Kastell Altenstadt

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Archäologie, Denkmalpflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Altenstadt (Hessen)
Kreis(e): Wetteraukreis
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 50° 17′ 8,7″ N: 8° 56′ 28,52″ O 50,28575°N: 8,94125°O
Koordinate UTM 32.495.814,90 m: 5.570.404,02 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.495.887,97 m: 5.572.193,16 m
Das Kastell Altenstadt ist heute vollständig überbaut, so dass Informationen über den Innenbereich des Kastells fehlen. Dennoch hat die Südwestecke des Lagers die Straßenführung beeinflusst, denn die Biegung der Frankfurter Straße in die Obergasse zeichnet bis heute ungefähr den Verlauf der Kastellmauer während der jüngsten Ausbauphase nach.
In der im Jahr 1886 im Auftrag des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen untersuchten Anlage wurde in den Jahren 1955, 1956 und 1959 nochmals gegraben. Bei allen Grabungen erwies sich die dichte neuzeitliche Bebauung als das größte Hindernis, denn an keiner Stelle konnten größere Flächen geöffnet werden. Deshalb bleiben viele Angaben zu Kastell Altenstadt vorläufig oder reine Hypothese.

Lage des Kastells und seine Verkehrsanbindung
Die Geschichte des Kastells
Die Besatzung des Kastells
Das Kastelldorf
Der Limes bei Altenstadt

Lage des Kastells und seine Verkehrsanbindung
Das Kastell Altenstadt muss an einer Stelle errichtet worden sein, an der im Flusstal der Nidder eine wichtige Verkehrsverbindung aus dem Rhein-Main-Gebiet in den Vogelsberg und weiter nach Fulda führte. Auch der nur fünf Kilometer entfernte Glauberg war von hier aus leicht zu kontrollieren.

