Besamungsstation Landgestüt Zweibrücken

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Zweibrücken
Kreis(e): Zweibrücken
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 15′ 5,95″ N: 7° 21′ 50,56″ O 49,25165°N: 7,36404°O
Koordinate UTM 32.380.948,41 m: 5.456.719,13 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.599.348,75 m: 5.458.072,39 m
  • Video des Stalljungen zum Hengststall im Landgestüt Zweibrücken (2020)

    Video des Stalljungen zum Hengststall im Landgestüt Zweibrücken (2020)

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    Produktion: auge8; Film- & Fotostudio Pirmasens; Landgestüt Zweibrücken
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    auge8; Landgestüt Zweibrücken; Film- & Fotostudio Pirmasens
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    Video
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  • Blick auf die Besamungsstation des Landgestüts Zweibrücken (2019)

    Blick auf die Besamungsstation des Landgestüts Zweibrücken (2019)

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    Müller, Maren / Landgestüt Zweibrücken
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    Maren Müller
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  • Ausschnitt aus dem Grundriss von 1808, der den kleinen Wirtschaftshof des ehemaligen Schlosses zeigt

    Ausschnitt aus dem Grundriss von 1808, der den kleinen Wirtschaftshof des ehemaligen Schlosses zeigt

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    Stadtarchiv Zweibrücken
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  • Ansicht einer Zuchtliste aus dem Landgestüt Zweibrücken (spätes 18. / frühes 19. Jahrhundert)

    Ansicht einer Zuchtliste aus dem Landgestüt Zweibrücken (spätes 18. / frühes 19. Jahrhundert)

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    Landgestüt Zweibrücken
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    unbekannt
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Die Hauptfunktion eines Landgestüts, so auch des Landgestüts Zweibrücken, war stets die systematische Zucht von Pferden. Diese wird in Zweibrücken seit der Gründung des Gestüts durch Herzog Christian IV. (1722-1775, regierte ab 1740) betrieben. Auch heute noch findet in Zweibrücken Pferdezucht in der Besamungsstation statt, die sich sich im linken (westlichen) der beiden langgestreckten Verwaltungsgebäude befindet. Früher, das verrät der Grundriss von 1808 befand sich an dieser Stelle ein kleiner Verwaltungshof (bezeichnet als „Petit Cour pour les administrateurs“, siehe Abbildung in der Mediengalerie), der das Petit Palais vom Hoftheater trennte. Die Besamungsstation stellt einen für Besucher geschlossenen Bereich des Landgestüts Zweibrücken dar, weil die dort eingelagerten und eingefrorenen Samen oft sehr teuer sind.

Überblick über die vier Pferde-Grundtypen
Da der Mensch schon seit tausenden von Jahren das Pferd systematisch für ganz verschiedene Funktionen nutzt, begann er früh das Pferd nach seinem Äußeren und seinen Eigenschaften zu unterscheiden. Nicht jedes Pferd ist nämlich für die entsprechenden Funktionen gleichermaßen geeignet. Somit entstand die Unterteilung in die Grundtypen Araber, Vollblut, Warmblut und Kaltblut. Zum besseren Verständnis werden diese vier Grundtypen des domestizierten Pferdes im Folgenden kurz dargestellt:

Das Araberpferd
Das Araberpferd wird bereits seit tausenden von Jahren systematisch gezüchtet und gilt daher, als die älteste der domestizierten Pferderassen.
„Araber zeigen mit ihren großen, stets wachen Augen unter den Pferden die deutlichste Ausprägung des Nerven-Sinnespols, sind eitel, äußerst sensibel, nervös und schreckhaft. Sie sind die feingliedrigsten Pferde, dünnhäutig mit oberflächlich sichtbaren Blutgefäßen, haben einen langen, emporstrebenden Hals, extrem harte Hufe und tragen den Schweif, ähnlich der Ziehe, meist leicht aufgerichtet“ (Lorenz 2007, S. 95).

