Denkmalbereich „Alte Kolonie“ Niederkassel

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Niederkassel
Kreis(e): Rhein-Sieg-Kreis
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 49′ 33,33″ N: 7° 01′ 50,74″ O 50,82593°N: 7,03076°O
Koordinate UTM 32.361.308,43 m: 5.632.315,48 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.572.670,26 m: 5.632.788,24 m
Die im frühen 20. Jahrhundert entstandene und bis in die 1950er Jahre gewachsene Werkssiedlung „Alte Kolonie“ wird als städtebauliche Einheit erlebt; ihr Kernbereich ist in der baulichen Substanz und in den städtebaulichen Strukturen nahezu unverändert erhalten.

Die Nähe zum Großkraftwerk Knapsack in hochwasserfreier Rheinlage und die Trasse der Kleinbahn mit Anschluss an die Bahnstrecke nach Köln bestimmten den Standort des Chemiewerkes und damit auch für die Lage der Siedlung. Die „Alte Kolonie“ liegt auf einem von der Rheinebene leicht ansteigenden Gelände am westlichen Rand der Rheinebene zwischen Niederkassel und Lülsdorf, zwischen dem Chemiewerk an der Feldmühlestraße und der Porzer Straße. Die Anlage erschloss das ehemals landwirtschaftliche Gebiet durch ein neues Wegesystem. Mittig durch die Siedlung parallel zur Porzer Straße und zur Feldmühlenstraße führt die Liebigstraße. Drei rechtwinklig abzweigende kurze Wege (Akazienweg, Parkweg, Kasseler Weg) binden die Siedlung an die beiden bestehenden Straßen. Südlich weist eine tiefe Mulde auf eine ehemalige Kiesgrube.

1912 gingen aus einem von Hugo Stinnes in Mülheim an der Ruhr gegründeten Ursprungswerk die „Deutschen Wildermannwerke Chemische Fabriken GmbH“ hervor. 1913/14 wurde das Werk in Lülsdorf als neue Produktionsstätte nicht weit entfernt vom Großkraftwerk in Knappsack gegründet. Der Fabrikation des Werkes lag als innovative Idee die Wildermann-Zelle zugrunde, eine Quecksilber-Zelle zur Zersetzung von Chlor-Kalium und Chlor-Natrium. 1913/14 wurde die Wohnsiedlung an der Porzer Straße für Werksangehörige der Deutschen Wildermann-Werke Chemische Fabriken GmbH aus Mülheim-Ruhr von dem Baugeschäft Beton und Eisenbeton, Ringofenziegelei Josef Kortlang & Söhne aus Köln-Mülheim konzipiert und umgesetzt, 1922/23 durch die Bauunternehmung Prinz & Hammer/Köln ergänzt und in den 1950er Jahre erweitert. Die ursprüngliche Planung sah Zwei-, Drei- und Vierfamilienhäuser vor mit in der Regel drei, vereinzelt zwei Zimmern, Küche, Vorratskeller, einem Closet auf halber Treppe, einem Gartenstück und einem Stall.

Die ersten Bauten der Siedlung waren die Wohnhäuser an der Porzer Straße. An der Stelle des späteren Direktorenwohnhauses Porzer Straße / Ecke Kasseler Weg war 1913 ein Casino geplant und am Grundstücksende Kasseler Weg / Ecke Liebigstraße der Bau eines Verwaltungsgebäudes, jedoch erfolgten Planänderungen im Laufe der Siedlungsentwicklung. Der Kernbereich der Alten Kolonie zwischen Porzer Straße und dem Werk besteht aus 13 freistehenden Baukörpern, umgeben von Gartengrundstücken, aus drei Einzelhäusern, fünf Doppelhäusern, zwei Baukörpern mit drei Wohneinheiten und zwei Reihen aus fünf und sechs Objekten.

Es sind durchweg schlichte unterkellerte zweigeschossige hell verputzte Ziegelbauten mit ziegelgedeckten Walm- und Satteldächern aus geschlossenen Dachflächen, die von einzelnen kleinen Dachaufbauten oder Fledermausgauben durchbrochen werden. Die hochrechteckigen Fenster weisen Schlagläden auf, die Fensteröffnungen sind vorwiegend T-förmig in zwei Flügel und ein Oberlicht geteilt, die Flügel waren ursprünglich durch Sprossen gegliedert. Umlaufende Gurtgesimse und einfache Putzmotive (flankierende Halbsäulen oder Lisenen, Verdachungen auf angedeuteten Konsolen) schmücken die Baukörper und betonen die Eingangsbereiche. In den rückwärtigen Gärten befinden sich massive, ebenfalls hellverputzte ein-, zum Teil zweigeschossige Nebengebäude, ehemals Ställe, von denen jeweils zwei oder mehrere zu einer Reihe zusammengefasst sind.

Die Objekte werden unterschiedlichen Wohnhaustypen zugeordnet, wobei Ausformung und äußere Gestalt, innere Struktur und Ausbildung von architektonischen Details dem Wohn- und Repräsentationsanspruch der sozialen Stellung der Bewohner entsprachen. Der Baubestand setzt sich zusammen aus einer Direktorenvilla, aus Häusern für Betriebsleiter, für Ingenieure, Meister, Vorarbeiter, Arbeiter und aus einem Arbeiterwohnblock. Zur Deckung des täglichen Bedarfs über den eigenen Anbau hinaus war eine Konsumanstalt/ein Ladenlokal an der Porzer Straße eingerichtet.

