Die Kriegsgräberstätte
Streit um den Standort
Carl Ludwig Schreibers Konzept für die Gestaltung der Anlage
Archivquellen
Die Kriegsgräberstätte
Schaut man auf die Geburtsorte der hier bestatteten Soldaten, dann wird deutlich, dass ihre Herkunft den gesamten Mobilisierungsbereich der Wehrmacht umfasst hat. Nur wenige Tote stammen aus dem 1972 aufgelösten Regierungsbezirk Aachen, in dem die Kämpfe im Bereich des Hürtgenwaldes stattfanden. Eindeutige Schwerpunkte der Herkunft sind das Ruhrgebiet, Berlin, Hamburg, Leipzig, Bremen, Wien und Breslau.
Eine Analyse der Geburtsjahrgänge der auf der Kriegsgräberstätte Hürtgen bestatteten Soldaten zeigt, dass es vor allem viele noch sehr junge Männer waren, die hier im Westen in der Endphase des Krieges den Tod fanden. Die meisten lassen sich dem Jahrgang 1926 zuordnen, waren also zum Zeitpunkt ihres Todes erst um die 18 Jahre alt. Die Zusammensetzung von Einheiten der Wehrmacht in der Endphase des Krieges im Westen hebt sich damit hinsichtlich des Alters der Soldaten deutlich von derjenigen im Gesamtverlauf des Krieges ab.
Die meisten Bestatteten auf der Kriegsgräberstätte Hürtgen gelangten durch Umbettungen aus Gemeinden des Kreises Düren dorthin (Bild 3 und 4), einige auch unmittelbar aus dem zerstörten Hürtgenwald. Aber deutlich mehr Soldaten hatten ihr Leben bei Kämpfen im Bereich des „Stolberg-Korridors“ südlich von Aachen verloren. Für viele Tote war die Kriegsgräberstätte Hürtgen somit schon die zweite und manchmal sogar die dritte Ruhestätte nach ihrem Tod.
Streit um den Standort
Die Errichtung der Kriegsgräberstätte war nicht nur ein ethisch-humanitärer Akt. Er versprach auch, Impulse für die darbende Wirtschaft zu geben, denn es war absehbar, dass eine solche Anlage Besucherinnen und Besucher in großer Zahl anziehen würde, vor allem Angehörige und Freunde der Toten sowie ehemalige Kriegskameraden. Daraus entwickelte sich Ende 1948 ein kurzer aber heftiger Konflikt zwischen zwei Kreisen, der für Schlagzeilen sorgte. Im Oktober 1948 war bekannt geworden, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eine zentrale Gräberstätte in Vossenack errichten lassen wollte. Vossenack gehörte damals zum Kreis Monschau. Das wiederum rief den Kreis Düren auf den Plan. Die Grenze zwischen beiden Kreisen verlief quer durch das ehemalige Schlachtfeld. Keine der beiden Parteien war bereit, Kriegstote, die auf ihrem Gebiet geborgen wurden, im Nachbarkreis bestatten zu lassen. Es entbrannte sogar ein regelrechter Kampf um einzelne Tote, der in Vorwürfen unbefugten Exhumierens, unerlaubter Prämienzahlungen für sterbliche Überreste und sogar des Leichendiebstahls gipfelte.
Ein Kompromiss in dem Gräberstreit konnte erst gefunden werden, als der Volksbund im Mai 1949 bekannt gab, jeweils eine Kriegsgräberstätte am Rande Vossenacks im Kreis Monschau und nahe Hürtgen im Kreis Düren errichten zu lassen. Beide Standorte liegen nur vier Kilometer auseinander. Damit war der Konflikt beigelegt. Als Ironie der Geschichte erwies sich später, dass im Zuge einer Kreisreform zu Beginn der 1970er Jahre beide Kriegsgräberstätten in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des Kreises Düren übergingen.
