Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen

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Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Bitterfeld-Wolfen
Kreis(e): Anhalt-Bitterfeld
Bundesland: Sachsen-Anhalt
Koordinate WGS84 51° 37′ 27,19″ N: 12° 18′ 3,12″ O 51,62422°N: 12,30087°O
Koordinate UTM 33.313.171,40 m: 5.722.695,28 m
Koordinate Gauss/Krüger 4.520.940,43 m: 5.721.134,02 m
  • Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen - Wasserturm am ehemaligen Kraftwerksstandort

    Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen - Wasserturm am ehemaligen Kraftwerksstandort

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  • Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen - Zörbiger Str 41 a

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  • Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen - Blick auf die das Tor zum Werksgelände an der Straße Hinter dem Bahnhof

    Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen - Blick auf die das Tor zum Werksgelände an der Straße Hinter dem Bahnhof

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Bereits 1893/94 gründeten die Elektrochemischen Werke G.m.b.H. zu Berlin (eine Tochterfirma der AEG mit dem Geschäftsführer Walter Rathenau) und die Chemische Fabrik Elektron A.G. Frankfurt am Main (eine Tochter der chemischen Fabrik Griesheim) Standorte in Bitterfeld um das Verfahren der Chloralkali-Elektrolyse industriell nutzbar zu machen. Um den hohen Energiebedarf für die Produktion decken zu können, schlossen sie Lieferverträge mit den lokalen Braunkohlengruben Hermine (Elektrochemischen Werke) und Luise (Chemische Fabrik Elektron, Vertrag bis 1910) und siedelten ihre Fabrikstandorte in deren direkter Nähe an. Das Elektrolyse-Verfahren mithilfe der sog. Griesheim-Zellen und der bereits ab 1888 bei der Chemischen Fabrik Elektron eingesetzte Neuentwicklung synthetischer Elektroden aus Kohle und Teer setzten sich durch und die beiden Werke wurden nach wenigen Jahren unter Leitung der chemischen Fabrik Griesheim 1898 als Chemische Fabrik Griesheim Elektron AG (CFGE) zusammengeschlossen. Diese Firma, bestehend aus den Werksteilen Bitterfeld I (südlicher Bereich, ehemals Chemische Fabrik Elektron, daher die Benennung Griesheimstraße) und II (nördlicher Bereich, ehemals Elektrochemischen Werke) war ab 1898 wichtige Keimzelle der Elektrolysechemie in Deutschland. Ab 1891 war Theodor Plieninger mehr als 30 Jahre lang kaufmännischer Direktor (später auch Aufsichtsrat der I.G. Farbenindustrie AG), Dr. Gustav Pistor leitete seit 1905 alle vier Elektron-Werke der Firma Griesheim und bleibt bis 1937 Leiter der Firma CFGE am Standort Bitterfeld. Staßfurter und weitere regionale Salze und der günstige Braunkohlestrom der lokalen Kraftwerke bildeten eine gute Ausgangslage für die Produktion verschiedenster auf Elektrolyse basierender Stoffe, darunter Natronlauge für die Herstellung von Zellulose, Aluminium und weitere Metalle, Acetylen, Chlorwasserstoff für die Kunststoff- bzw. PVC-Produktion und die weiterer chemischer Rohstoffe. Für den rüstungsbedingten Maschinenbau im Ersten und auch im Zweiten Weltkrieg spielten Kunststoffe und verschiedene Leichtmetalle, bei deren Produktion die Bitterfelder Anlagen führend waren, eine besondere Rolle. Zu nennen sind entwickelte Legierungen wie „Elektron“ (90 Prozent Magnesium; 1909 entwickelt, seit 1915 industriell produziert) oder die seewasserbeständige magnesiumhaltige Alulegierung „Hydronalium“(auch „Igedur“, entwickelt 1930 unter Leitung von Dr. Adolph Beck). Die Leichtmetallproduktion wurde ab 1916 mit Gründung der „Elektrometallurgischen Werke Bitterfeld“ professionalisiert (1914 wurde die „Kriegsmetall AG“ gegründet und zwischen 1915 und 1917 von der „Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron“ und der „Metallbank und Metallurgischen Gesellschaft“ Aluminiumhütten in Rummelsburg, Horrem, Lauta und Bitterfeld errichtet. Der Betrieb der Werke wurden von Griesheim-Elektron betreut, die neben dem Deutschen Reich zu 50 Prozent beteiligt waren).1938 wurde in Bitterfeld das zu der Zeit weltweit modernste Leichtmetall-Forschungslabor, dessen Gebäude bis heute an der Zörbiger Straße in Bitterfeld steht (Objekt 45000345), errichtet. Der bei der Elektrolyse in großen Mengen anfallende Wasserstoff führte 1908 zur Entstehung der Bitterfelder Luftschiff-Werft und ab 1910 wurden auch synthetische Edelsteine hergestellt. Im Ersten Weltkrieg waren die Bitterfelder Werke ebenfalls bedeutender Hersteller für die Sprengstoff- und Giftgasindustrie. 