Die Erzählstation (Abbildung 1) befindet sich vor dem Wasserturm am westlichen Ortsrand von Glessen auf der Villehochfläche, einer alten Aufschüttungsfläche des Rheines.
Von der Erzählstation hat man einen weiten Blick auf die Glessener Höhe im Südwesten und auf die Braunkohlekraftwerke am Westrand der Ville (Abbildung 2) sowie auf Düsseldorf und die Kölner Bucht. Um den Dom zu sehen, muss man allerdings ein Stück weit nach Nordwesten laufen, da mittlerweile der Ort bis an den Villerand herauf gewachsen ist (Abbildung 3).
Der achteckige, 22 Meter hohe, von einem Zeltdach gekrönte Wasserturm überragt das Ortsbild von Glessen (Abbildung 4). Er wurde 1934/35 zur Trinkwasserversorgung fertiggestellt und bildet seitdem eine weithin sichtbare Landmarke. Er speicherte bis zu 255 Kubikmeter Wasser, das er bis zu seiner Stilllegung über zwei Versorgungsleitungen vom Pumpwerk Niederaußem erhielt. Als historisch bedeutendes Gebäude wurde der Glessener Wasserturm mit Datum 2. Februar 2011 in die Liste der Baudenkmäler in Glessen aufgenommen. 2012/13 wurde der Wasserturm durch eine moderne Druckerhöhungsanlage und einen Doppelbehälter mit einem Speichervolumen von 600 m3 ersetzt (Abbildung 5). Durch die Ausschachtungsarbeiten war im Oktober 2012 unter einer mehrere Meter mächtigen Lößauflage ein Blick in Ablagerungen des Rheines möglich (Abbildung 6). Sie stammen aus der sogenannten Hauptterrassenzeit (HT), die einen Zeitabschnitt von etwa 1 Million bis 600.000 Jahren vor heute umfasst. Damals überschüttete der Rhein die Niederrheinische Bucht in voller Breite (Abbildung 7). Sein Schwemmland war in der Höhe von Düsseldorf rund 60 Kilometer breit. Die heutige Villehochfläche war Teil des Schwemmlandes und ist deshalb mit Ausnahme zahlreicher flacher Materialentnahmegruben nahezu eben (Abbildung 8). Die Ville wurde ab etwa 600.000 Jahren vor heute als Teil der Kölner Scholle relativ zur westlichen Niederrheinischen Bucht gehoben. Die Sande und Kiese des Rheines liegen deshalb 40 Meter und mehr höher als altersgleiche Ablagerungen westlich der Erft. Östlich der Kölner Bucht dagegen, am Rand des Bergischen Landes, liegen sie etwa in derselben Höhe. Während der Westen der Niederrheinischen Bucht vom Rhein ab 600.000 Jahre vor heute nicht mehr erreicht werden konnte, arbeitete der Fluss in den sich hebenden Teil zwischen Ville und Bergischem Land, der Kölner Bucht, seine jüngeren Flussterrassen ein. Sie sind Thema der Erzählstation 13 auf dem Wassererlebnispfad Pulheimer Bach.
Nur wenige Wochen waren die Rheinkiese in der Baugrube zu sehen. Sie liegen unter mehrere Metern Löß, einem Staubsediment, das zum Höhepunkt der letzten Kaltzeit, also vor lediglich etwa 20.000 Jahren vom Wind von Westen herangetragen und in der damaligen Tundra von Gräsern und Kräutern „herausgekämmt“ wurde. An anderen Stellen der Villehochfläche jedoch, wo kein Löß die Kiese überlagert, werden sie bei der Feldarbeit hochgepflügt. Gelegentlich sind es durch Eisenoxide verfestigte Brocken, die aus verwitterten Partien der Kiese stammen (Abbildung 9).
