Das Gebäude wurde gemäß Angabe am Eckständer im Jahre 1619 errichtet. Die Raumaufteilung im Innern des Eckhauses ist bis heute unverändert.
Wohnen und Arbeiten
Wohnen und Arbeiten bildeten bis ins 20. Jahrhundert hinein einen engen Lebenszusammenhang. Wie das Eckhaus in der Christophorusstraße 9 in Sankt Aldegund beispielhaft verdeutlicht, stapelt sich vom Keller bis zum Speicher „alles unter einem Dach“. Hier lebten Großeltern, Eltern und Kinder in einem gemeinsamen Haushalt. Diese Großfamilien waren Selbstversorger. Sie bauten außer den Weinreben auch Getreide und Gemüse an, später auch Kartoffeln, ernteten Obst und Gemüse im Garten und hielten sich Vieh zum Melken und zum Schlachten. Die weniger Wohlhabenden hielten sich eine oder mehrere Ziegen, die „Reichen“ hatten eine oder mehrere Kühe. Ein Schweinestall gehörte zu jedem Haus, um damit die Fleischversorgung zu gewährleisten. Ein Haus wie das in der Christophorusstraße 9 lässt sich als „kleinbäuerliches Winzerhaus“ bezeichnen.
Es war üblich, im Familienkreis oder in der Nachbarschaft gemeinsam Brot zu backen. In einem Raum lagerte das Getreide, bis es zum Müller gebracht wurde. Die zu jedem Haus gehörende Räucherkammer diente dazu, Schinken, Wurst und Speck durch Räuchern zu „konservieren“. Der Dachraum diente als Speicher zum Lagern von Stroh, Heu und Brennholz.
Mit Wasser versorgte man sich über den gemeindlichen Brunnen oder den Dorfbach. Erst im Jahre 1899 wurde in Sankt Aldegund eine Wasserleitung verlegt.
Halfenhaus
Die große Flurküche und die Räumlichkeiten sind im Original erhalten. Dieses Haus ist größer als andere Fachwerk-Wohnhäuser in Sankt Aldegund, denn es wurde in den Jahrhunderten der Treidelschifffahrt als Halfenhaus genutzt. Dort konnten Schiffseigner Zugtiere anmieten und Schiffsleute sowie Pferdeknechte, die Halfen genannt wurden, übernachten und wurden mit Speis und Trank versorgt. Unterhalb dieses Hauses befand sich die Hufschmiede. Nach der täglichen Etappe von 20 - 30 km über die zum Teil mit Steinen befestigten Treidelpfade mussten regelmäßig die Hufeisen der Pferde erneuert werden. Sankt Aldegund war eine der zahlreichen Anlegestationen zum Ent- und Beladen der Schiffe oder zum Übernachten.
Das Einzeldenkmal in der Christophorusstraße 9 in Sankt Aldegund ist im Rahmen der Nachqualifizierung der Denkmalzone „Ortskern Sankt Aldegund“ wie folgt eingetragen: „Giebelständiges, zweigeschossiges Fachwerk-Wohnhaus, bez. 1619 (Eckständer). Fassade in der zweiten Hälfte des 20. Jh. erneuert. Erdgeschoss über hohem Sockel und mit gefaster Ecke sowie eingehängtem Zwischengeschoss mit Fachwerk-Kastenerker und genasten Gegenstreben. Vorkragendes Obergeschoss mit Wilde-Mann-Figur, geschnitzten Eckständern, Kopfwinkelhölzern und Fensterpfosten sowie einem Fenstererker mit figürlichen und ornamentalen Schnitzarbeiten. Der zweizonige Giebel mit Speicherluke, darüber Krüppelwalmdach. Städtebaulich wichtige Ecklage.“ (GDKE 2021).
(Gerhard Schommers, Sankt Aldegund, 2021)