Das Vollblutpferd
Vollblüter sind Pferde, die einen stark ausgeprägten Erbanteil von Araberpferden vorweisen können. Araber stellen demnach eine Art Reinform des Vollblüters dar. „Vollblüter sind ausdauernd, lieben endloses, schnelles, gerades Laufen, sind aber auch geeignet, sich Dressurstücke beibringen zu lassen. Sie ertragen keinen Bewegungsmangel und neigen bevorzugt zu Erkrankungen des Herz- Kreislauf- und Atmungssystems“ (Lorenz 2007, S. 95).

Das Warmblutpferd
Warmblüter sind Pferde, die aus der Kreuzung von Voll- als auch Kaltblütern hervorgehen. „Unter ihnen finden sich die problemlosesten Reitpferde mit großer Anpassungsfähigkeit an verschiedene Lebensbedingungen. Sie dominieren weltweit das Sport- und Turniergeschehen in den meisten Disziplinen. Sie sind weniger empfindlich als Vollblüter und erkranken relativ gleichmäßig an Muskeln, Gliedmaßen, Atmungsorganen, Verdauungstrakt und sind auch für Tumoren und Allergien empfänglich“ (Lorenz 2007, S. 95).

Das Kaltblutpferd
Kaltblüter stellen von ihrem Äußeren den Gegenpol zu den filigranen Araberpferden dar, sie sind groß und schwer, verfügen über eine ausgeprägte Körperfülle und Muskulatur und werden als gutmütige, geduldige, relativ träge Gewohnheitstiere charakterisiert (Lorenz 2007, S. 95f.).

Wie aus den kurzen Beschreibungen der vier Pferde-Grundtypen hervorgeht, weist jede der Gruppen spezifische Eigenschaften auf, die sich teilweise vorteilhaft, teilweise aber auch nachteilig auf die Funktionen auswirken, die der Mensch den Pferden zugedacht hat. Ein Araberpferd beispielsweise, das von seinem Körperbau dem ästhetischen Empfinden der Menschen vielleicht mehr zuzusagen vermag, als es ein schweres Kaltblutpferd tut, wird aufgrund seines sensiblen und schreckhaften Wesens kaum für den Kriegsdienst geeignet sein. Für den Rennsport wird allerdings kein Kaltblüter mit seinem massiven Körperbau einen Einsatz finden, da geht es eher um das Vermögen zur Ausdauer und Genügsamkeit. Damit den verschiedenen Erwartungen an das Pferd entsprochen werden konnte, wurden in der Pferdezucht viele Kreuzungen durchgeführt.

Pferdezucht im 18. Und 19. Jahrhundert
Die Pferdezucht änderte sich in ihren Grundzügen über die Jahrhunderte hinweg nicht. Es wurde doch stets der Versuch unternommen, durch Kreuzung zweier guter Pferde ein noch besseres Pferd zu erhalten. Über die Frage jedoch, was das beste Pferd ausmache, gingen die Meinungen auch im 19. Jahrhundert noch stark auseinander, wie ein Auszug aus Röttger von Veltheims Abhandlungen über die Pferdezucht Englands aus dem Jahre 1833 darstellt:

„Da nun leider der Mensch das Neue und Ungewöhnliche so gerne ergreift, und Buffon ausserdem den Ruf genoss, nächst Linné der größte Naturforscher seiner Seit zu seyn; so konnte es nicht fehlen, dass sein System nicht nur in Frankreich, sondern auch, so weit sein Name gekannt war, und insbesondere in dem nachahmungssüchtigen Deutschland, mit Enthusiasmus aufgenommen wurde. Die widersinnigsten Kreuzungen (wie Wollstein sagt: “ein wahnsinniges Gemisch„) wurden nun überall in Staats- und Privat-Gestüten vorgenommen, und so dasjenige, was von der frühern Farbenliebhaberei noch etwa unangetastet und rein geblieben war, vollends zu Grunde gerichtet“ (von Veltheim 1833, S. 374).

