Eigentümer, „nachdem Gottschalks Sohn Karl im März nach New York ausgewandert war und seine Frau Grete ihren Wohnsitz nach Dortmund verlagert hatte.“ (rp-online.de 2004, ein genauerer Zeitpunkt wird nicht genannt). Wie während der NS-Zeit üblich, erfolgte der Besitzerwechsel jedoch keineswegs freiwillig (Reuter 2007), sondern zu einem Zeitpunkt, als der Druck auf jüdische Gewerbetreibende im Zuge der beginnenden „Arisierung“ bereits deutlich verstärkt worden war.
Baudenkmal und Gedenken Das Wohnhaus Kölner Str. 127 wurde zum 4. Januar 1994 als Baudenkmal in die Dormagener Denkmalliste eingetragen (dormagen.de, Nr. 4.82; LVR-ADR Nr. 34841). Der Eintragungstext lautet: „1912, zweigeschossiges, fünfachsiges Wohnhaus, die Straßenfront ganz in Werkstein gefasst. Ehemaliges jüdisches Wohn- und Geschäftshaus mit Betstube.“
Der kleine Fußweg neben dem Gebäude wurde später „Am Jüdischen Bethaus“ benannt. Zwischen 2005 und 2011 wurden in Dormagen 39 so genannte „Stolpersteine“ zur Erinnerung an die Opfer der Judenvernichtung und der politischen Verfolgung im Nationalsozialismus verlegt. Im Jahr 2013 wurde am historischen Rathaus eine stählerne Gedenkstele für die Dormagener NS-Opfer errichtet. Auf einer Tafel darauf sind deren Namen und Wohnorte sowie die Standorte der Stolpersteine verzeichnet.
Zur Geschichte der jüdischen Mitbürger und der Synagogengemeinde Zons-Dormagen. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Dormagen 1985, (Historische Schriftenreihe der Stadt Dormagen 5.) S. 10-59. o. O.
Pracht-Jörns, Elfi (2000)
Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland 34.2.) Köln.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 34, Bonn.
Schulte, Klaus H. S. (1972)
Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17. Jahrhundert. (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das alte Erzbistum Köln 12.) Düsseldorf.
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