Denkmalbereich „Historischer Ortskern Leuth“

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Nettetal
Kreis(e): Viersen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 20′ 9,31″ N: 6° 13′ 33,89″ O 51,33592°N: 6,22608°O
Koordinate UTM 32.306.780,51 m: 5.690.834,82 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.515.798,96 m: 5.689.041,77 m
Lage und Geschichte
Der Kirchort Leuth liegt im Kreis Viersen nicht weit von der niederländischen Grenze entfernt. Die Römerstraße von Castra Vetera (bei Xanten) nach Colonia Agrippina (Köln) tangierte das Leuther Gebiet. In fränkischer Zeit zählte das Gebiet wohl zum „Mühlgau“. Die Herren von Krickenbeck, die 1104 zum ersten Mal urkundlich belegt sind, bauten vermutlich die erste Kirche. 1182 lag das Patronat bei den Grafen von Geldern, ab 1255 beim Kloster Graefenthal in Asperden bei Goch. Politisch gehörte Leuth, erstmals 1251 urkundlich erwähnt, bis 1673 als Teil des Amtes Krickenbeck zum Herzogtum Geldern. Leuth besaß eine eigene Verwaltung und wohl bis 1781 auch die Gerichtsbarkeit. Seit etwa 1600 ist ein eigenes Schöffensiegel überliefert. Grund und Boden des Dorfes einschließlich Kirche zu einem nicht näher bestimmbaren „Hof Leuth“. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde Leuth in Folge kriegerischer Auseinandersetzungen bis auf die Kirche und einzelne Bauten zerstört. Seit 1703, offiziell seit dem Frieden zu Utrecht 1713, gehörte das Gebiet des ehemaligen Herzogtums Geldern zu Preußen. 1794 bis 1814 unter französischer Herrschaft war Leuth ab 1815 als Bürgermeisterei im Kreis Geldern wieder preußisch und von 1929 bis 1936 eine Gemeinde im Kreis Kempen-Krefeld.

Die frühe Pfarrei gehörte zum Dekanat Süchteln im Bezirk des Archidiakonats Xanten. Nach Gründung des Bistums Roermond 1559 wurde Leuth dem Dekanat Krickenbeck eingegliedert. In napoleonischer Zeit zählte der Ort zum neugegründete Bistum Aachen, 1823-27 zum Bistum Münster, ab 1931 wieder zum Bistum Aachen. Alter und Gestalt der ersten Leuther Pfarrkirche sind unbekannt. 1424 wurde die Kirche in der Fehde des Grafen Adolf IV. von Berg gegen Jülich zerstört. Ältestes bauliches Zeugnis ist heute der Turm aus dem 15. Jahrhundert. Ein neues Schiff entstand 1860/61 als dreischiffige Hallenkirche mit polygonalem Chor nach Plänen von Vincenz Statz. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert ist der Schulunterricht in Leuth schriftlich belegt. Die Einrichtung einer „öffentlichen“ Schule ist für das Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Neubau eines eigenen Gebäudes 1864/66 im Haus Dorfstraße 83 (Bürgermeisteramt) überliefert.

Der Denkmalbereich
Der Denkmalbereich umfasst den historischen Ortskern von Leuth im unmittelbaren Umkreis der katholischen Pfarrkirche St. Lambertus und die Dorfstraße einschließlich des Platzes (des ehemaligen Kirchhofs) westlich vor der Kirche. Er umfasst damit die Kircheninsel als eine besondere historische Siedlungsform des lange Zeit selbständigen Ortes Leuth.

Die „Kircheninsel“ besteht aus der Pfarrkirche, dem umgebenden bis Mitte des 19. Jahrhunderts belegten Kirchhof, dem Pfarrhaus, dem ehemaligen Rathaus / Bürgermeisteramt als Gebäude mit öffentlicher Funktion und mit mehreren Hofanlagen. Die aufgehende Bausubstanz aus regionaltypischem rotem Backstein wird überwiegend ins 19. Jahrhundert datiert. Fußwege verbinden die umgebenden Straßen mit der Kirche und die einzelnen Gebäude untereinander; Backsteinmauern fassen den alten Kirchhof ein und begleiten die Fußwege. Neben dem Kirchhof bildet der Garten des Pfarrhauses die zweite prägende Freifläche der Kircheninsel. Hinzu kommen die kleineren Gärten und Wirtschaftshöfe der umliegenden Objekte. Der Kirche gegenüber steht ein großes zweigeschossiges, in sieben Achsen breit gelagertes Gebäude in städtebaulich bedeutender Lage, um 1870 „Hotel zur Post“, um 1880 Pferdepoststation. Rückwärtig schließen ältere Wirtschaftsgebäude an. Die alte Dorfstraße vermittelt in Verlauf, Enge und im Zusammenwirken der Bebauung anschaulich den geschichtlich gewachsenen innerdörflichen Raum. Der hohe Kirchturm mit dem spitzen Helm von St. Lambertus ist eine weithin sichtbare Landmarke und Blickpunkt der von Westen und Norden auf den Ort führenden Straßen.