1921 wurden die Standorte Bitterfeld I und II endgültig zu einer Firma vereint. Außerdem wurde die Firmenleitung und Forschung der CFGE vom Großraum Frankfurt nach Bitterfeld verlegt, um den wirtschaftlichen Restriktionen in den von den Alliierten besetzten Gebieten entgehen zu können (ähnlich agierte auch die BASF, die 1923 ihre Forschungsabteilung von Ludwigshafen nach Leuna verlegte). Man richtete 1921 erstmalig für die chemische Industrie ein Rauchgaslaboratorium ein, um die Abgasverhältnisse in den Produktionen zu verbessern und den Klagen der Anwohner zu entsprechen. Die Versorgung mit Braunkohlen wurde ab 1909 (Aufschluss) durch die neue Grube Theodor (Benennung nach dem kaufmännischem Leiter der CFGE Theodor Plieninger (1856 bis 1930) für seine Verdienste bei „Auffindung und Ankauf des Bitterfelder Fabrikterrains“), die per Seilbahn in das Kraftwerk Süd/ Werk I lieferte, sichergestellt. Im 1. WK steigt der Verbrauch um das Fünffache und neue Gruben mussten erschlossen werden, Zukäufe waren schwierig. Schon 1927 wurde die Grube Auguste, das Kohlefeld Goitsche, sowie das an die Grube Theodor angrenzende Gebiet bis Delitzsch erworben, die Deutsche Grube wurde zum Betreiber aller Bitterfelder Gruben und später lieferten auch die Großtagebaue im Bitterfelder Gebiet. 1925 wurden die Wolfener (AGFA) und Bitterfelder Werke (CFGE) mit Gründung Teil der I.G. Farbenindustrie AG. In dem Zuge wurde das zentrale Verwaltungsgebäude der I.G. für die Betriebsgemeinschaft Mitteldeutschland 1925/26 im südlichen Teil des Werksgeländes der CFGE an der Zörbiger Straße neu errichtet. Die technische Leitung der Werke siedelte von Griesheim nach Bitterfeld um. Das Gebäude (Objekt 45000344) ist heute als Teil der Verwaltung des Chemieparks in Nutzung und stellt neben dem in den Produktionsbereichen erhaltenen Relikten des Baubestands ein wichtiges Zeugnis dar. Die 1925 gegründeten IG Farben bauten besonders ihre Werke im mitteldeutschen Raum stark aus. In Bitterfeld wurde ein Fünftel der weltweiten Aluminiumproduktion und der größte Teil der Magnesiumproduktion realisiert. Es gab sogar ein konzerneigenes Energienetz, in das alle betriebseigenen I.G.-Farben-Kraftwerke einspeisten. Über Schienenwege waren die mitteldeutschen chemischen Standorte besonders eng miteinander vernetzt. Im Zuge der Gründung und Expansion der Bitterfelder und Wolfener Werke wurden für die tausenden Arbeitskräfte, die sich ansiedelten notwendige Wohn- und Sozialbauten errichtet. Sie sind heute noch vielerorts im Stadtgebiet zu erkennen, darunter sowohl Siedlungen aus der Anfangszeit der Werke zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als auch Wohngebiete und soziale Infrastrukturen wie Schulen, Kindergärten Kultur- und Versorgungseinrichtungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR entstanden.
Beruhend auf Forschungen aus den 1910er Jahren gab es seit 1928 Versuche zur fabrikmäßigen Herstellung von PVC, die in der Entwicklung der Pe-Ce-Faser 1934 mündeten. In den 1930er und 1940er Jahren wurde die Rüstungsproduktion, unter Einsatz von Zwangsarbeit wie in allen I.G. Farben-Werken, erneut sehr intensiviert. Leichtmetalle für Flugzeuge, Boote oder Bomben, Schwermetalle und verschiedene chemische Produkte wie Chemikalien, Kunststoffe, Düngemittel wurden produziert. Der hohe Strombedarf wurde u.a. mit dem eigenem Braunkohlenkraftwerk gedeckt.
Nach Kriegsende 1945 hatten die Bitterfelder Braunkohlenwerke und Chemiebetriebe im Gegensatz zum Geiseltal und Leuna kaum Schäden zu verzeichnen. Die Produktion kam aber zum völligen Erliegen, vor allem durch die Befreiung der Zwangsarbeiterschaft. 1946 bis 1952 wurde als Teil der SAG „Kaustik“ zu ca. 50 Prozent für die Leistung der Reparationen produziert. Mit Verabschiedung des DDR-Chemieprogramms 1958 wurde die Bitterfelder Elektrolysechemie besonders auf die Chlor- und PVC-Produktion konzentriert. Hier stand bis zu einem Unfall 1968 mit über 40 Toten die größte PVC-Produktionsanlage der DDR, die danach komplett nach Schkopau in Form eines kompletten Neubaus in die VEB Chemische Werke Buna verlagert wurde
. Das 1969 unter Vereinigung des VEB Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld (EKB; war nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron hervorgegangen) mit der Wolfener Farbenproduktion gegründete VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB) hatte große Bedeutung für die DDR-Wirtschaft als Produzent für Grund- und Haushaltschemikalien, Aluminium, Farbstoffe und Lacke, Pflanzenschutz-, Schädlingsbekämpfungs- und Düngemittel, Waschmittel, pharmazeutische Grundsubstanzen, Kunststoffe und Weiteres. Häftlinge wurden auch in dieser Epoche zu extrem gesundheitsschädlicher, teils sogar tödlicher Arbeit, beispielsweise in der Nähe der quecksilberhaltigen Elektrolysezellen gezwungen (siehe Objekt 45000360).

