Nach ihrem Tod 1231 wurde Elisabeth von Thüringen im Zentrum der zu ihrem Hospital gehörigen Kirche St. Franziskus beigesetzt. 1235 erfolgte die Grundsteinlegung der heutigen, der Gottesmutter geweihten Kirche. Neben der Kirche befindet sich heute eine Ausgrabungsstätte.
Elisabeth von Thüringen (1207 bis 1231) pflegte ab 1228 in ihrem neu gegründeten Franziskushospital vor den Toren der Stadt Marburg Kranke und Arme. Nach ihrem Tod 1231 wurde sie im Zentrum der zu ihrem Hospital gehörigen Kirche St. Franziskus beigesetzt. Nach ihrem Tod übernahm der Deutsche Orden auf Betreiben der thüringischen Landgrafen Konrad und Heinrich die Verwaltung des Franziskushospitals
Der Bau der Elisabethkirche Noch im Jahr der Heiligsprechung Elisabeth von Thüringens erfolgte am 14. August 1235 die Grundsteinlegung der heutigen, der Gottesmutter Maria geweihten Kirche. Bauherren waren der Deutsche Orden und das Landgrafenhaus. Zur Finanzierung des Baus trugen vor allem die Spenden der Pilger bei, die zum Grab der Heiligen kamen. Entsprechend zügig gestaltete sich der Bauablauf. Rund um die entstehende Kirche entwickelte sich über die Jahrhunderte eine große Ordensniederlassung mit zahlreichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, die bis zur Aufhebung des Deutschordenshauses 1809 Bestand hatte. Im Jahr 1249 waren der Hochchor und die beiden ersten Langhausjoche vollendet, 1257 erfolgte die Weihe der Südkonche. 1260 wurden die mittleren Langhausjoche fertiggestellt. Die Gesamtweihe fand zwar bereit 1283 statt, doch die Vollendung der 80 Meter hohen Türme gelang erst in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts. Es entstand eine dreischiffige Hallenkirche mit einer mächtigen Doppelturmfassade und einer Dreikonchenanlage als Ostabschluss. Diese Chorlösung kam der Aufgabenzuteilung für die Kirche sehr entgegen. Während die Ostkonche der Liturgie des Deutschen Ordens diente, wurde die Südkonche Grablege des Landgrafenhauses. Für das Grab der Heiligen wurde die Nordkonche ausgewählt.
Architektur und Ausstattung der Kirche Die neue Kirche überschneidet sich genau an der Grabstelle Elisabeths mit der alten Hospitalkirche. Die Architektur orientiert sich an zwei vorausgehenden Bauten: der Kathedrale von Reims und der Liebfrauenkirche Trier. Der Erzbischof von Trier hatte für die Liebfrauenkirche die Krönungskirche der Könige Frankreichs zum Vorbild genommen, um seinen Anspruch auf die Krönung des deutschen Königs zu bekunden. Ausmessungen, die an der Elisabethkirche das Grundmaß des Trierer Fußes feststellten, führten zu der These, dass in Marburg dieselben Bauleute am Werk waren, die zuvor die Liebfrauenkirche in Trier errichtet hatten. Damit gehört die Elisabethkirche zu den frühesten rein gotischen Kirchenbauten in Deutschland. Von den beiden Kirchen in Reims und Trier wurden die verhältnismäßig einfache Maßwerkfigur aus zwei Spitzbogenbahnen, die einen runden Kreis tragen, sowie die wuchtigen Rundpfeiler, die in den Hauptrichtungen von vier Diensten umstanden sind, übernommen. Im Gewölbe werden die Dienstvorlagen von fein profilierten Rippen fortgeführt. Ungewöhnlich für eine hochgotische Kirche ist die Anlage des Langhauses in Form einer Halle. Dahinter stand sicher die Überlegung, den Wandaufriss des Chores zur Vereinheitlichung der Gesamtanlage auf das Langhaus zu übertragen. Die Ausstattung ist von seltener Vollständigkeit. Vieles bezieht sich auf die heilige Elisabeth. Bereits 1235 wurde ein kostbarer Reliquienschrein in Auftrag gegeben, der 1249 mit der Überführung der Gebeine in den neu geweihten Hochaltar fertig gewesen sein muss. Auf den Dachszenen des Schreins wird das Leben der Heiligen ebenso wie auf den Medaillonfenstern in der Ostkonche mit Christus in Verbindung gebracht. Ein Medaillon zeigt, wie Elisabeth zwei Obdachlose empfängt, von denen einer mit Muscheln an seiner Tasche als Jakobspilger ausgewiesen ist. Im Hochchor erfuhr die Gottesmutter als Patronin der Kirche und des Deutschen Ordens eine stärkere Betonung. Die Reliquien hingegen wurden später aus der zentralen Blickachse entfernt: Die Elisabethverehrung wandelte sich vom offiziellen zum inoffiziellen Kult der Kirche. Zwar wurde noch Mitte des 14. Jahrhunderts ein Relief in die Vorderseite des Mausoleums eingefügt, das vor ihrem Hochgrab Pilger zeigt, die sich auf Krücken nähern und Heilung erflehen, doch gleichzeitig brachte man Gitter an, die eine Berührung verhinderten. Später wurden die Reliquien noch stärker einer direkten Verehrung entzogen, indem man den Schrein in die Sakristei überführte.
