Der kleine Kanzelfelsen ist ein mächtiger Fels an der Ostseite des 488 Meter hohen Kanzelbergs im Pfälzerwald. Auf dem Felsen ist eine Inschrift aufgetragen. Sie behandelt die Teilung der Fünften Haingeraide (Leonhardt 1928, S. 122). Diese Waldgenossenschaft war ein Zusammenschluss der Ortsgemeinden Diedesfeld (heute Ortsteil von Neustadt an der Weinstraße), Kirrweiler, Maikammer und Sankt Martin. Die Haingeraidegenossenschaften gehen auf das frühe Mittelalter zurück. Die Holznutzung in den Haingeraiden war ein wichtiges Rückgrat der Grundversorung der Bewohner der jeweiligen Gemeinden.
Im Verlauf der Jahre 1821 bis 1826 wurde die Teilung der Fünften Haingeraide (auch Vierte Mittelhaingeraide) durchgeführt. Als wesentliche Gründe dafür werden der schlechte Zustand des Waldes, die Mängel in der Verwaltung des Genossenschaftssystems sowie Neid und Mißgunst der Geraidegenossen benannt. Natürlich spielte auch die grundlegend neue Ausrichtung der Forstverwaltung durch die bayerische Regierung eine Rolle. Im Intelligenzblatt von 1827 wird vermerkt, die ehemals herrschaftlichen Wälder leuchteten wie Oasen aus der trostlosen Wüste der Haingeraide hervor. Schon die französische Regierung hatte sich an das Kollektivgut Haingeraide gemacht, indem 1794 strenge Bestimmungen zur Neuordnung des Forstwesens erlassen worden waren.
Die Inschrift auf dem Kanzelfelsen lautet: HAECCE SYLVA INTER PAGOS MAIKAMMER DIEDESFELD KIRRWEILER ET ST. MARTIN ULTRA HOMINUM MEMORIAM INDIVISE POSSESSA INCOMMODUM EMOLUMENTUM QUE MAXIMUM PAGORUM HORUM DIVIS FUIT EORUM PRAETORIBUS DANIEL REINIG JAC GIES CASP BECKER GEORG SEEBER JOAN HARTMANN SECRETARIO JAC ALBERT SALTUUM CUSTODE ANNO DOM MDCCCXXIII DIE VIII MENSIS AUGUSTI
An der Übertragung des Textes haben sich schon mehrere Personen versucht (Eitelmann 2005, Seite 78). Nicht immer geschah dies mit gutem Erfolg. Eine gute erklärte Übersetzung mit notwendiger Korrektur des Textes ist in der Zeitschrift Pfälzerwald (Mitgliederzeitschrift des Pfälzerwald-Vereins) abgedruckt (Pfälzerwaldverein 1999, Seite 14). Um sich dem Text zu nähern, sollte die Inschrift zunächst in „lesbares“ Latein übertragen werden:
Hec silva inter pagos Maikammer, Diedesfeld, Kirrweiler et St. Martin ultra hominum memoriam indivise possessa, in commodum et emolumentumque maximum pagorum horum divisa fuit eorum praetoribus Daniel Reinig, Jac, Casp. Becker, Georg Seeber, Joan Hartmann, secretario Jac. Albert saltuum custode. Anno domini MDCCCXXIII die VIII mensis augusti
Eine Übertragung ins Deutsche lautet wie folgt: Dieser Forst zwischen den Dörfern Maikammer, Diedesfeld, Kirrweiler und St. Martin, seit Menschengedenken in ungeteiltem Besitz, wurde zum Vorteil und größtmöglichen Nutzen dieser Dörfer geteilt durch die Bürgermeister Daniel Reinig, Jacob Gies, Caspar Becker und Georg Seeber sowie den Sekretär Johann Hartmann und den Waldhüter Jacob Albert. Im Jahre des Herrn 1823 am 8. August
Die Inschrift darunter erinnert an den 100. Jahrestag des Ereignisses, nämlich den 8. August 1923. Die Inschrift lautet: ZUR ERINNERUNG AN DIE 100JAHRFEIER 8.AUG1923 DIE VIER KONKURRENZGEMEINDEN
Baumann, Günter Otto / Landkreis Südliche Weinstraße (Hrsg.) (2010)
Kanzelfelsen im Hinterwald. In: Heimat-Jahrbuch 2010 Landkreis Südliche Weinstraße, (Heimat-Jahrbuch.) S. 158-163. o. O.
Eitelmann, Walter / Pfälzerwald-Verein e.V. (Hrsg.) (2005)
Rittersteine im Pfälzerwald. Gedenksteine und Inschriften - Eine steinerne Geschichtsschreibung. Neustadt an der Weinstraße (5. Auflage).
Himmler, Karl Heinz / Pfälzerwald-Verein e.V. (Hrsg.) (1999)
Eine ganz und gar ungewöhnliche Wanderung. Haingeraidegemeinden gedenken der Aufteilung ihres Gemeinschaftswalds vor 175 Jahren. In: Pfälzerwald (Mitgliederzeitschrift des Pfälzerwald-Vereins 1/1999), S. 13-14. Neustadt an der Weinstraße.
Leonhardt, Johannes (1928)
Geschichte von Maikammer=Alsterweiler. S. 114ff., Maikammer.
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