Töpferhof Mühlendyck

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Höhr-Grenzhausen
Kreis(e): Westerwaldkreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 26′ 32,13″ N: 7° 39′ 9,5″ O 50,44226°N: 7,65264°O
Koordinate UTM 32.404.328,97 m: 5.588.672,39 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.404.365,74 m: 5.590.468,12 m
  • Der Töpferhof Mühlendyck in der Lindenstraße 39 in Höhr-Grenzhausen (2020).

    Der Töpferhof Mühlendyck in der Lindenstraße 39 in Höhr-Grenzhausen (2020).

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    Lisa-Marie Lösch / Universität Koblenz-Landau
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    Lisa-Marie Lösch
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  • Keramik von Claudia Henkel im Verkaufsraum im Töpferhof Mühlendyck in Höhr-Grenzhausen (2020).

    Keramik von Claudia Henkel im Verkaufsraum im Töpferhof Mühlendyck in Höhr-Grenzhausen (2020).

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  • Der Töpferhof Mühlendyck in der Lindenstraße 39 in Höhr-Grenzhausen (2020).

    Der Töpferhof Mühlendyck in der Lindenstraße 39 in Höhr-Grenzhausen (2020).

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Der Töpferhof Mühlendyck ist ein keramischer Betrieb in Höhr-Grenzhausen, der seit dem Jahr 1936 besteht. Sein Begründer, Wim Mühlendyck (1905-1986), wurde im Laufe seiner Tätigkeit mehrfach gewürdigt und ausgezeichnet. Zusammen mit seiner kurzzeitigen Arbeitspartnerin Elfriede Balzar-Kopp (1904-1983) galt er als „Erneuerer“ des Töpferhandwerks im sogenannten Kannenbäckerland. Sie belebten gemeinsam die alte „Red-“ und „Knibistechnik“ wieder, bei der man mit spitzen Gegenständen Muster in die Oberfläche der Gefäße ritzt. Zudem hob sich Mühlendyck durch seine eigenständige Arbeitsweise fern von großen Manufakturen ab. Auch heute wird in den Räumlichkeiten des Töpferhofs noch dem keramischen Handwerk nachgegangen.

Der Töpferhof
Mühlendycks Ausbildung
Zusammenarbeit mit Elfriede Balzar-Kopp
Erste Lehrlinge und ein neuer Hof
Der Töpferhof zur Zeit des Zweiten Weltkriegs
Neubeginn
Erfolge und Auszeichnungen
Wim Mühlendycks Tod und Erbschaft
Wandel des Töpferhofs
Internet

