Denkmalbereich „Kaiserswerth, Fronberg und Johannisberg“

Diakonie Kaiserswerth

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Düsseldorf
Kreis(e): Düsseldorf
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 18′ 0,53″ N: 6° 44′ 39,93″ O 51,30015°N: 6,74443°O
Koordinate UTM 32.342.759,38 m: 5.685.619,21 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.551.962,04 m: 5.685.301,24 m
Außerhalb der historischen Stadt Kaiserswerth vom Rheinufer landeinwärts auf den topographisch kaum spürbaren Anhöhen Fronberg und Johannisberg liegt das heutige Zentrum des Kaiserswerther Diakoniewerks, eine Anlage aus dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert.

Die Ursprünge des Werks wurzeln im frühen 19. Jahrhundert. Theodor Fliedner (1800-1864), seit 1822 evangelischer Pfarrer in Kaiserswerth, hatte es sich zur tief im christlichen Glauben verankerten Lebensaufgabe gemacht, die sozialen Missstände des beginnenden Industriezeitalters zu lindern. Er half Arbeitslosen, versuchte, den Strafvollzug zu reformieren, bemühte sich um die gesellschaftliche Eingliederung von entlassenen Strafgefangenen, gründete 1836 den Rheinisch-Westfälischen Diakonissenverein und eröffnete schließlich im selben Jahr zusammen mit seiner Frau Friederike im Ortskern von Kaiserswerth die erste Diakonissenanstalt, eine Ausbildungsstätte für Krankenpflegerinnen, Gemeindeschwestern, Kindergärtnerinnen und Heimleiterinnen. Sehr bald erweiterte er die Anstalt um ein Krankenhaus, 1841 um ein Seminar für Lehrerinnen; 1842 folgte ein Waisenstift für Mädchen aus den mittleren Ständen und 1852 eine Heilanstalt für weibliche Gemütskranke. 1849 legte Fliedner sein Pfarramt nieder, um sich ganz den sozialen Aufgaben widmen und den Diakonissengedanken in der Bevölkerung festigen zu können. Er verbreitete seine Ideen auf zahlreichen Reisen und sammelte die notwendigen Gelder. Als er starb, war seine Einrichtung weltweit bekannt und anerkannt.

Mit der nochmaligen Erweiterung des Aufgabenbereiches boten die Bauten am Kaiserswerther Markt und an der Neuen Straße, der heutigen Fliednerstraße, jedoch nicht mehr ausreichend Raum, auch waren die Häuser vom regelmäßigen Rheinhochwasser bedroht und durchfeuchtet, so dass die Anstalt unter Fliedners Nachfolger und Schwiegersohn Pastor Julius Disselhoff (1827-1896) 1877 durch Kauf und Tausch ein etwa 6 Hektar großes hochwasserfreies Gelände außerhalb der Stadt auf dem Fronberg und dem Johannisberg erwerben konnte. Ab 1878 entstanden dort drei Gebäude der neuen Heilanstalt für weibliche Gemütskranke, heute Zeppenheimer Weg 7. 1881 wurde in unmittelbarer Nähe das Waisenhaus, Alte Landstr. 179 Haus C, eingeweiht, 1886 das Verwaltungsgebäude auf dem Fronberg, der Mittelbau des heutigen Mutterhauses (Alte Landstr. 179). Das Stammhaus am Kaiserswerther Markt diente nun der Altenpflege. An Fliedners 100. Geburtstag im Jahr 1900 erfolgte die Grundsteinlegung für Mutterhauskirche. Drei Jahre später erfolgte auf dem Fronberg die Einweihung des neuen Mutterhauses mit Kirche, ein abgewinkelter zwei- und dreigeschossiger Ziegelbau mit zahlreichen Architektur- und Zierelementen in neugotischen Formen und zwei repräsentativen Schauseiten. Glockenturm und Uhrentürmchen betonen jeweils die Eingangsachsen.

Die neuen Bauten waren aus einfachen dunkelroten Ziegeln errichtet, die Ecken und Schmuckelemente hervorgehoben durch Werksteine oder hellrote Ziegel. Die dunkelroten Steine waren aus tonhaltigem Lehm hergestellt, gewonnen unmittelbar benachbart auf dem Gelände, dessen Bodenschichten der Rheinlauf in vorgeschichtlicher Zeit geprägt hatte. Eine großzügige Parkanlage band die verbliebenen Lehm- und Sandkuhlen in die Planung ein, wodurch um die freistehenden Einzelbauten zusammen mit ausgesuchten Bäumen eine weitläufige Gesamtanlage in abwechslungsreicher Gestaltung entstand. Im Norden des Areals war ein Friedhof angelegt, neben technischen Anlagen zählten zu den Versorgungsbauten landwirtschaftliche Betriebe und eine Gärtnerei. Rückwärtig des Mutterhauses steht eine Figur des späteren Kaisers Friedrich III. zur Erinnerung an seinen Besuch am 21. September 1884.