Der Kirchenraum enthält auch Darstellungen von Jakobus dem Älteren. Links vom Südportal steht eine Kalksteinstatue, die einem Apostelzyklus aus der Zeit um 1340 entstammt. Jakobus ist mit dem Schwert dargestellt, durch das er den Märtyrertod starb, und dadurch gekennzeichnet, dass er auf der Brust eine große Kammmuschel trägt. Eine zweite Darstellung des Apostels, umgeben von Pilgermuscheln, zeigt ein Fenster des Ostchors aus dem 14. Jahrhundert. Gleich zwei Porträts von Jakobus als Kind finden sich auf dem Sippenaltar von 1511. Die von Ludwig Juppe geschnitzte Figur zeigt ihn neben seiner Mutter Maria Salome mit dem jüngeren Johannes auf dem Schoß im Altarschrein, während auf dem Bild des Malers Johann von der Leyten auf der Außenseite des linken Hügels Maria Salome ihren beiden Kindern zwei kleine Geschenke überreicht - Jakobus erhält eine Muschel, Johannes ein Paar Kirschen.
Das Aussehen der Anlage um die Jahre 1734 und 1735 ist in vielen Einzelheiten bekannt. Denn im Auftrag des damaligen Landkomturs des Deutschen Ordens in Hessen, Damian Hugo Graf von Schönborn, wurden das gesamte Gelände sowie die einzelnen Gebäuden vermessen. Die danach erstellten Pläne stellte man in einem Atlas mit einem Übersichtsplan der gesamten Anlage zusammen. Heute erhaltene Bauten dieser Anlage sind nur noch das Deutsche Haus (heute Sitz des Fachbereichs Geografie der Philipps-Universität Marburg), das große Backhaus (heute Sitz des Mineralogischen Museums), das frühere Brauhaus und die Wohnung des Oberförsters/Fruchtmesserhaus (heute Wohnhäuser) sowie die Ruine der Kapelle des Elisabethhospitals am heutigen Pilgrimstein.
Archäologische Forschungsgeschichte seit 1883 Bei grundlegenden Renovierungsarbeiten von 1854 bis 1861 im Inneren der Elisabethkirche traten in der Nordapsis unter dem Fußboden erstmals Mauerreste einer Vorgängerkirche zutage, die 1883 Anlass für Ausgrabungen des Marburger Geschichtsvereins im angrenzenden Außenbereich waren. Weitere Untersuchungen durch den Verein fanden 1889 im Bereich der früheren Kapelle des Brüderhospitals (Firmanei/Firmaneikapelle) statt. Die ersten gut dokumentierten archäologischen Untersuchungen wurden 1970 und 1971 im Zuge der Verlegung und Verrohrung des Ketzerbachs im Norden des Kirchenplatzes durchgeführt. 1997 folgten dann punktuelle Ausgrabungen im Inneren der Elisabethkirche, als dort Wärmestationen für eine neue Fußbodenheizung installiert wurden. Die grundlegende Neugestaltung des Kirchenumfeldes mit einem Sandsteinplattenbelag war in den letzten Jahren Anlass für großflächige Ausgrabungen des gesamten Areals. Von 2006 bis 2009 und 2011 und 2012 führte das Sachgebiet für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der hessenARCHÄOLOGIE an der Außenstelle Marburg im Vorfeld der Bauarbeiten archäologische Untersuchungen durch. In sechs Jahren wurde eine Fläche von rund 4.850 Quadratmetern untersucht. Dabei wurde das gesamte Areal zunächst nur bis in die Tiefe der nachfolgenden Fundamentierung für die Bodenplatten aufgedeckt. Nur in Abschnitten von besonderem archäologischem Interesse wurden auch tiefer greifende Schnitte angelegt. In den übrigen Bereichen wurde bewusst auf weitere Ausgrabungen, die immer auch eine Totalzerstörung des Bodendenkmals bedeuten, verzichtet, um die Bodenfunde als „archäologisches Reservat“ für die Nachwelt zu erhalten.
