Evangelische Christuskirche Jülich

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Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Jülich
Kreis(e): Düren
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 55′ 27,65″ N: 6° 21′ 23,24″ O 50,92435°N: 6,35646°O
Koordinate UTM 32.314.215,58 m: 5.644.740,23 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.525.106,88 m: 5.643.290,72 m
  • Evangelische Christuskirche Jülich (2010)

    Evangelische Christuskirche Jülich (2010)

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    Elke Janßen-Schnabel
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  • Jülich, Evangelische Kirche mit Zitadelle

    Jülich, Evangelische Kirche mit Zitadelle

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    LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Silvia Margrit Wolf
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Im Norden der Jülicher Innenstadt, dort, wo die Schirmerstraße auf die Düsseldorfer Straße stößt, steht die Christuskirche, die Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde. Der Kirchenbaukörper, 1910 nach Entwurf des Architekten Fritz Niebel erbaut, 1944 stark zerstört, zeigt sich heute in der Gestalt seines Wiederaufbaus aus dem Jahr 1950, 1980 grundlegend renoviert.

Lage
Städtebaulich steht die Kirche in einem Grenzgebiet. Am Rand der Innenstadt und vor der Spitze der Johannes-Bastion markiert sie den Zwickel zwischen Stadtkern und Zitadelle. Historisch liegt das Grundstück außerhalb der ehemals ummauerten mittelalterlichen Stadt und auf dem Gelände der frühneuzeitlichen Festungswerke, die seit dem 16. Jahrhundert in einem etwas weiteren Umfang die Stadt umfassten. An der Düsseldorfer Straße, der städtischen Ausfallstraße nach Norden, lag jeweils - im Mittelalter und seit der Frühen Neuzeit - ein Stadttor, das Kölner Tor, später Düsseldorfer Tor genannt. Zwischen den beiden archäologisch nachgewiesenen Standorten ist der Kirchenbau aus der Flucht nach Westen leicht zurückgesetzt. Im Anschluss hinter der Kirche und hinter dem heutigen Pfarrhaus, außerhalb der frühneuzeitlichen Stadtbefestigung, grenzte bis ins 20. Jahrhundert eine Wassermühle, die Laufsmühle, im 18. Jahrhundert herzogliche Kameralmühle. Der mitten durch die Stadt und entlang der Grünstraße/An der Synagoge geführte Mühlengraben, der Jülicher Mühlenteich, trieb ihr Mühlrad an. Nördlich am Kirchenbau vorbei führt von der Zitadelle Richtung Rur ein Stadtgraben zur Entwässerung des Zitadellengrabens. Unmittelbar vor der Laufsmühle quert ihn der heute unterirdisch kanalisierte Mühlenteich. Die beiden rechtwinklig zueinander fließenden Gräben begrenzen das kirchliche Grundstück im Westen und im Norden.

Abgerückt vom städtischen Mittelpunkt definiert die Christuskirche als Solitär - in wechselnder Erscheinung - den nördlichen Rand des Stadtkerns. Ihre Lage, die im Höhenunterschied von etwa 3 bis 4 Metern zwischen der Kirche und der westlichen Seite des Probst-Bechte-Platzes zutage tritt, ist seit der Niederlegung der Stadtbefestigung durch planerische Eingriffe und Verkehrsmaßnahmen leicht verschliffen. Jedoch verschmilzt sowohl im Standort als auch im Bau der Christuskirche recht anschaulich ein Stück Geschichte. Der Baukörper bündelt die Geschichte der evangelischen Gotteshäuser in Jülich.

Baugeschichte
Mit dem Luftangriff vom 16. November 1944 war der Kirchenbau bis auf die Außenwände zerstört. 1945 wurde der obere Teil des Turmes gesprengt. Ab 1947 erfolgten, um die beschädigte Substanz nicht weiter ungeschützt der Witterung auszusetzen, notdürftige Sicherungs- und Schutzmaßnahmen. 1949 begann in drei Bauabschnitten über neun Jahre die Wiederherstellung nach Plänen des Architekten Bruno Wernerus aus Jülich-Mariawald. Der Wiederaufbau lehnte sich in seiner Gestalt weitgehend an die zerstörte Kirche an, war jedoch in der architektonischen Detailausbildung im zweckbestimmten Sinn der frühen Nachkriegszeit vereinfacht und erhielt im Inneren eine neue Fassung. Die Notverglasung konnte 1956 durch Holzfenster mit Scheibengliederung ersetzt werden. 1958 war der Ausbau abgeschlossen. Beide Portale des zerstörten Baus konnten gerettet und an alter Stelle eingebaut werden. Der Glockenturm schloss nun mit einem Walmdach ab.

