Die militärische Rolle der Landgestüte

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Fachsicht(en): Landeskunde
  • Hengst-Quadrille am 25. September 1949 auf der Rennwiese östlich des Landgestüts Zweibrücken (1949)

    Hengst-Quadrille am 25. September 1949 auf der Rennwiese östlich des Landgestüts Zweibrücken (1949)

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Bis nach dem Ersten Weltkrieg unterstanden die Landgestüte der jeweiligen Landesherrschaft und dienten vornehmlich der Zucht von Pferden für militärische Zwecke.

Dem Pferd wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert eine ganz andere Bedeutung beigemessen als heute. Zwei Textpassagen aus einer Buchrezension zu „Ross und Reiter, in Leben und Sprache, Glauben und Geschichte der Deutschen. Eine kulturhistorische Monografie“ von Max Jaehns aus dem Jahre 1872 veranschaulichen diese Einschätzung. Ein nicht näher genannter deutscher Minister wird folgendermaßen zitiert:
„Wenn sich auch die Aufgaben der Landespferdezucht selbstverständlich nicht auf die Zucht eines tüchtigen Soldatenpferdes beschränken dürfen, und andere Gebrauchszwecke gleichfalls gebührende Berücksichtigung erfordern, so wird doch immerhin die Schlagfertigkeit der Armee und die Erhaltung einer Kavallerie, welche sich den Ruf der bestbewährten erworben hat, als eine sehr wesentliche Aufgabe der Regierung anzusehen sein; und selten dürfte sich eine so geeignete Gelegenheit bieten, das Pferd unseres Vaterlandes in seinen Leistungen auf diesem Gebiete in so grossem Umfange zu beobachten, als uns die Geschichte dieser Periode dargeboten hat. Im Uebrigen wird sich aber auch aus den Leistungen des Soldatenpferdes ein Urtheil über den Zustand der Landespferdezucht im Allgemeinen ableiten lassen, da sich in den verschiedenen Kategorien des Soldatenpferdes zugleich überwiegend die Verwendbarkeit des Pferdes in seinen verschiedenen wirthschaftlichen Gebrauchszwecken repräsentirt findet.“ (Faucher 1872, S. 223f.)

Demnach lag der Hauptgrund für die Landespferdezucht des 19. Jahrhunderts darin, Pferde vornehmlich für militärische Zwecke zu züchten. Den Stellenwert dieses Tieres für das Militär und welche Anforderungen somit auf den Landgestüten lasteten, macht die nächste Textpassage deutlich:
„Jene Berichte sprechen sich übereinstimmend günstig über die Leistungen der preußischen Pferdezucht aus und betonen ihre Vorzüge vor den französischen Zuchtresultaten […]. Der Feldzug von 1870/71 hat nach langem Harren die deutsche Reiterei wieder auf der Höhe kavalleristischer Leistungsfähigkeit gezeigt.“ (Faucher 1872, S. 223f.)

Es wird deutlich, welche Rolle in Deutschland der Kavallerie für die Kriegsführung des ausgehenden 19. Jahrhunderts beigemessen wurde, nämlich das kriegsentscheidende Gewicht während der Kampfhandlungen zu sein.
Pferdezucht wurde als eine der wichtigen Aufgaben der Regierung angesehen. Ausgehend von den Fähigkeiten des Tieres als Soldatenpferd wurde erst in zweiter Linie auf die Qualifikation in anderen, wirtschaftlichen Einsatzbereichen geschlossen.
Die in der Buchrezension angeführten Zahlen der im Felde zum Einsatz gekommenen Pferde sind hoch. Während des Deutschen Krieges von 1866 waren oben genannter Quelle zufolge 37.845 preußische Pferde als Kavallerie, vornehmlich als Husaren, Dragoner und Ulanenregimenter, in die Schlacht gezogen. Hinzu kommen auf preußischer Seite 33.481 Pferde der Artillerie, vermutlich um die schweren Kanonen und das Kriegsgerät zu ziehen, sowie 14.056 Transportpferde. So ergibt sich eine Gesamtsumme von nahezu 90.000 preußischen Pferden während eines Krieges (Faucher 1872, S. 227).

Während des Ersten Weltkrieges wurden von deutscher Seite aus 1 Million und 237.000 Pferde als Teil des Feldheeres eingesetzt.

Pferde sind nicht dazu geeignet, weite Strecken neben marschierenden Soldaten zurückzulegen. Unzählige Tiere starben an Erschöpfung am Wegesrand bzw. wurden durch den „Gnadenschuss“ getötet. So zählten Pferdekadaver entlang der Marschrouten im Ersten Weltkrieg zu einem häufigen Phänomen. In der nachfolgenden Zeit spielten Pferde für das eigentliche Kriegsgeschehen keine entscheidende Rolle mehr. Mit modernen Waffensystemen wurden Schlachten gewonnen und nicht mehr durch den Einsatz der Kavallerie. So kann es nicht überraschen, dass die Verlustrate von Pferden während des Ersten Weltkriegs um 80 % eingeschätzt wird, was eine Million tote Pferde bedeutet (von den Driesch und Peters 2003, S. 195).

(Florian Weber, Universität Koblenz-Landau, 2020)

Literatur

Driesch, Angela von den; Peters, Joris (2003)
Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierheilkunde. Stuttgart.
Faucher, Julius (Hrsg.) (1872)
Vierteljahrschrift für Volkswirthschaft und Kulturgeschichte. Zehnter Jahrgang, zweiter Band. Berlin. Online verfügbar: via Google Books

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„Die militärische Rolle der Landgestüte”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-305418 (Abgerufen: 5. Dezember 2024)
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