Die Kolpingsiedlung in Neuss gilt als Zeugnis des genossenschaftlichen Arbeiterwohnungsbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Stadt hatte Ende des 19. Jahrhunderts durch ihre Grundstückspolitik die Ansiedlung von Industriebetrieben gefördert. Hiermit waren das Anwachsen der Bevölkerung und ein steigender Bedarf an Wohnraum verbunden. Das Genossenschaftsgesetz von 1889 ließ die beschränkte Haftpflicht für Genossenschaften zu, und zinsgünstige Darlehen der Versicherungsgesellschaft erleichterten die Kapitalbeschaffung, so dass die Gründung gemeinnütziger Baugenossenschaften allgemein zunahm. Bereits 1891 wurden die Neusser Gemeinnützige Bauverein AG und 1901 die Gemeinnützige Arbeiterwohnungsbau Genossenschaft GmbH (AWG) gegründet mit dem Ziel, Grundstücke zu erwerben und preiswerte Arbeiterwohnungen zu vermieten, bzw. in den Besitz der Arbeiter übergehen zu lassen.
Bis zur Jahrhundertwende waren Further Straße, Weißenberger Weg und Josefstraße mit Bürgerhäusern bebaut. Auf freiem Feld zwischen Further Straße, Römerstraße und Weißenberger Weg legte die AWG auf den von ihr erworbenen Flachen Querstraßen an. 1902 begann die Bebauung der Leostraße, 1903 die der Kolpingstraße. Die Kolpingstraße bildet die Hauptachse, von der mit versetzten Einmündungen Franken-, Goten- und Kettelerstraße abzweigen, wobei die Keltelerstraße zu einem mit Ahornbäumen bepflanzten Platz erweitert ist. An der Planung und Ausführung waren namhafte Neusser Architekten wie Schaumburg, Ingerfeld und Dörner beteiligt. Bis zum Ersten Weltkrieg war das Gebiet weitgehend besiedelt. In den 1920er und 1930er Jahren wurden noch einige Baulücken geschlossen. Die weitere Wohnungsbautätigkeit kam mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zunächst zum Erliegen. Insbesondere am nördlichen Rand der Siedlung wurden wahrend des Krieges ganze Wohnhauszeilen zerstört. Sie wurden in den 1950er Jahren wieder aufgebaut. Im Übrigen ist die Siedlung nur durch wenige Neu- und Umbauten verändert und insgesamt in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten.
Den bis zum Ersten Weltkrieg bebauten Teil prägen zweigeschossige, dreiachsige Zweifamilienhäuser in geschlossener Reihe aus Backstein, unverputzt oder geschlämmt, sowie Putzbauten in der Formensprache des niederrheinischen Bürgerhauses mit Treppen- und Schweifgiebeln, Erkern und polygonalen Ecktürmchen. Die Wohnungsbaugesellschaft hatte den Architekten ein Programm mit festgelegten Kriterien geboten. Unter Berücksichtigung von Sparsamkeit und Funktionalität sollten gestalterisch stimmige Wohnhäuser mit abgeschlossenen Kleinwohnungen entstehen. Bis auf wenige Ausnahmen wurde ein Standardgrundriss verwendet.
Die Bauten der 1920er und 1930er Jahre, meist dreigeschossige traufstandige Mehrfamilienhäuser, sind ausnahmslos in Sichtmauerwerk erstellt und in der Formensprache schlichter. In den Eckhäusern Kolpingstraße/Frankenstraße sind kleine Ladenlokale eingerichtet. Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergarten und Schule liegen außerhalb des Gebietes.
Das Wohngebiet „Kolpingviertel“ ist bedeutend für die Ortsgeschichte der Stadt Neuss. Es hat insgesamt seinen Charakter gewahrt und hebt sich durch die eigene, relativ aufwendige Gestaltung von zeitgleicher Bebauung ab. Die Satzung trat 1986 In Kraft. Bedenken und Anregungen wurden während der Auslegung nicht erhoben.
(Elke Janßen-Schnabel, Rheinisches Amt für Denkmalpflege, LVR, aus: Mainzer (Hrsg.) 1996)
Literatur
Engels, Wilhelm / Stadtarchiv Neuss (Hrsg.) (1986)
Geschichte der Stadt Neuss. Teil 3: Die Preußische Zeit 1814/15 bis 1945. (Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuss 10.3.) Neuss.
Entner, Gottfried (1926)
Neuss am Rhein. Düsseldorf.
Mainzer, Udo (Hrsg.) (1996)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitshefte der rheinischen Denkmalpflege 49.) S. 174, Köln.
Stenmans, Peter; et al. / Stadt Neuss (Hrsg.) (1969)
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1902 bis 1935
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