Informationstafeln zur Bockerter Heide in Viersen

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Viersen
Kreis(e): Viersen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 13′ 14,72″ N: 6° 22′ 22,64″ O 51,22076°N: 6,37296°O
Koordinate UTM 32.316.551,26 m: 5.677.653,82 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.526.099,71 m: 5.676.271,51 m
  • Informationstafeln zur Bockerter Heide (2021)

    Informationstafeln zur Bockerter Heide (2021)

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Neben dem Gasthaus zum Waldfrieden stehen insgesamt drei Informationstafeln, die die Kulturlandschaftsgeschichte der Bockerter Heide darstellen. Darin werden Erläuterungen zu den Themen Waldweide, Flachsrösten, Landwehr, Waldkampen und historischen Nutzungssystemen gegeben.

Nach der Besiedlung der niedrigen Höhen in der merowingischen Kolonisierungsphase setzten in der karolingischen Zeit (9. Jh.) die Rodungen der höher liegenden Wälder, der Bruchwälder und der Sumpfflächen ein. Während der Ausbauzeit des 9.-12. Jahrhunderts entstanden im Bereich von Viersen Einzelhöfe.

In den spätmittelalterlichen Quellen werden bereits viele Einzelhöfe erwähnt. So wurden die benachbarten Ortschaften Bockert nach dem Hof „Buchot“ (1250) und „Bocholt“ (1388), Hoser nach dem Hof „Holthusen“ (1381) und Beberich nach dem Hof „Beekebrucke“ (1250) genannt. Daraus läßt sich bereits eine dichte Besiedlung um 1400 ableiten. Nach dem Bannbuch war die Zahl der Höfe in Viersen um 1400, abgesehen von geringfügigen Veränderungen, gleich wie um 1800. In diesem Zeitraum gab es kaum Kultivierungen. Aus den Meetbüchern gehen bis 1800 etwa 850 Haus- und Hofbesitzer hervor. Der Unterschied zwischen 300 nachweisbaren Höfen um 1400 und 850 Haus- und Hofbesitzern um 1800 kann mit 100 nicht erwähnten Höfen, einem langsamen Bevölkerungszuwachs und Hofteilungen erklärt werden. Mit den Hofteilungen setzte auch eine intensivere Landnutzung ein, die auch das Areal der Bockerter Heide betraf.

Besonders zwischen der inneren und äußeren Viersener Landwehr hat es im 15., 16. und 17. Jahrhundert Wüstungserscheinungen gegeben. Dort entwickelte sich ein Gürtel „unbezimmerten Landes“ mit Ausnahme von Bötzlöhe und den Nover- und Tempelshöfen. Im Spätmittelalter bestand die Bockerter Heide ausschließlich aus Busch- und Waldland. Die von Norrenberg beschriebenen Wälle, Hecken, Wege und gemeinen Flächen hängen mit dem vorherrschenden lokalen Verwaltungs- und Rechtssystem zusammen. Im Gegensatz zum benachbarten Jülicher Raum gab es in Viersen keine Honschaften, sondern Vrogen, die erst 1408 in den Quellen auftauchen. Eine Honschaft - oder in Viersen Vroge - war ein „genossenschaftlich“ organisierter Verbund, der einen Hofverband oder mehrere Orts- bzw. Bauernschaften mit dem dazugehörigen Land, aber kein herrschaftliches Land umfasste. Die Grenzen wurden erst bei Kultivierungen und Interessenkonflikten festgelegt. 1706 wurden im Rahmen einer Steuerreform das steuerpflichtige Land, die Häuser und Höfe sowie die Landnutzung der acht Viersener Vrogen in Meetbüchern erfaßt.

Die Bockerter Heide gehörte zu den Vrogen Hoser-Bockert, Beberich und Ummer. Sie blieben bis zu ihrer Aufhebung um etwa 1800 bestehen. Die Vrogenerben verfügten über Nutzungsrechte an der gemeinen Allmende („Busch“, „Bende“ und „gemeint“). Diese Flächen wurden unter Aufsicht des Stiftes St. Gereon als Wald- oder Holzgraf (1408 erwähnt) von der Vroge verwaltet. Eine Vroge (Honschaft) war ein „genossenschaftlich“ organisierter Verbund, der einen Hofverband oder mehrere Orts- bzw. Bauernschaften mit dem dazugehörigen Land, aber kein herrschaftliches Land umfasste. Die Grenzen wurden erst bei Kultivierungen und Interessenkonflikten festgelegt. Die Bockerter Heide gehörte zu den Vrogen Hoser-Bockert, Beberich und Ummer. Sie wurden 1408 erstmals genannt und blieben bis zu ihrer Aufhebung um ca. 1800 bestehen.