1990 konnte der Standort nicht als Ganzes privatisiert werden. Zur Erhaltung wurde ein Chemiepark-Konzept entwickelt, bei dem über Ausgliederung von Bereichen, Neuansiedlung von Firmen und Bereitstellung bzw. Nachnutzung der baulichen und verkehrlichen Infrastruktur die weiträumigen Industriestandorte in Wolfen und Bitterfeld wirtschaftlich erfolgreich verwaltet werden. Seit 2021 wird am Standort mittels überschüssiger Solar- und Windenergie der erste grüne Wasserstoff aus Chloralkali-Elektrolyse in Deutschland produziert.


Datierung:
  • 1893/4 - bis dato
  • Bauphase(n):

Quellen/Literaturangaben:
  • Hackenholz, Dirk: Die elektrochemischen Werke in Bitterfeld 1914-1945. Ein Standort der IG-Farbenindustrie AG, in: Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg(Hrsg.): Forschungen zur Neuesten Geschichte, Band 3, Münster, 2004.
  • Heinz Peter Brogiato/Luise Grundmann: Mitteldeutschland in frühen Luftbildern, Leipzig 2005
    https://www.chemiepark.de/der-chemiepark/historie/, abgerufen am 9.8.2023.

  • Lang, Wilhelm: 18.Oktober 1894 - Die erste Chloralkalielektrolyse geht in Bitterfeld in Betrieb, In: Verein der Freunde und Förderer des Kreismuseums Bitterfeld e.V.(Hrsg.): Zur Industriegeschichte der Bitterfelder Region, Heft 3, Bitterfeld 1996.
  • Schmidt, Jürgen: Das Volksbad in Roitzsch. Geschichte und Geschichten. Leipzig, 2008.
  • Vesting, Justus: Zwangsarbeit im Chemiedreieck. Strafgefangene und Bausoldaten in der Industrie der DDR, Berlin 2012.
  • Vorstand der Chemie-AG Bitterfeld-Wolfen (Hrsg.): Bitterfelder Chronik.100 Jahre Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen. Bitterfeld, 1993.
  • https://www.chemiepark.de/der-chemiepark/historie/, abgerufen am 9.8.2023.

BKM-Nummer: 45000341

Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen

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Ort
Bitterfeld-Wolfen
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
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„Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Folgeunternehmen”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-45000341 (Abgerufen: 1. Mai 2025)
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