Mit der Renovierung 1976-1980 unter dem Architekten Peter van Stipelen aus Trier wurde der Baukörper einzelnen Veränderungen unterzogen: Der Turm erhielt eine vierseitige geschweifte Haube im Anklang an die Haube über dem oktogonalen Turm von 1910, die Schallöffnungen wurden durch Rundbogenfenster ersetzt und teilweise geschlossen, um eine „Glockenstube“ mit besserem Klang zu bilden. Der Außenputz wurde ausgebessert und weiß gestrichen, grau und ockerfarben abgesetzt. Die Dächer erhielten eine Deckung aus Kunstschiefer, die Fenster wurden erneuert. Im Inneren wurde die abgehängte hell verputzte Decke in Korbbogenform durch eine fast rundbogige dunkelbraun gefasste Holzdecke mit raumgliedernden Gurtbögen ersetzt. Ziegelfliesen wurden als neuer Bodenbelag verlegt. Holz-Glaswände verdeckten den Nebeneingang und ermöglichten die Trennung der Sakristei im Chor vom Kirchenraum. Die über der Sakristei entstandene Empore ersetzte die Empore über dem seitlichen Kirchsaal an der Südwand, der nun, durch eine Falttür getrennt, bei Bedarf den Kirchenraum erweiterte. Die Orgel auf der Empore wurde überholt, der Orgelprospekt über dem neuen Windfang am Haupteingang installiert. Nach der umfassenden Innenrenovierung wurde die längs nach Westen gerichtete Aufstellung der Gemeinde aufgegeben und durch die Anordnung von Altar und Kanzel an der Nordseite und Taufstein in der Raummitte die Konzeption einer Umscharungsgemeinde umgesetzt. Dem Ausbau der Außentreppe am Haupteingang mit Rampe und Zugang von beiden Straßen wich der von einer Mauer eingefriedete Vorgarten auf der Ecke.

Beschreibung
Trotz der Zerstörung 1944, im Wiederaufbau von 1950 und mit leichten baulichen Veränderungen durch die Renovierung 1980 nimmt die evangelische Kirche spätestens seit 1910 als stattlicher Bau mit Glockenturm einen festen Platz im Stadtgefüge von Jülich ein; sie ist ein prägnanter Orientierungspunkt im Stadtbild und Teil der städtischen Identität.
Aus der Flucht beider Straßen leicht zurückgesetzt und über dem Straßenniveau um nahezu ein Geschoss erhöht, steht ihr Baukörper rundum frei als hell verputzter Backsteinbau über abgewinkeltem Grundriss. Er setzt sich aus einem breiten Langschiff, einem kurzen Querschiff und einem Glockenturm zusammen. Er wirkt im Verhältnis von Grundriss zur Höhe, im Miteinander der Außenwände, der beiden hohen Giebel an Langhaus und Querschiff und großen Dachflächen kompakt verdichtet und ist in der Konzentration auf die Mitte einem Zentralbau angenähert. Grundsätzlich aber ist der Bau ost-westlich gerichtet, der Haupteingang liegt an der Düsseldorferstraße im Osten, der Glockenturm erhebt sich hinter dem Bau im Westen, ein Seiteneingang liegt in einem vorgezogenen kleinen Vorbau an der Schirmerstraße. Haupt- und Querschiff sind durch steile verschieferte Satteldächer gedeckt, die in mächtigen geschweiften Giebeln über den hochgezogenen Außenwänden enden; der Turm trägt eine schiefergedeckte geschweifte Haube und wird bekrönt von einer Wetterfahne in Form eines goldenen, horizontal im Flug die Posaune blasenden Engels.
Durch die L-Form im Grundriss und durch die beiden Zugänge nimmt der Bau Bezug auf die Ecklage. Über eine dreiseitige Freitreppe wird der Haupteingang an der Düsseldorferstraße von dem erhaltenen schmuckvollen Portal des Vorgängerbaus eingefasst. Zu beiden Seiten eines Korbbogens über der doppelflügeligen Tür stützen zwei dorische Säulen ein Gebälk mit zwei knieenden betenden Engeln im Profil, die ein Medaillon halten. Über dem Medaillon steht mittig ein schmales Ovalfenster, in Reminiszenz an den zerstörten Bau gerahmt von einer steinernen Blumengirlande. Über dem Nebeneingang an der Schirmerstraße trägt - ebenfalls ein Relikt des Kirchenbaus von 1910 - achsial über dem einläufigen vergitterten Treppenaufgang auf dem Schlussstein die steinerne Figur des guten Hirten ein Lamm auf den Schultern und hält den Hirtenstab in der Hand. Ein zweites Schäfchen steht zu seinen Füßen. Geschosshohe rechteckige seitlich gestufte Felder mit schmal-hohen Lichtöffnungen, horizontal in vier Segmente mit kleinteiligen Scheiben geteilt, sind jeweils flankiert von flachen Lisenen und gliedern die Fassaden des Langschiffs, während rundum einzelne in Größe und Form wechselnde Öffnungsformate die architektonischen Besonderheiten des Baus unterstreichen.

