Pisé-Haus Weilburg an der Lahn

Höchstes Lehmstampfgebäude der Welt, Haus Rath

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Fachsicht(en): Denkmalpflege, Architekturgeschichte, Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Weilburg
Kreis(e): Limburg-Weilburg
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 50° 29′ 13,26″ N: 8° 15′ 34,31″ O 50,48702°N: 8,25953°O
Koordinate UTM 32.447.470,92 m: 5.593.043,54 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.447.524,61 m: 5.594.841,34 m
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    Pisé-Haus Weilburg

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    Pisé-Haus Weilburg aus der Luft

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    Bauskizze/ Querschnitt

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    Schalungsskizze

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Das Lehmgebäude „Hainallee 1“ in der mittelhessischen Stadt Weilburg an der Lahn gilt mit sechs Stockwerken als das höchste in der Pisé-Bauweise errichtete Gebäude der Welt. Es wurde zwischen den Jahren 1826-28 von Wilhelm J. Wimpf erbaut und ist aufgrund seiner bemerkenswerten Bauweise aus Stampflehm architektonisch und kulturhistorisch wertvoll.

Lehm als Baustoff
Das Bauen mit Lehmerde hat in vielen Regionen der Erde eine kontinuierliche, häufig bis in die Antike zurückgehende Tradition. So leben bis zum heutigen Tag etwa ein Drittel aller Menschen in Häusern aus Lehm. Auch in Deutschland existieren noch etwa 2 Millionen solcher Gebäude, in denen der Baustoff zumindest verarbeitet ist. In seiner mineralischen Struktur handelt es sich bei dem Stoff um ein Gemisch aus Ton (Korngröße kleiner 2 µm = kleiner als 0,002 Millimeter), Sand (Korngröße größer 0,63 µm = größer 0,063 Millimeter) und Schluff (feiner Sand, Korngröße größer 2 µm = größer 0,002 Millimeter), wobei seine Zusammensetzung je nach Fundort stark variieren kann: Lehme mit hohem Tongehalt bezeichnet man im heutigen Bauwesen systematisch als fett oder bindig, wobei jene mit geringerem Tongehalt als mager gelten. Je fetter ein Lehm, umso aufwendiger ist seine Verarbeitung und er kann nur bedingt direkt zum Bauen verwendet werden. Aus diesem Grund wird Baulehm häufig „gemagert“, indem Pflanzenfasern (zum Beispiel Stroh, Hanf, Seegras oder Korkschrot), Holzhäcksel, Sande oder Kiese beigemischt werden. Je nach Verwendungszweck soll eine Kombination der Zuschlagstoffe Eigenschaften wie Zugfestigkeit, Wärmespeicherung, Isolation sowie Druck- oder Abriebfestigkeit herbeiführen. Generell wird Lehm in zwei verschiedenen Verfahren nass oder trocken verarbeitet: Im Nassverfahren direkt auf der Baustelle als Stampflehm oder als Bewurf – im Trockenverfahren mit vorgefertigten Steinen oder Platten. Da eine Verfestigung besonders im Nassverfahren nur aufgrund von Lufttrocknung erfolgt, bleiben Lehmbauteile sensitiv gegenüber Feuchtigkeitseinwirkung. Für tragende Bauteile sollten also stets Rahmenkonstruktionen aus Holz verwendet werden.

Geschichte des Lehms
Aufgrund der hohen Verfügbarkeit des Lehms in allen dicht besiedelten Teilen der Erde und seiner persistenten bauphysikalischen Eigenschaften, stellt dieser seit jeher ein wichtiges und kostengünstiges Baumaterial als Alternative zu herkömmlichen Baustoffen wie Zement oder Holz dar. In Abhängigkeit von Rahmenbedingungen wie Qualität und Quantität des Lehmvorkommens oder geologischen und wirtschaftlichen Faktoren, entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte jeweils unterschiedliche Bauweisen und –stoffe. Zu den wichtigsten daraus entstandenen Baustoffen zählen bis heute der Stampflehm, die Lehmziegel, Lehmweller und der Ausfachungslehm.
Besonders in den Zweistromländern am Euphrat und Tigris, am Indus und in weiteren Gebieten Nordafrikas und Südamerikas kann ein erhöhtes Aufkommen von Lehmbauten unterschiedlichster Bauweisen beobachtet werden. In Mitteleuropa erlebt der Lehmbau derzeit gar eine Renaissance, denn zu Zeiten allgegenwärtiger Nachhaltigkeitsdebatten gilt das Bauen mit Lehm heute als ökologische und naturnahe Alternative zu konventionellen Baustoffen.