Der Töpferhof
Der Töpferhof befindet sich in der Lindenstraße 39 im Stadtteil Grenzhausen. Er liegt am Ortsausgang, an derselben Straße und nur wenige Minuten entfernt vom Keramikmuseum Westerwald. Es handelt sich bei dem Töpferhof um einen langgestreckten Bau auf rechteckigem Grundriss. Das Walmdach ist bis zum Erdgeschoss heruntergezogen. Das Dach wird von einer Reihe Dachgauben durchbrochen. Links ans Gebäude schließt unmittelbar das Ofenhaus an. Dieses kleinere Gebäude ist ebenfalls mit einem Walmdach versehen.
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Mühlendycks Ausbildung
Wim Mühlendyck wurde 1905 als Sohn eines Pastors in Köln-Porz geboren. Nachdem er verschiedene Studiengänge ausprobiert hatte, kam er zur Töpferei. Der mit ihm befreundete Maler Kurt Derckum (1904-1969) hatte Mühlendycks Talent beim Zeichnen erkannt. Mühlendycks Faszination für das Handwerk führte ihn im Jahr 1925 an die Kölner Werkschule. Seit dem Jahr 1926 bildete er sich an der Fachschule von Höhr-Grenzhausen weiter. Gleichzeitig übernahm er die alte Werkstatt eines Keramikers in der Bergstraße 12 in Höhr, bis zum Jahre 1936 eine eigenständige Gemeinde. Als Inspirationsquelle dienten Mühlendyck die Erzeugnisse des Deutschen Werkbundes. Dieser Verein hatte im Jahre 1924 die Ausstellung „Form ohne Ornament“ herausgebracht. Mühlendyck folgte dem Deutschen Werkbund und ließ die graue, salzglasierte Oberfläche seiner Gefäße unbemalt. Die Funktionalität der Produkte war ihm wichtiger als deren künstlerische Gestaltung. Um der Eintönigkeit der grauen Keramik entgegenzuwirken, suchte er nach Verzierungsmöglichkeiten. Statt der typischen blauen Bemalung des Steinzeugs, übte er sich eigenständig in eingeritzten Mustern. Später beschrieb er dies als „eigentliche Geburtsstunde“ seines Töpferhofs. In den Jahren 1927 bis 1930 ließ Mühlendyck sich an der pädagogischen Hochschule in Köln zum Gewerbelehrer ausbilden. Seine Werkstatt in Höhr-Grenzhausen behielt und nutzte er, wenn sich Zeit dafür bot.
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Zusammenarbeit mit Elfriede Balzar-Kopp
Im Jahr 1930 kehrte Mühlendyck nach Höhr zurück und gründete mit der Keramikerin Elfriede Balzar-Kopp eine Firma unter dem Namen „BaKo, Westerwälder keramische Werkstätten GmbH“. Sie brachten sich die Red- und Knibistechnik selbst bei und gestalteten Tier- und Blumenmotive. Diese Technik war an der Fachschule bereits nicht mehr gelehrt worden. Bereits ein Jahr nach der Gründung war die Firma insolvent. Im Jahr 1931 kam es zum endgültigen Konkurs. Im selben Jahr heiratete Mühlendyck die gelernte Kindergärtnerin Elisabeth „Bita“ Bever (1908-2004), eine entfernte Verwandte von Friedrich Engels. Mühlendycks wohlhabender Schwiegervater, der ein großer Freund des Töpferhofs war, half ihm aus den Schulden heraus.
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Erste Lehrlinge und ein neuer Hof
Seit dem Jahr 1933 erlebte das Kunsthandwerk unter dem NS-Regime einen neuen Aufschwung. So konnte Mühlendyck seinen ersten Lehrling, Rudi Stahl (1918-1987), einstellen. Lehrlinge waren für Mühlendyck fester Bestandteil eines Töpferhofes und er engagierte sich seither stets für ihre Ausbildung. Nach Stahl nahm er seine Schwester Ruth (1913-2004) und Ernst Stauber (1921-2003) in die Lehre.