Die Allmenden umfaßten das gesamte nicht ackerbaulich genutzte Land, also Wälder, Heiden, Moore und Brüche. Die meisten Allmenden wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgelöst. Es gab auch frühe Teilungen, wie die Teilung des Neuwerker Gemeindewaldes im benachbarten Mönchengladbacher Gebiet von 1243. Dort blieb nach der Teilung die Nutzung unverändert. Der Historiker K.L. Mackes geht trotz des Fehlens von schriftlichen Belegen auch für die Bockerter Heide von einer frühen Teilung um ca. 1250 aus. Eine Teilung vor 1600 wird durch das Bann- und Meetbuch bestätigt. Außerdem deutet die Form und Struktur der Parzellierung von 1812 ebenfalls deutlich darauf hin. Im Arbeitsgebiet bestand die geteilte Allmende 1812 aus etwa 120 ha Wald und 30 ha Heide.

Neben dem Recht auf gemeinschaftliche Viehmästung im Wald hatte jeder Vrogenerbe ein Anrecht auf eine Holzgewalt, also ein festgelegtes Los im Wald oder im Bruch. Es handelte sich dabei lediglich um ein Nutzungsrecht. Besitzer war die Vroge. Diese Waldlose waren ursprünglich für alle Vrogenerben gleich groß und betrugen in Viersen 2,25 kleine Morgen (= 0,67 ha) im Bruch und 6,25 kleine Morgen (= 1,85 ha) im Busch. Diese Holzgewalt wandelte sich im Laufe der Zeit in einen Maßwert. Die Waldgemeinschaft wurde in einem Akkord von 1705 mit den beschriebenen Gerechtigkeiten aufgegeben. Diese Ausführungen treffen nur zu, wenn nach der wahrscheinlich frühen Teilung die Waldgemeinschaft beibehalten worden ist. Da keine Rodung erfolgte, müsste dies der Fall gewesen sein.

Die rechtlichen Bestimmungen der Nutzungsrechte für die gemeinen Flächen führten zur Notwendigkeit der Kennzeichnung durch Hecken und Zäune. Nach den Rechtsvorschriften um 1600 aus den beim Viersener Schöffengericht geführten Bannbüchern lassen sich ältere Rechte zum Hof- und Hausbau sowie der genossenschaftlichen Nutzung der Gemarkung erkennen. Das Bannbuch unterscheidet wie das Meetbuch zwischen Haus und Hof und dokumentiert deren Grenzen auf dem Kamp oder in der Dorfanlage.

Kriege, Plünderungen und Pestepidemien haben im 17. und 18. Jahrhundert zu befristeten und auch permanenten Hofwüstungen geführt. So verließen viele Viersener Bewohner 1645 ihre Heimat. 1794 wurde auch Viersen von den Franzosen besetzt und das alte Rechts- und Lehnssystem durch den Code Civil und die Kommunalverfassung ersetzt. Im Urkataster war Alt-Viersen eine Mairie, die in Sektionen unterteilt war. Die Sektionsgrenzen korrespondierten nicht mit den alten Vrogengrenzen.

Nach dem Bannbuch gibt das Meetbuch für den Zeitraum 1706 - 1819 über die Höfe und Häuser mit ihrem Land und deren Umfang sowie ihrer ungefähren Lage, über Landnutzung, Hofteilungen und Nachsiedler Auskunft. So werden für die Vroge Hoser-Bockert 164 Höfe und Häuser, und für Beberich 183 aufgelistet. Die Landnutzung wird unterschieden in: Landt = Ackerland, Pesch = kleine separate Nutzwäldchen, Bosch = Wald, Bruck = Bruch, Heij = Heide, Gemeint = Wegrand, Heggen = Hecken und Landtwehr = Landwehr.

Aufgrund der Bearbeitung der ungedruckten und gedruckten Quellen wurde es sogar möglich, die Kulturlandschaft am Anfang des 17. Jahrhunderts darzustellen.