Die Geschichte des Kastells
Das mehrfach erweiterte Kastell war schon von domitianischer Zeit (81 bis 96 nach Christus) an bis zur Rücknahme des Limes an den Rhein (259/60 nach Christus) durchgehend besetzt. Dabei wurde es mehrfach verändert und vergrößert, ohne jedoch jemals eine solche Ausdehnung zu erreichen, dass eine vollständige Kohorte in dem Lager Platz gefunden hätte.
Bei der ältesten römischen Anlage in Altenstadt handelte es sich lediglich um ein kleines Erdwerk von 69,5 x 69,5 Metern, geschützt von einem Graben und einer gut gebauten Holz-Erde-Mauer. Hinter der vorderen, anhand von Pfostenlöchern nachgewiesenen Wallversteifung dürfte ein Erdwall von etwa drei Metern Breite angeschüttet gewesen sein, so dass die Besatzung über eine nutzbare Innenfläche von 0,3 Hektar verfügte. In der Nordwestecke zeigten sich die Standspuren eines hinter dem Wall errichteten Turmbaues mit einer Grundfläche von 3,5 mal 2,5 Metern. Dass diese Anlage während der Chattenkriege Domitians als Marschlager fungierte, bleibt aufgrund fehlender Funde lediglich eine Vermutung. Ebenfalls unklar ist der Zeitpunkt, an dem diese Anlage aufgelassen wurde.
Wenig später nutzte man den Nord- und Ostgraben dieser ersten Befestigung für einen zweiten Wehrbau von rechteckiger Form. Sein Graben war mit 5,5 Metern Breite und 3,35 Metern Tiefe etwas größer dimensioniert als der des ersten Lagers. Aus den Maßen von 92,5 mal 58,5 Metern ergibt sich eine Gesamtfläche von 0,35 Hektar. Auch diese Garnison war von einer Holz-Erde-Mauer umgeben, deren Frontversteifung sich in der Nord-West-Ecke zeigte. Dort konnte auch ein Eckturm von 3,3 mal 2,6 Metern Grundfläche beobachtet werden. In Fachwerktechnik errichtete Baracken, von denen Reste gefunden wurden, standen in dieser Bauphase dicht vor der Nordwand. Toranlagen ließen sich bei keiner dieser beiden Anlagen nachweisen.
Diesem Kleinkastell soll nach Süden hin ein Annex (Anbau an ein Kastell, der sich vor allem in Britannien häufig findet und ein von der Truppe genutztes Gelände schützte) angebaut worden sein. Der Graben dieser Erweiterung wurde schwächer angelegt als der Graben auf der Südseite des zweiten Wehrbaus. Mit dem Annex könnte ein kleines Badegebäude in die Gesamtanlage einbezogen worden sein, das in der östlichen Hälfte der Erweiterung stand. Vermutlich war aber auch der Südwesten dieses geschützten Bereiches locker bebaut.
Das mit diesem Annex auf 0,8 Hektar Innenfläche erweiterte Kleinkastell datiert nach gestempelten Ziegeln, die aus einem sicher nicht der ersten Schanze zuzurechnenden Gebäude stammen, in die Jahre zwischen 105 und 125 nach Christus. Nach Funden aus den einplanierten Wehrgräben ist dieser Wehrbau ähnlich wie die Saalburg um 135 nach Christus eingeebnet worden.
Vermutlich erfolgte der vollständige Neubau des Kastells Altenstadt, weil eine größere taktische Einheit an diesen Grenzabschnitt verlegt wurde. Der Grundriss dieser Anlage ist nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen. Sofern der rückwärtige Lagerbereich (lateinisch: retentura) im Norden nicht etwas breiter konzipiert war als die praetentura (lateinisch für vorderen Lagerbereich), könnten nach Vergleichen aus Britannien auch mindestens zwei der vier Seiten zwischen den Toren so um 7,5 Meter gegeneinander versetzt gewesen sein, dass die Einlässe Hakentore bildeten. Aufgrund dieser Unklarheit kann zwar die Längsausrichtung mit 111 Metern sicher bestimmt, der Innenraum dagegen auf annähernd einen Hektar nur grob geschätzt werden. Der vor der Rasensodenmauer (von 3,6 Meter Breite) ausgehobene Graben war in dieser Nutzungsphase 5,5 bis 6 Meter breit und 3,3 Meter tief. Im zentralen Bereich konnten Reste der principia (lateinisch für Stabsgebäude), vor der nördlichen Mauer Teile von Mannschaftsbaracken sowie im Südwesten des früheren Annexes ein beheizbares Gebäude mit holzverschaltem Vorratskeller ausgegraben werden. Für das frühere Badegebäude wird eine Weiternutzung als praetorium (lateinisch für Wohngebäude des Kommandanten) vermutet. Aus unbekannten Gründen wurde diese sicher nicht durch ein Feuer zerstörte Anlage wohl in der Mitte des zweiten Jahrhunderts aufgegeben und vermutlich wegen der größeren Dauerhaftigkeit durch einen vollständig in Stein ausgeführten Neubau ersetzt. Das von zwei Wehrgräben umgebene Kastell von 1,3 Hektar maß am Fuß der Umfassungsmauer 132 mal 114 Meter. Diese war im Norden der Ostseite, im Westen der Nordseite und im Südwesten vor den Graben der vorausgehenden Anlage gesetzt worden. Im Norden stand sie dagegen hinter dem aufgegebenen Graben beziehungsweise schnitt sogar zum Teil in dessen Innenböschung ein. Die auf einem 1,9 Meter hohen Fundament sitzende Mauer von 1,2 Meter Breite, bei der sich die nacheinander eingebrachten Steinlagen optisch deutlich voneinander trennen ließen, war mit Eck- und Zwischentürmen ausgestattet. Von der Innenbebauung dieser Periode sind wiederum nur Spuren der principia, des praetoriums, von Mannschaftsbaracken sowie zwei nicht sicher zu deutenden Gebäuden bekannt.
Das Steinkastell ist offenbar zweimal durch großflächige Brände zerstört worden. Da das Fundmaterial aus geschlossenen Funden bis in die Jahre 160/170 nach Christus datiert, könnte sich bei dem älteren Schadenshorizont der Chatteneinfall des Jahres 162 ausgewirkt haben. Ob bei dem sich anschließenden Wiederaufbau der bis in das frühe dritte Jahrhundert weiterbestehenden Anlage der äußere Wehrgraben aufgegeben worden ist, bleibt leider unklar. Die zweite Zerstörung könnte mit den Ereignissen des Jahres 233 zusammenhängen.
Ob und in welcher Weise das Kastell nach dieser Katastrophe weitebestanden hat, ließ sich bei den Untersuchungen nicht klären. Ein Weihestein für ein collegium iuventutis (lateinisch für militärisch organisierter Jugendverband), der durch die Konsulangabe in seiner Inschrift in das Jahr 242 datiert werden kann, belegt jedenfalls zweifelsfrei, dass das Kastell zu diesem Zeitpunkt, zumindest vorübergehend, noch besetzt gewesen sein muss.