Veltheim kritisiert in seinem Werk scharf das durch Buffon, gemeint ist der französische Naturforscher Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon (1707-1788), empfohlene und auf Durchmischung der Gene angelegte Zuchtverfahren, das eine Kreuzung ganz unterschiedlicher Pferderassen vorsah. „Buffon hatte nämlich gemerkt, dass Hengste aus südlichen Ländern, besonders Spanier und Barben, deren man sich in Frankreich noch oft bediente, edlere und bessere Nachkömmlinge mit Französischen Stuten erzeugten, als Französische Hengste; anstatt jedoch diesen Erfolg ganz einfach daraus abzuleiten, dass jene südlichen Hengste an sich edler und besser waren, als die Französischen, suchte er den Grund davon nur darin, dass solche aus einem entfernten, dem Französischen ganz heterogenen Himmelsstriche, und von der einheimischen ganz verschiedenen Race wären [...]“ (von Veltheim 1833, S. 373). Veltheim bemängelt demnach eine Zuchtpraxis, der zufolge ganz unterschiedliche Pferderassen miteinander gekreuzt werden und „[…] so jene bunten, übrigens aber ganz werthlosen Pferdegemische der landesherrlichen Gestüte, bald auch den Landesschlägen mitgetheilt wurden. Zuerst geschah dieses z. B. in Würtemberg, und da unglücklicher Weise zu der Zeit Simon Winter von Adlersflügel dort Gestüts-Director war, - der, wie ein bekanntes Werk besagt, sich nur an den abentheuerlichsten Mischungen der heterogensten Pferde-Racen, besonders aber der buntesten Haare ergötzte, ja sogar, wo möglich, gern Bastarde von Pferden mit Kühen, Hirschen und sonstigen Thiergattungen produciert hätte [...]“ (Veltheim 1833, S. 372).

Dieser Negativbewertung der meisten deutschen Landgestüte stellt der Autor zwei Beispiele seines Erachtens nach richtiger Züchtungspraxis gegenüber. Dabei wird auch Zweibrücken erwähnt:

„Unter diesen, der Pferdezucht auf dem Europäischen Continente, besonders aber in Deutschland, so ungünstigen Umständen, hatten zwei Deutsche Fürsten, der Herzog von Zweibrücken und der Markgraf von Anspach, sich in England durch eigene Anschauung der dortigen Pferdezucht richtigere Ansichten zu verschaffen gewusst. Beide legten zuerst Hof- und Stammgestüte von Englischen Hengsten und Stuten an, und wussten sich auch (besonders der Herzog von Zweibrücken) mehrere treffliche Orientalische Hengste zu verschaffen, womit sie die Englische Race auf eine homogene Art kreuzten, oder vielmehr nur auffrischten“ (Veltheim 1833, S. 375).

Unter Herzog Christian IV. wurde die Pferdezucht nur noch durch die Landgestüte erlaubt, was einem Monopol der Pferdezucht gleichkam. Um dieses Monopol durchzusetzen, erließ der Herzog einige Bestimmungen im Umgang mit Stuten, Hengsten und Füllen. Unter anderem mussten alle deckfähigen Hengste seines Herzogtums kastriert werden, damit eine Belegung (Besamung) lediglich durch die herrschaftlichen Hengste erfolgen konnte. Herzog Christian IV. wollte gezielt arabische Hengste mit englischen Stuten kreuzen, was ihm das Lob des Grafen von Veltheim im oben angeführten Zitat einbrachte.