Carl Ludwig Schreibers Konzept für die Gestaltung der Anlage
Bauherr und Finanzier der Kriegsgräberstätte war der Landesverband Nordrhein-Westfalen des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Volksbund beauftragte 1949 den Garten- und Landschaftsarchitekten Carl Ludwig Schreiber (1903-1976) aus Geilenkirchen mit der Planung und Bauleitung. Schreiber zählte zu den Architekten, die dem „Heldengedenken“ früherer Jahre kritisch gegenüberstanden und bei der Gestaltung von Kriegsgräberstätten eher einer zurückhaltenden Trauer statt einer Verherrlichung des Soldatentodes Ausdruck verliehen. Entsprechend verzichtete er auch in Hürtgen auf einen axialen Aufbau und auf monumentale Objekte, wie sie in Form der strengen Raumgliederung und eines „Sarkophags“ noch auf der Kriegsgräberstätte Vossenack zu finden sind. Schreiber setzte dagegen in Hürtgen auf geschwungene Reihen bei der Anordnung der Kreuze und auf eine harmonische Einbettung der Anlage in die umgebende Landschaft (Bild 5).
Für die Kriegsgräberstätte Hürtgen entwickelte Schreiber spezielle Doppelkreuze (Bild 6), die im Volksmund rasch den Namen „Kameradenkreuze“ bekamen. Sie bestanden aus hellem Muschelkalk. Über die Jahre litten die Kreuze unter der rauen Witterung. Das führte dazu, dass sie 50 Jahre später – ab dem Jahr 2002 – nach einem Stufenplan komplett erneuert werden mussten (Bild 7 und 8). Dieses Mal wurde Ruhrsandstein verwendet, der als besonders witterungsbeständig gilt. Dabei wurde darauf verzichtet, die Oberflächen erneut zu bossieren, also mit Meißel oder Fäustel zu bearbeiten, was der ersten Steingeneration noch eine naturbelassene und rustikale Anmutung verschafft hatte. Lediglich die Seitenränder sind heute noch bossiert, die beidseitigen Flächen dagegen geglättet. Insgesamt 484 dieser Doppelkreuze befinden sich heute auf der Kriegsgräberstätte. Außerdem ein Hochkreuz von knapp acht Metern Höhe, das – anders als die Doppelkreuze – noch in seiner ursprünglichen Fassung besteht.
Insgesamt plante Carl Ludwig Schreiber in der Nachkriegszeit mehr als einhundert Friedhöfe und Kriegsgräberstätten in der Eifel, in der Region Aachen und entlang des „Westwalls“. Zeitlich parallel zur Anlage in Hürtgen entwarf er auch Pläne für die Kriegsgräberstätten oberhalb von Gemünd und am Kloster Steinfeld bei Kall.
Die Kriegsgräberstätte Hürtgen befindet sich seit 1953 in der Obhut des Kreises Düren. Seitdem hat sich dort einiges verändert (Bild 9-14). Nicht an der von Carl Ludwig Schreiber geschaffenen Grundstruktur, aber beispielsweise an der Bepflanzung. Die in den 1950er Jahren auf der Anlage gepflanzten Bäume überragen heute das rund acht Meter hohe Hochkreuz. Und die aufwändige Bepflanzung aus den Anfangsjahren wurde ab den späten 1990er Jahren durch eine einheitliche Rasenfläche ersetzt, weil der Pflegeaufwand zu groß war.
Hinweis
Rechts neben dem Eingangsbereich der Kriegsgräberstätte befindet sich das Wohnhaus des Friedhofswärters. Im Erdgeschoss gibt es einen allgemein zugänglichen Raum, in dem die Gräberliste zur Einsicht ausliegt. Im Juli 2021 wurde dort eine Dauerausstellung eröffnet, in der die Geschichte der Kriegsgräberstätte beschrieben und visualisiert wird. Träger der Ausstellung ist der Kreis Düren, gestaltet wurde sie von der Grafik-Designerin Eva Müller-Hallmanns aus Hürtgenwald, Recherche und Text: Frank Möller.
(Frank Möller, Gesellschaft für interdisziplinäre Praxis e.V., 2021)
Archivquellen
- Stadt- und Kreisarchiv Düren, Moderne Akten 4747 und 4749, Volksbund Kriegsgräberfürsorge (VK) 33.
- Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband NRW in Essen (Ordner „Hürtgen I-IV“).