Die Hofanlagen sind backsteinsichtig oder verputzt, ein- bis zweigeschossig, wechselnd trauf- und giebelständig. Die Hauptbaukörper der meist größeren Hofanlagen liegen unmittelbar an der Straße. Stallgebäude und übrige rückwärtige Wirtschaftsgebäude sind teilweise zu Wohnungen umgebaut. Die Fassaden sind als Lochfassaden ohne Vor- und Rücksprünge ausgebildet, gegliedert allein durch die Verteilung der Tür- und Fensteröffnungen, vereinzelt mit Fensterläden oder schmalen Stockgesimsen. Die Dachflächen der Sattel- oder Krüppelwalmdächer sind weitgehend geschlossen und besitzen keine historischen Aufbauten. Teile des Kirchhofes sowie der Fußweg von der Johann-Finken-Straße zum Kirchhof sind mit Kieselsteinpflaster ausgelegt; die Treppenstufen sind zum Teil aus Blaustein.

Schutzziel des Denkmalbereiches ist, den dörflichen Gesamteindruck im Zusammenwirken von Kirchenbau, Pfarrhaus, Höfen, Fußwegen, Straßenräumen und der im Straßenraum wirksamen baulichen Elemente wie Treppen, Backsteinmauern, Vorgärten, Gärten, Wirtschaftshöfe zu erhalten und die weitere Entwicklung so zu steuern, dass die geschichtliche Aussage des Ortes als ein Ganzes bewahrt bleibt. Das wird erreicht durch die Erhaltung des Ortsgrundrisses, der charakteristischen Bausubstanz insgesamt, der Freiflächen, der markanten Einzelbäume, der Blickbeziehungen und durch die Erhaltung der typischen Ortssilhouette. Der Ortsgrundriss setzt sich zusammen aus Verlauf und Breite der Straßen und Wege, aus den Platzbildungen, der Verteilung von bebauter und unbebauter Fläche, den Baufluchten und Parzellenstrukturen. Neben der Gruppierung der Gebäude prägen die Fußwege sowie der Dorfplatz mit der Linde und die beiden größeren Freiflächen Kirchhof und Pfarrgarten den Ortskern. Bemerkenswert ist auch der erhaltene öffentliche Durchgang durch das ehemalige Bürgermeisteramt zum Kirchhof. Der hoch aufragende Kirchturm wirkt als Landmarke weit in die Ferne. Er ist ein wichtiger Orientierungs- und Identifikationspunkt der Straßen, die von Westen und Norden auf den Ort zulaufen. In entgegengesetzter Richtung ist entlang der Dorfstraße das Gebäude Dorfstraße 81 ein wichtiger Blickfang.

Träger des schutzwürdigen Erscheinungsbildes der Kircheninsel von Leuth ist neben den markanten Solitären die historische kleinteilige Bausubstanz. Auch die rückwärtig nachgeordneten Wirtschaftsgebäude einschließlich der Einfriedungen prägen den Bereich. Die aufgehende Substanz ist erhaltenswert in der Verteilung der Baukörper, der Bildung von Straßen- und Platzräumen, in der Hierarchie ihrer Nutzung (Haupt- und Nebengebäude), der Trauf- und Firsthöhen, Dachneigungen, Geschlossenheit der Dachflächen, Farbgebung und Materialien der Außenwände und der Dachflächen, der Proportionen, Öffnungsformate, der Baukörpergestaltung und Detailausbildung. Charakteristische erhaltenswerte Freiflächen sind neben Kirchhof, Pfarrgarten und Dorfplatz die Garten- und Hofflächen der Hofanlagen.

Die Satzung trat Anfang 2004 in Kraft.

(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, aus: Pufke (Hrsg.) 2016)

Quelle
Gutachten Marco Kieser

Karten
Kartenaufnahme Tranchot / von Müffling 1804/05
Preußische Uraufnahme 1844
Preußische Neuaufnahme 1893

Literatur

Bischöfliches Generalvikariat Aachen (Hrsg.) (1994)
Handbuch des Bistums Aachen (3. Ausgabe). S. 855-857, Mönchengladbach.
Clemen, Paul (Hrsg.) (1891)
Die Kunstdenkmäler des Kreises Geldern. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 1.2.) S. 55 f., Düsseldorf.
Föhl, Walther (1968)
Alte Grabsteine in Leuth. In: Heimatbuch des Kreises Kempen-Krefeld, S. 260 f.. o. O.
Freeden, Matthias (1966)
Aus dem kirchlichen Leben von Leuth und Leutherheide. In: Heimatbuch des Kreises Kempen-Krefeld, S. 214-219. o. O.
Henrichs, Leopold; Finken, Johann (1884)
Geschichte der Herrlichkeit Leuth. Ein Beitrag zur Geschichte des geldernschen Amtes Kriekenbeck (meist nach archivalischen Quellen bearbeitet, erste Lieferung). Kempen.
Peters, Leo / Optendrenk, Theo (Hrsg.) (o.J.)
Leuth - eine geldrische Herrschaft. In: Lobberich : ein Kirchspiel an der Nette ; heimatgeschichtliches Lesebuch zu 1000 Jahren einer niederrheinischen Gemeinde, Nettetal.
Pufke, Andrea (Hrsg.) (2016)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 83.) S. 208-210, Petersberg.
Schrievers, Paul (Hrsg.) (1951)
1251-1951: siebenhundert Jahre Pfarrgemeinde Leuth. Weeze.

Denkmalbereich „Historischer Ortskern Leuth“

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Leuth
Ort
Nettetal - Leuth
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Denkmalbereich gem. § 5 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Archivauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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„Denkmalbereich „Historischer Ortskern Leuth“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-30654-13062019-293806 (Abgerufen: 26. März 2025)
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