Außerdem gibt es am Hang des Pulheimer Baches im Quellgebiet westlich vom Neuhof eine aufgelassene Kiesgrube, in der man noch die Schotter sehen und untersuchen kann (Abbildung 10). Es fällt auf, dass die Zusammensetzung anders ist als in jüngeren Rheinablagerungen. Der größte Teil der Gerölle wird von Quarzen und anderen gegen Verwitterung und mechanische Zerkleinerung sehr widerstandfähigen Gesteinen gebildet, während in den jüngeren Ablagerungen der Anteil an Sandsteinen, Grauwacken, Schiefern, Basalt und anderen nicht so „harten“ Gesteinen mit abnehmendem Alter zunimmt.
In den von den Geowissenschaftlern in 4 eigenständige und unterschiedlich alte Sedimentkörper (HT 1 – 4) unterteilten Ablagerungen der Hauptterrassenzeit ist die sogenannte HT 3 von besonderem Interesse. Hier findet man tonnenschwere Riesenblöcke, die sogenannten Driftblöcke (Abbildung 11). Viele davon liegen als Schmucksteine in Vorgärten, werden als Absperrungen benutzt oder dienen als Markierungspunkte am Wassererlebnispfad Pulheimer Bach. Sie kamen bei den Abgrabungen der Deckschichten über den Braunkohleflözen ans Tageslicht, stammen aus dem Sedimentkörper der HT 3 und sind sogenannte Klimaindikatoren, da es zu Transport und Ablagerung derart großer Blöcke besondere Bedingungen brauchte, die bei uns in Mitteleuropa nur in besonders kalten Abschnitten der Kaltzeiten des Eiszeitalters herrschten. Die Sommer waren kurz, den größeren Teil des Jahres herrschten Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Der Untergrund war permanent gefroren (Dauerfrostboden), lediglich die obersten Dezimeter tauten im Sommer auf. Die Flüsse waren im Winter oft bis auf den Grund durchgefroren. Mit dem Sommereinbruch wurde kurzfristig viel Schmelzwasser geliefert, die Flüsse schwollen an, rissen große Eisschollen mit sich. Dabei kam es immer wieder vor, dass große Gesteinsblöcke aus dem Untergrund herausgerissen und in Eisschollen abtransportiert, „verdriftet“ wurden. Solche Vorgänge kann man heute in den kontinentalen Tundrengebieten der Nordhalbkugel beobachten. Die Driftblöcke verraten uns also, dass zu der Zeit, als die HT 3 gebildet wurde, bei uns ein vergleichbares Klima herrschte. Auch in jüngeren Terrassenablagerungen finden sich Driftblöcke; in der HT 3 jedoch erscheinen sie erstmalig in den Rheinablagerungen
Baudenkmal Das Objekt „Wasserturm in Glessen ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste der Stadt Bergheim, Nr. 264.
(Reinhard Zeese, L.E.B. & Partner, 2020)
Internet de.wikpedia.org: Liste der Baudenkmäler in Glessen (abgerufen am 13.12.2019) de.wikpedia.org: Driftblock (abgerufen am 13.12.2019) erlebnispfad.com: Wassererlebnispfad von Pulheim zum Rhein - Köln in der Tundra (abgerufen am 13.12.2019) erlebnispfad.com: Wassererlebnispfad von Pulheim zum Rhein - Die Niederterrasse, das Bett des Rheins aus der letzten Eiszeit (abgerufen am 13.12.2019)
Literatur
Baumewerd-Schmidt, H; Gerlach, R. (2001)
Von Restfundstellen und Scheinfundstellen. Ergebnisse einer Grabenbetreuung in der Lößlandschaft. (Archäologische Informationen, 24/1.) S. 13-19. Bonn.
Boenigk, W.; Frechen, M. (2006)
The Pliocene and Quaternary fluvial archives of the Rhine System. In: Quaternary Science Reviews 25, S. 550-574. o. O.
Gerlach, Renate (2012)
Oberflächennaher Abbau von Mergel, Sand und anderen Böden – Auswirkungen auf die Tagesoberfläche. In: RWE Power Bergschadensforum Tagungsband, S. 65-76. Elsdorf.
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.