Die Suche nach einem geeigneten Grundstück für den Töpferhof gestaltete sich anfangs schwierig, bis er die Parzelle Lindenstraße 39 fand. Im Jahr 1936 aber wurde der Töpferhof Mühlendyck in Grenzhausen fertig gestellt. Der Töpferhof hatte ein mit dem Hauptgebäude verbundenes Ofenhaus mit einem Kannenofen. Über dem Werkstattbereich gab es Raum zum Wohnen. Für Wim Mühlendyck wurde damit ein Traum wahr. In der Folge weitete er seine Arbeit auf die Baukeramik aus. Aufgrund seiner ausgeprägten Religiosität legte Mühlendyck einen Schwerpunkt auf christliche Symbolik in der Gestaltung seiner Keramik. Dies verhalf ihm nun zu Aufträgen an Kirchen und öffentlichen Gebäuden, was wiederum seine Bekanntheit steigerte. Zudem gewann er den Ehrenpreis der Pariser Weltausstellung im Jahre 1937 und die Goldmedaille der Handwerksausstellung in Berlin im Jahre 1939.
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Der Töpferhof zur Zeit des Zweiten Weltkriegs
Wim Mühlendyck und fast alle seiner Mitarbeiter wurden bis zum Jahr 1940 in den Krieg einberufen. Auch seine Frau verließ mit ihren inzwischen drei Kindern den Töpferhof, um bei Verwandten im Nordosten Deutschlands Schutz zu suchen. Die Produktivität des Töpferhofes kam fast zum Erliegen, da Mühlendyck nur während des Heimaturlaubs von der Front nachhause kommen konnte. Am Ende des Krieges, im Jahr 1945, musste die Familie vor den russischen Truppen aus dem Nordosten Deutschlands fliehen und kehrte in den Töpferhof zurück. Dieser war beschädigt aber bewohnbar. Die Lebensumstände waren sehr eingeschränkt, da Vorräte wie Brennholz geplündert worden waren.
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Neubeginn
Bita Mühlendyck nahm mit den Rückkehrern der früheren Belegschaft den Betrieb sofort wieder auf. Wim Mühlendyck war in den Jahren 1944 bis 1946 in Kriegsgefangenschaft in Schottland. Von den Kriegserlebnissen geprägt, ließ er sich nach seiner Entlassung in England zum Laienpriester ausbilden und arbeitete dort ein Jahr als Seelsorger. Im Jahr 1948 kehrte er in den Töpferhof zurück. Als er wieder anfing zu arbeiten nahm er seinen zu dem Zeitpunkt 14-jährigen Sohn Johannes (1933-2013) in die Lehre. Dieser verließ den Töpferhof nach seiner Gesellenprüfung im Jahr 1951. Im Jahr 1958 kehrte Johannes zurück. Inzwischen war er verheiratet und hatte Kindern. Johannes arbeitete zunächst selbstständig innerhalb der Töpferei und meldete sein eigenes Gewerbe an. Nach zwei Jahren schloss er sich mit seinem Vater zusammen. Sie traten nach außen als „Töpferhof – Wim u. Johannes Mühlendyck“ auf. Die wichtigsten Mitarbeiter der Stammbelegschaft waren zu dem Zeitpunkt Walter Blath (1929-2014), Doris Heller und Birgit Ehm (Lebensdaten unbekannt).
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Erfolge und Auszeichnungen
In den 1960er Jahren lief der Betrieb sehr erfolgreich. Der Töpferhof stellte auf Messen in Frankfurt und Leipzig aus und erhielt viele Aufträge. Im Jahr 1965 erhielt Mühlendyck den Ehrenpreis der „Deutschen Keramischen Gesellschaft“ DKG. Im Jahr 1967 richtete sich die Werkstatt einen der ersten gasbeheizten Salzöfen in Höhr-Grenzhausen ein. Mühlendyck war der neuen Technik gegenüber zunächst skeptisch, da er den Charakter der Glasur aus dem Holzbrand vermisste. Der Brand verursachte jedoch weniger fehlerhafte Ware und der Glanz der Gefäße war bei Kunden beliebt. So erlebte der Betrieb einen Aufschwung und beschäftigte zur Mitte der 1960er Jahre 15 Mitarbeiter und Lehrlinge.