Das heute etwa 50 Hektar umfassende Gelände der Kaiserswerther Diakonie auf Fronberg und Johannisberg besteht aus einer großen Zahl von Einzelbauten in der waldparkartig erhaltenen Umgebung. Es lässt nördlich und südlich des Zeppenheimer Weges zwei organisatorische und baulich verdichtete Schwerpunkte erkennen, die sich aus den historischen Kernen am Fronberg und am Johannisberg herausbildeten. Der Krankenhausbau auf dem Johannisberg trägt zum Gedenken an Florence Nightingale (1820-1910), die als Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege gilt und 1851 in Kaiserswerth ihre Ausbildung als Krankenschwester erhielt, ihren Namen.

Mit der baulichen Neugründung der Diakonie wuchs erstmals außerhalb des befestigten mittelalterlichen Stadtkerns von Kaiserswerth ein neues Stadtviertel, das bis heute wesentlich durch die Diakonie und ihre Bauten geprägt ist. Die Bedeutung ist hier in der repräsentativen Architektur und in der Waldparkanlage baulich offensichtlicher als in den Gründungsbauten am Kaiserswerther Markt. Sie liegt im stadt- und siedlungsgeschichtlichen, im kultur- und architekturgeschichtlichen, insbesondere aber in dem im evangelischen Glauben verhafteten medizin- und sozialgeschichtlichen Charakter begründet.

Die von Theodor Fliedner aufgestellten Prinzipien – die Pflege von Kranken und Alten aus den unteren Bevölkerungsschichten sowie die Fürsorge und Ausbildung für Waisenkinder, ergänzt um die Berufsausbildung, Betätigung und Altersversorgung von unverheirateten Frauen aus bürgerlichen Schichten – sind in diesen Bauten der neuen Diakonie konsequent umgesetzt. Die Fliedner’sche, für die damalige Zeit einmalige Reform der medizinisch-psychiatrischen Pflege in kleinen, überschaubaren, wohnhausähnlichen Bauten, umgeben von einem Park mit anschließenden großen landwirtschaftlichen Flächen (Pavillonsystem) war eine wegweisende Neuerung mit therapeutischer Wirkung und architektonisch bis weit ins 20. Jahrhundert vorbildlich für den Bau von großen Krankenhäusern und Heilanstalten. Üblich waren bis ins 19. Jahrhundert kasernenartige Krankenhausbauten oder die Unterbringung der Kranken in umfunktionierten Kasernen.
Die Neuanlage zeugt auch von der Expansion der Diakoniebewegung, die in dieser Zeit von Kaiserswerth weltweit Verbindungen knüpfte. Von hier aus wurden und werden heute noch Diakonissen ins In- und Ausland gesandt, denn die Anstalt hat ihre Aufgaben der Pflege, der sozialen Dienste bis zur Wohnstätte im Alter (Feierabendhäuser, Alte Landstraße 179 Häuser M, N und 0) und der Ausbildung beibehalten, so dass sie zu den großen Diakonischen Werken in Deutschland zählt.

Die Erhaltung der historischen Gesamtanlage als Ort der Pflege und Fürsorge und als Zentrum der pflegerischen Ausbildung wird als eine kulturelle Verpflichtung gesehen und als historischer Auftrag zur Dokumentation des Wirkens der evangelischen Kirche im sozialen Bereich sowie als ein städtebauliches Anliegen; ihr dient die Satzung des Denkmalbereiches.

Die Satzung trat 2001 in Kraft.

(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, aus: Pufke (Hrsg.) 2016)

Quelle
Gutachten Harald Herzog, Sonja Schürmann 1990

Literatur

Mulitze, Christoph (2005)
Kaiserswerth – Die Perle am Rhein. Düsseldorf.
Pufke, Andrea (Hrsg.) (2016)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 83.) S. 117-120, Petersberg.
Stöcker, Hans (1950)
Kaiserswerth am Rhein. Burg, Stadt und Dom. Düsseldorf.

Denkmalbereich „Kaiserswerth, Fronberg und Johannisberg“

Schlagwörter
Ort
Düsseldorf - Kaiserswerth
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Denkmalbereich gem. § 5 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
„Denkmalbereich „Kaiserswerth, Fronberg und Johannisberg“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-66136-13062019-293780 (Abgerufen: 23. April 2024)
Seitenanfang