Am südlichen Rand, am Beginn der Siedlung liegt das Direktorengebäude, ein zweigeschossiger Putzbau mit architektonischen Details und mit Walmdach. Die Wohngebäude für Betriebsleiter und Ingenieure, die ersten Bauten aus dem Jahr 1913, gruppieren sich im Anschluss an der Porzer Straße in vier Blöcken. Die Baukörper sind gleichartig gestaltet, rau verputzt, zweigeschossig, weisen Walmdächer mit Giebelhäuschen auf, betonte leicht vorgezogene Eckachsen. Gegenüber auf der östlichen Straßenseite war ehemals ein Ladenlokal eingerichtet. Die übrigen zur Siedlung gehörenden Wohnhäuser sind für Meister, Vorarbeiter und Arbeiter konzipiert. Weitere Bauten von 1915 und 1922 ergänzen die Anlage. Die Wohnhäuser für Betriebsleiter und Ingenieure sind Zwei- bzw. Dreifamilienhäuser, die Arbeiterhäuser in der Porzer Straße Vierfamilienhäuser. Die Arbeiterhäuser werden 4 Haustypen mit unterschiedlichen Wohnungszuschnitten zugeordnet.

Der ursprüngliche enge Bezug zwischen Wohnbauten und großzügig geschnittenen Gärten, ist nahezu unverändert erhalten. Die Siedlung zeigt sich heute als in sich stimmiger Wohnbereich mit Wiesenflächen und Ziergärten. Mit der Freifläche zwischen Liebigstraße und Werk wurde als allgemeine Grünfläche für die Bewohner der Siedlung eine zusätzliche städtebauliche Qualität geschaffen. Im nördlichen Teil befinden sich an der Liebigstraße zwei winkel-förmige Erdbunker aus Beton von 1943; ein dritter liegt an der Ecke Parkweg/Liebigstraße. In den 1950er Jahren wurde die Siedlung am Kasseler Weg und an der Feldmühlestraße um drei weitere Mehrfamilienhäuser, die sich in Bauproportionen und Materialien des äußeren Erscheinungsbildes den übrigen Baugruppen anpassen, erweitert.

Das geeignete Instrument, um die spezifischen Merkmale der Siedlung zu schützen und um die weitere Entwicklung des Stadtteiles zu begleiten, ist die Ausweisung eines Denkmalbereiches. Schutzgegenstände des Denkmalbereiches sind der Siedlungsgrundriss, die aufgehende Bausubstanz straßenraumwirksame Details und prägende Freiflächen. Der Siedlungsgrundriss gibt der Siedlung das Grundmuster vor aus Straßen- und Wegeführung, Platzbildung und Parzellenteilung, die Hierarchie der Straßen und Wege und die Ausbildung der Straßen mit Fahrbahn und beidseitigem Trottoir. Die Bausubstanz insgesamt ist in wesentlichen Teilen erhalten.

Der Wert der Siedlung liegt im Miteinander der Objekte, in der Gruppierung der Bauten zueinander und im Zusammenspiel mit den straßenraumwirksamen Details wie Mauern, Treppen, Zäune, Belag, Wegeausbildung, Hecken, Bäume und mit den Freiflächen. Die Einzelobjekte sind von Gärten umgeben. Die Vorgärten stellen für die Häuser Distanzräume zu den Straßen dar; sie sind gleichzeitig einschließlich der niedrigen Mauern, der Holzlattenzäune und geschnittenen Hecken prägende Teile des Straßenraumes. Die rückwärtigen Gärten sind als Nutzgärten Teil des Funktionskonzeptes; sie sind heute Teil der Wohnqualität und begründen im Miteinander als großzügige Freiflächen die ruhige, durch Grünflächen und Bewuchs bestimmte Atmosphäre. Zu den prägenden Elementen des Außenraumes zählt auch zeittypische Bepflanzung, die geschnittenen Hecken an den Gartengrenzen und auf der Grünfläche Kasseler Weg / Feldmühlestraße und die Platanen- und Lindenreihenreihen im Straßenraum.

Die „Alte Kolonie“ ist bedeutend für die Ortsgeschichte von Lülsdorf und Ranzel. Die Siedlung zeugt als Teil des Werkes von der wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklung der Region im frühen 20. Jahrhundert, denn das Werk trug als großes Industrieunternehmen zum Aufschwung der gesamten Region bei; sie ist bedeutend für die Geschichte des Werkes und der chemischen Industrie am Rhein. Die Siedlung besteht aus Einzelobjekten, die ein städtebauliches Gesamtgebilde formen. Die „Alte Kolonie“ ist als Beispiel einer Werkssiedlung mit gartenstädtischen Charakter von siedlungsgeschichtlicher Bedeutung. Die „Alte Kolonie“ ist als Wohnsiedlung der Beschäftigten des Werkes ein Zeugnis der Sozialgeschichte.

Die Satzung ist seit 2014 rechtskräftig.

(Elke Janßen-Schnabel, LVR- Amt für Denkmalpflege im Rheinland, aus: Pufke (Hrsg.) 2016)

Quellen
Bauakten einzelner Objekte, Degussa, Bauarchiv, Lülsdorf

Literatur

Hass, Karl; Biallowons, Paul / Olligs, Heinrich (Hrsg.) (1952)
Das Feldmühle-Werk Koholyt - Lülsdorf. In: Lülsdorf am Rhein, S. 531-536. Köln.
Pufke, Andrea (Hrsg.) (2016)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 83.) S. 216-218, Petersberg.
Tamm, Wolfgang (Hrsg.) (2013)
Denkmalbereich Alte Kolonie. Satzung und Denkmalfibel. Niederkassel.

Denkmalbereich „Alte Kolonie“ Niederkassel

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Porzer Straße
Ort
Niederkassel - Ranzel
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Denkmalbereich gem. § 5 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Archivauswertung

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
„Denkmalbereich „Alte Kolonie“ Niederkassel”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-1474-13062019-293807 (Abgerufen: 1. Mai 2024)
Seitenanfang