Zusammenfassung der Grabungsergebnisse Im Norden und Süden der heutigen Elisabethkirche gelang es, die Überreste des ersten Franziskushospitals freizulegen, das ab 1228 erbaut worden war. Dazu gehören die Fundamente der früheren Hospitalkapelle mit jüngeren Umbauten, ein ebenfalls mehrfach umgestaltetes großes Steingebäude in unmittelbarer Nähe derselben, sowie die Überreste von Fachwerkgebäuden und Umfassungsmauern, sowie die Spuren einer Bleirohr-Frischwasserleitung. Bei den Ausgrabungen wurden auch mehrere Bestattungsplätze rund um die Elisabethkirche freigelegt, die zu unterschiedlichen Zeiten genutzt wurden, da es stets nur der obersten geistigen und weltlichen Elite vorbehalten blieb, innerhalb eines Gotteshauses und dort möglichst nahe am Hauptaltar beigesetzt zu werden. Bei den Ausgrabungen im Zuge der Neugestaltung des Kirchenumfeldes wurden nur die Gräber untersucht, die ohnehin durch die Bauarbeiten zerstört worden wären. So zeichneten sich zwar insgesamt 434 Gräber als Verfärbungen im Boden ab, tatsächlich untersucht wurde davon aber nur ungefähr die Hälfte. Die ursprüngliche Zahl der in 600 Jahren hier bestatteten Menschen dürfte jedoch um ein Vielfaches höher gelegen haben. Bei den umfangreichen Untersuchungen wurden ebenfalls die Überreste von zahlreichen Gebäuden der früheren Deutschordensniederlassung freigelegt. Doch auch zahlreiche Hofmauern, Wegepflaster, Kanäle zur Entsorgung des Traufwassers der Elisabethkirche und Glockengussgruben wurden ausgegraben. Die Ausgrabungen 2006 bis 2009 und 2011 und 2012 im Umfeld der Elisabethkirche haben den Forschungen zum Hospital der heiligen Elisabeth und zur nachfolgenden Deutschordensniederlassung neuen Vorschub verliehen. Die wissenschaftliche Auswertung der Ausgrabung, die eine umfangreiche Dokumentation in Form von Plänen, Fotos und detaillierten Berichten umfasst, hat bereits begonnen. Die Katalogisierung, Beschreibung, Zeichnung und Einordnung der zahlreichen Grabungsfunde, die in größerem Umfang Bruchstücke von Ton- und Glasgefäßen, Ofenkacheln, Kachelresten und auch Eisennägel, Münzen, Murmeln und Putzreste einschließt, wird in den nächsten Jahren eine wichtige Aufgabe am Sachgebiet Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der hessenARCHÄOLOGIE Marburg sein.
Spiritueller Weg durch die Elisabethkirche Vor einigen Jahren hat die evangelische Kirchengemeinde, die eine Pfarrstelle zur Betreuung von Touristen und Pilgern unterhält, einen spirituell gestalteten Weg durch die Kirche entwickelt, für den Begleitblätter in der Nordkonche ausliegen. Von hier aus führt der Weg in die Sakristei mit dem Reliquienschrein und zu den Glasfenstern mit den Szenen aus dem Leben Elisabeths.
(Jan Spiegelberg, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V. / LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, Abteilung Landschaftliche Kulturpflege, 2016 / Christa Meiborg, hessenARCHÄOLOGIE, 2017)
Internet www.de.wikipedia.org: Elisabeth von Thüringen (abgerufen 02.05.2017) www.lfd.hessen.de: Archäologie der Elisabethkirche (abgerufen 02.05.2017)
Literatur
Hotz, Joachim (1967)
Pläne und Bauten des Deutschen Ordens in Hessen. In: Acht Jahrhunderte Deutscher Orden in Einzeldarstellungen, S. 465-474. Bad Godesberg.
Huyskens, Albert (1909)
Der Hospitalbau der hl. Elisabeth und die erste Wallfahrtskirche zu Marburg. In: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, S. 129-143. Kassel.
Jakobswege. Wege der Jakobspilger in Rheinland und Westfalen. Band 5: In 7 Etappen von Marburg über Siegen nach Köln. S. 30-33, Köln.
Meiborg, Christa (2014)
Ausgrabung - Bauforschung - Quellenstudium: Die Erforschung der Marburger Deutschordensniederlassung seit dem späten 19. Jahrhundert. In: Der Denkmalpfleger als Vermittler. Gerd Weiß zum 65. Geburtstag, (Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen.) S. 159-170. Wiesbaden.
Elisabeth von Thüringen: Ihr Hospital in Marburg und die Deutschordensniederlassung im 13. Jahrhundert. Archäologische Baubefunde und schriftliche Überlieferung. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, S. 197-218. Heidelberg.
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