Anfänge
Vom fürstlichen Lustgarten zum englischen Landschaftsgarten
Jüngste Restaurierungsmaßnahmen und Nutzungskontexte
Geländebeschreibung
Räumliche Lage und Erreichbarkeit
Internet
Anfänge
Kirchheimbolanden wurde 1544 zur Residenz von Adolf zu Nassau-Saarbrücken erklärt. Seine Blütezeit erreichte die Stadt im 18. Jahrhundert, als unter Fürst Carl August von Nassau-Weilburg im Jahr 1738 der Bau eines Residenzschlosses beauftragt wurde. Das auf dem Gelände befindliche Gebäude wurde zum dreiflügeligen Barockbau umgebaut und für die Schaffung eines Schlossgartens wurde der Hofgärtner Ludwig Wilhelm Koellner vom Fürsten beauftragt. Dieser plante einen großzügigen barocken Garten mit streng geometrischen Formen – die Geburtsstunde des Schlossgartens. Der ursprüngliche Plan von Koellner mit dem Bau eines Ballhauses und einer Orangerie wurde von seinem Schwager Georg Ludwig Gasqué aus Weilburg weitergeführt, da Koellner 1757 Kirchheimbolanden verließ und weiter nach Schwetzingen reiste. Unter Gasqué wurde die Gartenanlage bis 1778 erweitert, beispielsweise durch die Erbauung einer Schweizerei.
Vom fürstlichen Lustgarten zum englischen Landschaftsgarten
Doch mit der französischen Revolution mussten auch die Fürsten fliehen. Danach wurde der Garten zum Nationaleigentum erklärt. Im Zuge dessen wurde das Gelände versteigert und wechselte in den Folgejahren mehrfach den Besitzer. Der Kontrast zwischen dem fürstlichen Barockgarten und der späteren Umgestaltung des Schlossgartens könnte größer kaum sein. So zeigt ein Plan von 1759 einen nach strengen, geometrischen Regeln angelegten Garten ganz um Sinne des französischen Ideals von Symmetrie und Ordnung, um Natur durch „Beyhülfe der Kunst“ in ihrer wahren Schönheit zu entfalten. Dem aber hielt Jean-Jacques Rousseau 1761 entgegen: „Die Natur pflanzet nichts nach der Schnur“. Ganz in diesem „neuen“ Sinn folgt dann die englische Gartenbaukunst der Gestaltungsidee, die Vielfalt der Natur in all ihrer schönen Unregelmäßigkeit zu imitieren. Die Empfindung des Schönen - verstanden als „sublimity“ (das Erhabene) und „picturesque“ (das Malerische) - soll sich so mit vergnüglicher Erholung verbinden. Entsprechend begann bereits in der späten Kirchheimbolandern Fürstenzeit der „Umbau“ des Schlossgartens zu einer englischen Gartenanlage. Das heutige Gartenbild geht vor allem auf das Zusammenwirken des Gartenbesitzers Heinrich von Brunck und des Frankfurter Gartenkünstlers Philipp Siesmayer Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Der Schlossgarten zählt damit zum Kreis der über einhundert noch bestehenden Gärten und Parks, die diesem 1842-1932 in Frankfurt-Bockenheim bestehenden Gartenbaubetrieb zu verdanken sind. Der Landschaftsgarten des 19. Jahrhunderts ist damit ein Gegenentwurf des fürstlichen Lustgartens des 18. Jahrhunderts.