Die Besatzung des Kastells
Es ist bislang nicht möglich, die in den verschiedenen Wehrbauten stationierten Truppen zweifelsfrei zu benennen. Zwar ergibt sich aus einer Inschrift, dass die hier liegende Einheit in Zenturien gegliedert war, aber das trifft sowohl auf Kohorten wie für Numerusverbände zu.

Das Kastelldorf
Das von seiner Ausdehnung her offenbar ziemlich bedeutende Kastelldorf scheint sich beim Kastell Altenstadt auf allen vier Seiten des Lagers entwickelt zu haben. Sein Areal ist inzwischen vollständig überbaut, so dass nur noch kleinere Aufschlüsse zu mehr oder minder zufälligen Entdeckungen führen können. Sicher bestimmt ist die Lage eines Friedhofs nördlich des Kastells.

Der Limes bei Altenstadt
In einem landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebiet wie der Gegend um Altenstadt sind die Reste des Limes durch die Landwirtschaft so weit verschwunden, dass sie sich obertägig nicht mehr erkennen lassen. Trotzdem kann der Grenzverlauf anhand von bekannten Wehrbauten wie Kastellen, Kleinkastellen und Wachttürmen einigermaßen sicher bestimmt werden. Umso wichtiger ist es gerade in Gebieten wie der Wetterau, bei Bodenaufschlüssen, die durch die verschiedensten Baumaßnahmen bedingt werden, archäologische Grabungen durchzuführen.
Bei einer solchen Untersuchung konnte bei Altenstadt-Oberau der Limesgraben samt dem vorgelagerten, parallel verlaufenden Palisadengräbchen geschnitten werden. Die westliche Böschung des 2,8 Meter tief erhaltenen Limesgrabens war hier steiler angelegt als die östliche, die in ihrem Verlauf zusätzlich eine Stufe zeigte. Dieser Absatz ist wahrscheinlich auf ein späteres Nacharbeiten zurückzuführen. Wenig südlich des ersten Aufschlusses zeigte sich das gleiche Bild, zusätzlich waren jedoch 4,2 Meter vor dem Paliadengräbchen des Limes zwei weitere, im Abstand von 2,5 Metern parallel zueinander ausgehobene Gräbchen zu erkennen. Bei einer Breite von 40 bis 60 Zentimetern lag die leicht gerundete Sohle in der Tiefe von 0,6 bis einem Meter. Eine fundleere Grube von 1,55 Metern Durchmesser, die unmittelbar vor dem Palisadengraben der Limestrasse geschnitten wurde, enthielt keinerlei Hinweise auf ihre damalige Nutzung.

(Margot Klee, hessenARCHÄOLOGIE, 2018)

Literatur

Anthes, Eduard (1912)
Das Kastell Altenstadt. Der Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches. Abt. B, Nr. 20. Berlin u. Leipzig.
Fabricius, Ernst (1936)
Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches Abt. A Band II. Die Wetteraulinie vom Köpperner Tal bei der Saalburg bis zum Main bei Gross-Krotzenburg. Berlin/Leipzig.
Landesdenkmalamt Baden-Württemberg; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Landesamt für Denkmalpflege Hessen; Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2003)
Der Obergermanisch-Raetische Limes / Upper German-Raetian Limes. Antrag zur Aufnahme als Welterbe / Nomination for Inclusion on the World Heritage List. Stuttgart.

Kastell Altenstadt

Schlagwörter
Ort
63674 Altenstadt
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kulturdenkmal gem. § 2 DSchG Hessen
Fachsicht(en)
Archäologie, Denkmalpflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Fernerkundung, Archäologische Grabung
Historischer Zeitraum
Beginn 150, Ende nach 260

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„Kastell Altenstadt”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-284664 (Abgerufen: 19. März 2025)
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