Die Kulturlandschaftsentwicklung nach 1812 wurde vor allem durch Rodungen und Kultivierungen geprägt, wodurch der Wald- und Heideanteil bis 1980 ständig sank. Die Entwicklung im 20. Jahrhundert wies im Vergleich zu vorherigen Epochen eine weitaus größere Dynamik auf. Durch eine intensive moderne Agrarnutzung, die Flurbereinigung, Siedlungsverdichtung und -erweiterung, Industrialisierung, infrastrukturelle Maßnahmen und Straßenbau wurde die Kulturlandschaft erheblich umgestaltet.

(Ute Schumacher und Klaus-Dieter Kleefeld, LVR-Redaktion KuLaDig, 2021)

Quellen
  • Meetbuch V. Hoser und Bockerter Vroge 1706 1748. Meetbuch VI. Bebericher Vroge 1706 1747. Erstellt 1706 vom „verijdten Landmeeter“ MICHAEL SUIJCKERS, 1747/48 copieert von MICH. JOH. LAMBERTS „Schepen des gerichts viersen“ (Stadtarchiv Viersen).
  • Plan cadastrale de la commune de Viersen. K8: Section G de Butzlohn (1812), K9: Section H de Bocketerbusch (1812), K10: Section I de Bockert (1812) und Verzeichnis der Güterbesitzer, der Grundgüter und ihres Flächen Inhalts vom 27.11.1812. Die Sektionen G: Butzlohn, H: Bocketerbusch und I: Bockert. Karten der Sektionen G, H, und I von 1812 (Stadtarchiv Viersen).
  • Peter Burggraaff und Klaus-Dieter Kleefeld: Historisch-geographisches Gutachten zur Ausweisung des NSG „Bockerter Heide“ (LP, Nr. 7) aufgrund landeskundlicher bzw. naturhistorischer Gründe, Bonn 1993. Vgl. auch Landschaftsplan Nr. 7 „Bockerter Heide“ , Bd. 1, Teil A (textliche Darstellungen und Festsetzungen gem. §§ 18 - 24 Landschaftsgesetz NW), bes. S. 46 - 62, Teil B (textliche Darstellungen und Festsetzungen gem. §§ 25 u. 26 Landschaftsgesetz NW), bes. S. 364 - 390, Viesen 1993.

Literatur

Burggraaff, Peter (1997)
Verankerte Kulturlandschaftspflege im Naturschutzgebiet „Bockerter Heide“ (Stadt Viersen, NRW). In: Schenk, Windfried; Fehn, Klaus u. Denecke, Dietrich (Hrsg.): Kulturlandschaftspflege: Beiträge der Geographie zur räumlichen Planung, S. 175-183. Stuttgart u. Berlin.
Burggraaff, Peter; Kleefeld, Klaus-Dieter (1994)
Denkmalpflege und Naturschutz am Beispiel der „Bockerter Heide“ (Viersen, Kreis Viersen). In: Archäologie im Rheinland 1993, S. 201-204. Köln u. Bonn.
Burggraaff, Peter; Kleefeld, Klaus-Dieter (1993)
Kulturhistorische Ausweisung und Maßnahmenkatalog des NSG „Bockerter Heide“ (Stadt Viersen). In: Kulturlandschaft. Zeitschrift für Angewandte Historische Geographie 3, S. 28-§4. Bonn.
Burggraaff, Peter; Kleefeld, Klaus-Dieter (1993)
Die Bockerter Heide. Eine wertvolle historische Kulturlandschaft. In: Heimatjahrbuch des Kreises Viersen 34, S. 229-249. Viersen.
Donner, Franz Josef; Mackes, Karl L.; Nabrings, Arie / Stadtarchiv Viersen (Hrsg.) (1990)
Viersener Urkundenbuch - Quellen und Regesten zur Geschichte von Viersen, Dülken, Süchteln und Boisheim (1080-1500). Viersen.
Mackes, Karl L. (1980)
Viersen. (Rheinischer Städteatlas, Lieferung VI, Nr. 34.) Köln.
Mackes, Karl L. (1956)
Aus der Vor-, Früh- und Siedlungsgeschichte der Stadt Viersen. Viersen.
Norrenberg, Peter (1886)
Aus dem Viersener Bannbuch. (Beiträge zur Localgeschichte des Niederrheins 6.) Viersen.

Informationstafeln zur Bockerter Heide in Viersen

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Rasselner Weg
Ort
41748 Viersen
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Geländebegehung/-kartierung, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 2000 bis 2010

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„Informationstafeln zur Bockerter Heide in Viersen”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-341985 (Abgerufen: 25. April 2024)
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