Jüngste Restaurierungsmaßnahmen und Nutzungskontexte
Der Schlossgarten wurde im Jahr 1942 von den Erben Bruncks in die gegründete Dr.-Heinrich-von-Brunck-Gedächtnisstiftung eingebracht. Die Stiftung kümmerte sich bis 2006 um die Erhaltung und Rekonstruktion des Gartens. Im Jahr 2006 erwarb die Stadt Kirchheimbolanden den Garten von der Stiftung. Seitdem wird die Anlage nach dem Entwurf Siesmayers schrittweise restauriert. Besonders zu erwähnen ist die momentan stattfindende Revitalisierung des ehemaligen barocken Terrassengartens, welcher am Hang zwischen Schloss und Ballhaus angelegt und im Laufe der Jahre zugeschüttet wurde. Für dessen Instandsetzung wird besonders Wert auf den Umgang mit dem kulturellen Erbe gelegt. Durch Hilfe der Eberhard-Schöck-Stiftung wurde ein Aufenthalt ukrainischer Steinmetzlehrlinge in der Pfalz ermöglicht, welche zusammen mit deutschen Steinmetzlehrlingen Werke erstellten, die in den Barockgarten eingebaut wurden. Andere Teile der Anlage wurden nach der Instandsetzung schon einer neuen Nutzung zugeführt. Im ehemaligen Ballhaus entstanden Wohnungen und das Schloss wurde zum Altenheim umfunktioniert.
Geländebeschreibung
Der das Stadtbild prägende Schlossgarten stellt aufgrund seiner historischen, botanischen und architektonischen Merkmale eine einzigartige Bereicherung für die Stadt und die Region dar. Er fungiert als Gartendenkmal, als Erholungsort und als Schauplatz historischer Ereignisse. Durch das harmonische Zusammenspiel der Elemente Erde, Stein, Wasser und Luft ist der Park Lebensraum für eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt. Ein Rundweg weist den Weg durch den Park, vorbei an einem Teich und hinauf zu einer kleinen Anhöhe mit der Schlossgartenbühne. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen statt. Bei der Gartenanlage ist es nicht beim ursprünglichen französischen Barockvorbild geblieben. Vielmehr steht die heutige Szenerie in der Nachfolge des englischen Landschaftsparks aus dem 19. Jahrhundert. Besonderen Ruf erlangte er durch seltene Bäume und Sträucher, die Dr. Heinrich von Brunck anpflanzen ließ: etwa die Atlaszedern, die Coloradotanne und andere damalige Setzlinge, die heute eine enorme Größe vorweisen. Der wertvolle mit Baumbeschriftungsschildern versehene Bestand seltener und exotischer Bäume erhebt ihn zu einer Attraktion von überregionaler Bedeutung. Mit Mitteln der Heinrich-von-Brunck-Gedächtnisstiftung wurde die im Schlossgarten befindliche Grabstätte der Familie Brunck neu gestaltet und anstelle der durch Vandalismus beschädigten Flora-Marmorstatue eine Bronzeplastik aufgestellt. Besonders sehenswert sind außerdem sämtliche schmiedeeisernen Schlossgartenportale, die die hohe Schlossgartenmauer durchbrechen.
Räumliche Lage und Erreichbarkeit
Mit dem Pkw kann der Garten über die A63, Ausfahrt Kirchheimbolanden, erreicht werden. Parkplätze sind auf dem Schlossplatz oder vor dem Schlossgarten auf der Dr.-Edeltraud-Sießl-Allee vorhanden. Der Schlossgarten kann ganzjährig kostenfrei betreten werden.
(Andrea Melzer und Sonja Kasprick, ZukunftsRegion Westpfalz, 2017; ergänzt durch Sören-Peter Dall, Kirchheimbolanden, 2023)
Internet
visit-kirchheimbolanden.de: Schlossgarten (abgerufen 05.04.2024)
www.westpfalz.wiki: Schlossgarten in Kirchheimbolanden (abgerufen 05.04.2024)
www.kirchheimbolanden.de: Barocker Terrassengarten (PDF-Datei, abgerufen 18.10.2017, Link nicht mehr erreichbar 05.04.2024)
www.kulturgut-service.de: Schlossgarten Kirchheimbolanden (Förderkreis Schlossgarten Kirchheimbolanden e.V., PDF-Datei, abgerufen 05.04.2024)
www.schlossgarten-kirchheimbolanden.de: Zahlen und Fakten zur Geschichte des Schlossgartens (abgerufen 05.04.2024)
www.stein-magazin.de: Revitalisierung eines Barockgartens (abgerufen 05.04.2024)
www.thornconcept.eu: Barockes Erbe: Revitalisierung eines Terrassengartens (Volltext, M. Senn, 2016, PDF-Datei, abgerufen 05.04.2024)