Der Baukörper der Christuskirche ist in erster Linie ein Gotteshaus und ein Ort des Gottesdienstes. Er legt in Gestalt, Lage und Größe sowohl Zeugnis ab von der wechselhaften Geschichte der evangelischen Gemeinde mit reformierten und lutherischen Wurzeln als auch von der Union der beiden protestantischen Glaubensrichtungen. Der Außenbau bildet heute städtebaulich zusammen mit Bonhoefferhaus und Pfarrhaus ein geistliches Ensemble am Stadtrand. Im Stadtkörper und in der Stadtsilhouette ist der heutige Kirchenbau ein deutlicher städtebaulicher Fixpunkt. Vor allem aber ist die Christuskirche ein gebauter Ausdruck des Selbstverständnisses der Gemeinde, ein Versammlungsort und ein manifester Punkt im Leben des einzelnen Gemeindemitglieds.

(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, 2019)

Quellen
Mündliche Hinweise von Susanne Richter, Marcel Perse und Guido von Büren, Museum Zitadelle / Stadtgeschichtliches Museum Jülich.

Internet
juelich.de: Evangelische Kirche in Jülich (abgerufen 23.07.2019)
evkg-juelich.de: Christuskirche- Die Geschichte unserer Christuskirche (abgerufen 11.06.2019)

Literatur

Bers, Günter (1987)
Bau und Weihe der Evangelischen Christuskirche Jülich (1909/1910). In: Beiträge zur Jülicher Geschichte 55: Mitteilungen des Jülicher Geschichtsvereins , Teil 1, S. 74-88. Jülich.
Coenen, Ulrich (1989)
Von Juliacum bis Jülich. Die Baugeschichte der Stadt und ihrer Vororte von der Antike bis zur Gegenwart. S. 91-95, Aachen.
Coenen, Ulrich (1981)
Architektonische Kostbarkeiten im Jülicher Land. (Heimatkundliche Schriftenreihe des Jülicher Landes, Band 14.) Jülich.
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Festschrift zur Eröffnung des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses, 4. Juni 1977. Jülich.
Evangelische Kirchgemeinde (Hrsg.) (1930)
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Franzen, Werner (2004)
Gottesdienststätten im Wandel. evangelischer Kirchenbau im Rheinland 1860 - 1914. (Schriften des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland 34.) Düsseldorf.
Janßen-Schnabel, Elke (2010)
Die evangelische Christuskirche. In: Auf gutem Grund evangelisch ... : 400 Jahre Evangelische Gemeinde Jülich - 100 Jahre Christuskirche, S. 47-66. Jülich.
Kupka, Andreas / LVR Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege (Hrsg.) (1996)
Bauvorgreifende archäologische Untersuchungen am Jülicher Brückenkopf. In: Archäologie im Rheinland 1995, S. 118-119. Köln u. Bonn.
Mahlert, Friedrich (1950)
Geschichte der evangelischen Gemeinde Jülich. In: Die evangelische Kirchengemeinde Jülich feiert am 23. Juli 1950 den ersten Gottesdienst in ihrer teilweise wiederhergestellten Kirche und die Einführung ihres neugewählten Pfarrers, o. O.
Mohl, Georg; Doose, Conrad (1998)
Stadt und Zitadelle Jülich. Einstige Residenz und Festung. Ein Rundgang zu den Sehndwürdigkeiten. o. O.
Neumann, Hartwig (1991)
Stadt und Festung Jülich auf bildlichen Darstellungen. (Architectura militaris 5.) Bonn.
Perse, Marcell (1988)
Zusammenfassende Darstellung der archäologischen Strukturen der Jülicher Innenstadt anhand der Ausgrabungsergebnisse im Zuge der Kanalisierung 1987. kommentierter Fundbericht der archäologischen Begleituntersuchung der Sanierung des Kanalsammlers II auf der Düsseldorfer und Kölnstraße und der Seitenkanäle Kapuziner- und Schloßstraße. Jülich.
Strobel, Klaus (2004)
Das Protokollbuch (Consistorial-Buch) der reformierten Gemeinde Jülich aus den Jahren 1854-1893. In: Jülicher Geschichtsblätter: Jahrbuch des Jülicher Geschichtsvereins, S. 411-425. Jülich.
van Stipelen, Peter (1981)
Renovierung der Christuskirche. (Evangelische Kirchengemeinde Jülich, Rückblick 1976-1980.) Jülich.
von Büren, Guido (2009)
Blick auf die Stadt Jülich von der Merscher Höhe. In: Auf Schirmers Spuren im Rheinland : [anlässlich des ...Ausstellungsprojektes 2010 " Vom Rheinland in die Welt - Johann Wilhelm Schirmer" ... Clemens-Sels-Museum Neuss, museum kunst palast Düsseldorf, LVR-Landesmuseum Bonn ...], S. 22-23. Neuss.

Evangelische Christuskirche Jülich

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Düsseldorfer Straße 33
Ort
52428 Jülich
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Archivauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1910 bis 1958

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„Evangelische Christuskirche Jülich”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-91426-11062019-293764 (Abgerufen: 19. April 2024)
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