Im Jahr 1976 erhielten Wim Mühlendyck und Rudi Stahl zusammen das Bundesverdienstkreuz. Diese Ehrung bezog sich auf seine Innovationen in der Westerwälder Keramik und seine Arbeit in der Lehrlingsausbildung, im Innungsvorstand für das Töpferhandwerk und in den Prüfungsausschüssen. Auch vor Ort, auf der Burg Grenzau, wurde das Ereignis zelebriert. Im Jahr 1985 gab es im Keramikmuseum Westerwald die Ausstellung „Wim Mühlendyck und Schüler“ zum 80. Geburtstag von Wim Mühlendyck. Unter den ausgestellten Schülern befanden sich neben Rudi Stahl auch viele Familienmitglieder Mühlendycks wie seine Frau Bita, sein Sohn Johannes, dessen Frau Roswitha, Mühlendycks Tochter Katharina (1942 geboren) und ihr Mann Theo Dietz (geboren 1938).
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Wim Mühlendycks Tod und Erbschaft
Am 10. April 1986 verstarb Wim Mühlendyck an den Folgen eines Schlaganfalls. Zunächst übernahm Theo Dietz mit der Unterstützung der Mitarbeiterin Birgit Ehm den Töpferhof. Bita Mühlendyck zog unterdessen nach Königswinter. Im Jahr 1992 wurde Elisabeth Dietz Bläsner (geboren 1965), die Enkelin von Wim Mühlendyck und Tochter von Theo Dietz, die Inhaberin des Töpferhofs. Gemeinsam mit ihrer Familie bezog sie den Töpferhof. Sie übernahm damit auch die sechsköpfige Belegschaft, darunter weiterhin Birgit Ehm, Doris Heller und Walter Blath. Elisabeth brachte neue Formen und Motive in die Töpferei, die besonders auf der Frankfurter Messe gut angenommen wurden.

Seit dem Jahr 1999 begann Elisabeths Ehemann Stefan Bläsner (geboren 1966) mit umweltfreundlicheren Methoden des Salzens zu experimentieren. Er nahm statt Kochsalz die besser dosierbare Natronlauge, mit der sich weniger Abgase entwickelten. Für diese Entwicklung erhielt er im Jahr 2001 den „Innovationspreis“ der Bundesstiftung Umwelt.
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Wandel des Töpferhofs
Anfang der 2000er Jahre verschlechterte sich der Absatz zunehmend, sodass die Werkstatt nur noch als Nebenerwerb diente. Die Belegschaft wurde bis zum Jahr 2003 verkleinert, in der Regel durch den Eintritt in den Ruhestand. Elisabeth Dietz-Bläsner und Stefan Bläsner schlugen neue Wege ein. Elisabeth zog die Gründung einer Werkstattgemeinschaft in Betracht und vermietete Teilbereiche der Räumlichkeiten an die Künstler Daniela Polz (geboren 1967) und Dirk Rothe (Lebensdaten unbekannt). Claudia Henkel (geboren 1966) kam später hinzu. Sie ist bis heute im Töpferhof aktiv und arbeitet dort inzwischen alleine.
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(Nadja Riegger, Universität Koblenz-Landau / freundliche Hinweise von Herrn Roland Giefer, 2020)

Internet
www.deutscher-werkbund.de: Werkbund-Geschichte (abgerufen 17.03.2021)
www.daniela-polz.de Daniela Polz: Lebenslauf (abgerufen 17.03.2021)
dirkrothe.com: Dirk Rothe (abgerufen 17.03.2021)
www.porzellan-claudia-henkel.de: Claudia Henkel. Porzellan und Schwarzbrand (abgerufen 17.03.2021)
www.keramik-sammler.de: WIM MÜHLENDYCK (abgerufen 17.03.2021)
www.keramik-sammler.de: JOHANNES MÜHLENDYCK (abgerufen 17.03.2021)
www.keramik-sammler.de: BITA MÜHLENDYCK (abgerufen 17.03.2021)
www.keramik-sammler.de: ELFRIEDE BALZAR-KOPP (abgerufen 17.03.2021)
www.keramik-sammler.de: ERNST STAUBER (abgerufen 17.03.2021)
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Literatur

Dokumentationszentrum Kannenbäckerland e.V. – DZK (Hrsg.) (2021)
“Schlondes”-Geschichten. Höhr-Grenzhausen.
Giefer, Roland (2021)
Töpferei Elfriede Balzar-Kopp. Höhr-Grenzhausen.

Töpferhof Mühlendyck

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Lindenstraße 39
Ort
56203 Höhr-Grenzhausen
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

Empfohlene Zitierweise

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Empfohlene Zitierweise
„Töpferhof Mühlendyck”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-329491 (Abgerufen: 26. April 2024)
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