Der Pisé-Baustil in Weilburg an der Lahn
Speziell im Herzogtum Nassau-Weilburg kam vermehrt der Pisé-Bau zur praktischen Anwendung und wurde hier zwischen 1830 und 1870 in bedeutenderem Umfang verwirklicht. Der klassische Pisé-Bau entsteht insofern als Sonderform des Lehmstampfbaues nicht aus vorgefertigten Formsteinen, sondern wird mit beweglichen Verschalungselementen (siehe Abbildung) zur Herstellung homogener Mauerwerke gefertigt. Obwohl die Nutzung des Pisé primär als preisgünstige Landbautechnik für das dörfliche Anwesen im Vordergrund stand, wurden in Weilburg auch etwa zwanzig anspruchsvollere städtische Wohnhäuser aus Lehm errichtet. Neben dem allgemeinen Mangel an hölzernen Baustoffen findet sich der Ursprung hierfür auch in der Tatsache, dass kaum günstiger Naturstein vorhanden war. Im gesamten Kreis beläuft sich die Zahl der Pisé-Bauten auf zwei- bis dreihundert. Darunter finden sich die meisten dieser Gebäude an der Frankfurter Straße und der zur Biedermeierzeit neu angelegten Bahnhofs- und Limburger Straße, wo sie das Stadtbild prägen. Die Errichtung kubisch einfacher Baukörper und einer rasterhaften Fensterung waren dabei stets durch die Bauweise begünstigt. Die architektonische Gestaltung der Denkmäler in Weilburg entspricht häufig dem sachlich nüchternen Spätklassizismus, wie er damals auch im konventionellen Putzfachwerk vorherrschte.

Hainallee 1: Ein Hochhaus aus Lehm
Das Lehmstampfgebäude in der Hainallee 1 wurde etwa um 1826-28 durch den Pionier des deutschen Pisé-Baustils, Wilhelm Jacob Wimpf, als Wohnhaus für seine Kinder errichtet. Es gilt mit sechs Stockwerken als das höchste in jener Bauweise errichtete Gebäude der Welt. Der schmucklose Bau mit schlichtem Satteldach wurde an einem steil abfallenden Hanggelände erbaut, ist an der Straße drei und auf der Rückseite - einschließlich Kellersockel - sechs Stockwerke hoch. Auch wenn der Stampflehmbau sich in den 1830er Jahren bereits als ausgereiftes Verfahren bewährt hatte, demonstrierte Wimpf mit der Bewältigung der für die Stadt typischen Standortprobleme die vorteilhafte Statik seiner Materialtechnik. Das nötige Fachwissen erarbeitete Wimpf sich autodidaktisch und schrieb seine gewonnenen Erkenntnisse im Jahre 1836 in dem Buch „Der Pisé-Bau oder vollständige Anweisung äußerst wohlfeile, dauerhafte, warme und feuerfeste Wohnungen aus bloßer gestampfter Erde, Pisé-Bau genannt, zu erbauen.“ nieder. Nachdem sich seine umfangreichen Baumaßnahmen als äußerst geschickt herausstellten, stieg Wimpf in der Bautechnik zu einem gefragten Experten auf und lehrte mehrere Handwerker die Technik des Pisé-Baus. Durch die daraus in hoher Zahl entstandenen Wohn- und Geschäftshäuser wurde Weilburg zu einer Art Zentrum des Pisé-Baus.

Im Mai 2017 verkaufte die Stadt Weilburg das Gebäude im Zusammenwirken mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen an einen Privatinvestor. Es wird derzeit einer umfassenden Sanierung und Modernisierung unterzogen und soll künftig für mehrere Wohneinheiten nutzbar gemacht werden (Stand Februar 2020). Der städtischen Bürgerinformation zufolge soll es dennoch an fünf Terminen im Jahr besichtigt werden können.

Baudenkmal
Das Gebäude ist aus geschichtlichen, künstlerischen und technischen Gründen als hessisches Kulturdenkmal eingetragen. Die denkmalgerechte Sanierung wird durch Finanzmittel aus dem städtebaulichen Denkmalschutz seitens der Stadt Weilburg an der Lahn gefördert und vom Landesamtes für Denkmalpflege Hessen bezuschusst.

(Jonas Röder-Löhr, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2020)

Internet
denkxweb.denkmalpflege-hessen.de: Hainallee 1 im Online Denkmalverzeichnis Hessen (abgerufen 28.02.2020)
weilburg.de: Kulturdenkmäler der Stadt Weilburg (abgerufen 28.02.2020)
weilburg.de: Stadt Weilburg verkauft Pisébau (abgerufen 28.02.2020)
das-marburger.de: Häuser aus Lehm in Weilburg (abgerufen 28.02.2020)
wikipedia.org: Wilhelm Jacob Wimpf (abgerufen 28.02.2020)

Literatur

Lehmann, Falko (1994)
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen: Landkreis Limburg-Weilburg II. Mengerskirchen bis Weinbach. Wiesbaden.
Müller, Werner; Vogel, Gunther (1974)
dtv-Atlas zur Baukunst. Tafeln und Texte. Band 1: Baugeschichte von Mesopotamien bis Byzanz. München.
Schick, Wilhelm / Bürgerinitiative Alt-Weilburg e.V. (Hrsg.) (1987)
Der Pisé-Bau zu Weilburg an der Lahn. Weilburg an der Lahn.
Voigt, Julia; Schrader, Mila (2003)
Bauhistorisches Lexikon. Baustoffe, Bauweisen, Architekturdetails. Suderburg-Hösseringen.

Pisé-Haus Weilburg an der Lahn

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Hainallee 1
Ort
35781 Weilburg an der Lahn
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kulturdenkmal gem. § 2 DSchG Hessen
Fachsicht(en)
Denkmalpflege, Architekturgeschichte, Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1826 bis 1828

Empfohlene Zitierweise

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Empfohlene Zitierweise
„Pisé-Haus Weilburg an der Lahn”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-306522 (Abgerufen: 25. April 2024)
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