Dass von Veltheim auch England an dieser Stelle lobend erwähnt, liegt darin begründet, dass die Engländer im 18. Jahrhundert als hervorragende Pferdezüchter angesehen wurden. Dies ist sicher dadurch zu begründen, dass in England stets Pferderennen und das damit verbundene Wetten sehr beliebt waren. Die Zucht der englischen Vollblutpferde wurde fortan konsequent auf die Schnelligkeit der Tiere und auf ihre Eignung als Beschäler (Deckhengste) ausgelegt. Diese Praxis, einen Großteil der Zucht in Zweibrücken mit Hilfe englischer Voll- und Halbblut-Hengste vorzunehmen, wurde bis zur Mitte der 1920er Jahre weitergeführt. Zur Mitte der 1930er Jahre jedoch ging der Zuchtanteil der Vollblüter zurück und wurde stark durch die zu den Warmblütern zählenden Normännerpferde geprägt. Die Normänner eigneten sich viel eher als Arbeitspferde und wurden daher stärker gezüchtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch und einhergehend mit der zunehmenden Technisierung in der Landwirtschaft, waren Arbeitspferde nicht mehr gefragt, die Nachfrage nach Reitpferden jedoch wuchs wieder an. Aus diesem Grunde wurden Trakehner Hengste zur Beschalung nach Zweibrücken geliefert und brachten einige erfolgreiche Springpferde hervor, beispielsweise den 1958 geborenen Hengst Feuerwerk (siehe Abbildung in der Mediengalerie) (Nebe 2005, S. 113).

Nachweise der Abstammung
Der Stammbaum eines jeweiligen Pferdes bzw. seine über viele Generationen hinweg nachvollziehbare Abstammung, stellte ein entscheidendes Kriterium für die systematische Zucht und auch für den Wert eines Pferdes dar. Mit der Führung sogenannter Stud Books wurden der Stammbaum und die einzelnen Merkmale der einzelnen Pferde penibel festgehalten. Auch in Zweibrücken wurden derartige Listen, Signalements genannt, geführt. Neben dem Namen, dem Alter und Aussehen des Tieres, insbesondere des Kopfes und der Beine, wurden ebenfalls die Eltern und deren Rasse angegeben (siehe Abbildung in der Mediengalerie).

Pferdezucht in heutiger Zeit
In der heutigen Zeit findet die Pferdezucht nicht mehr auf natürliche Weise, sprich durch den physischen Kontakt der Deckung, statt sondern über die künstliche Befruchtung der Stute durch den Samen eines zuvor nach den Wunschkriterien der Besitzer ausgewählten Hengstes. Damit die Fohlen den individuellen Wünschen entsprechen, wählen erfahrene Züchter den passenden Vater sorgsam aus, dessen Samen mithilfe des sogenannten Phantoms, eines Barrens, der für die Besteigung genutzt wird, gewonnen. Auch internationale Züchter können ihre Stuten künstlich besamen lassen, wenn sie zuvor einen online-verfügbaren Bestellschein ausgefüllt und verschickt haben. Der Samen der Zweibrücker Hengste wird hierfür tiefgefroren, dadurch konserviert und in alle Welt verschickt. Die Befruchtung von Stuten wird auch vor Ort in der Besamungsstation vorgenommen, die den EU-Kriterien entspricht. Diese Art der Befruchtung hat auch den Vorteil, dass eine medizinische Betreuung vor- während und nach der Befruchtung stattfindet. Vom Ausschluss möglicher genetischer Erkrankungen, über die Ermittlung des geeigneten Zeitpunkts für die Befruchtung bis hin zur Überwachung des Pferde-Fötus per Ultraschall sollen so die idealen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Schauen Sie sich auch das Video des Stalljungen zu diesem Objekt an (siehe Mediengalerie).

(Paula Binz, Isabell Weiland, Janina Hicking, Florian Weber, Universität Koblenz-Landau, 2019)

Internet
landgestuet-zweibruecken.de: Besamungsstation (abgerufen 13.12.2019)
www.deutsche-biographie.de: Christian IV. (abgerufen 10.01.2020)

Literatur

Nebe, Hans Dieter / Landgestüt Zweibrücken (Hrsg.) (2005)
Der Zweibrücker und sein Gestüt. 250 Jahre Landgestüt Zweibrücken. Zweibrücken.

Besamungsstation Landgestüt Zweibrücken

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Gabelsbergerstrasse 25
Ort
66482 Zweibrücken
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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„Besamungsstation Landgestüt Zweibrücken”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-302383 (Abgerufen: 19. April 2024)
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