Das Kraftwerkkonzept der beiden Blöcke sieht für die Dampferzeuger R und S jeweils eine nachgeschaltete zweistrangige Rauchgasreinigung vor. Zur Entstaubung der Rauchgase von der enthaltenen Flugasche werden Elektrofilter mit einem Abscheidegrad von über 99% der Firma ABB Umwelttechnik eingesetzt. Das entstaubte und in Wärmetauschern des Rauchgas-Wärmeverschiebesystems abgekühlte Rauchgas wird in Entschwefelungsanlagen der Essener Firma Lentjes Bischoff mit einer Kalksuspension gewaschen. Während das Rauchgas die Absorber von unten nach oben durchströmt, reagieren die im Rauchgas der besonders schwefelhaltigen Schleenhainer Braunkohle enthaltenen Schwefeldioxide mit der hinzugegebenen Branntkalksuspension. Die Kalksuspension wird im Absorber fein aufgesprüht und rieselt nach unten in eine Auffangwanne, in der das Umsetzungsprodukt des Schwefeldioxids durch Zugabe von Sauerstoff zu Gips aufoxidiert. Der Gips wird im östlichen Gebäudeteil entwässert und über die Bandanlagen zur Gipslagerhalle bzw. in die östlich gelegene Gipsfabrik sowie zur Güterbahn für die weitere Verarbeitung transportiert.
Die Rauchgase haben nach dem Waschverfahren eine Temperatur von etwa 70 Grad Celsius und werden in die Kühltürme über die in deren unterem Drittel angeordneten Rohrleitungen abgeleitet. Aufgrund des hohen Schwefelanteils sind die Absorbertürme der Anlage durch eine Auskleidung mit walzplattierter Legierung auf Nickelbasis gegen Korrosion geschützt.
Die Architekten Prof. Fred Angerer und Gerhard Feuser gliedern das mächtige Volumen und die großen Flächen des langgestreckten Baukörpers durch eine geschosshohe Sockelzone in Sichtbeton mit darüber angeordneter vertikaler Aludeckschalung aus metallic lackierten Trapenzblechen. Die Konturen des dachüberstandslosen Gebäudes werden durch Abrunden der Ecken aufgeweicht. Lediglich die vier aus der Fassade hervortretenden Erschließungskerne sind sockellos mit Trapezblech verkleidet und verweisen mit den übereinander angeordneten Bullaugenfenstern und blau gestrichenen Fluchttüren auf die Treppenhausfunktion hin. Ansonsten sind die umfangreichen Flächen der Trapezblechverkleidung mit Ausnahme von drei Bullaugenfenstern des Schaltanlagengebäudeteils ohne jede Öffnung. Das Sockelgeschoss ist mit Sichtbetonflächen in den unteren zwei Dritteln und darüber einer Lüftungszone mit horizontalen blau lackierten Blechlamellen differenzierter gestaltet. In regelmäßigen Abständen sind blau lackierte Stahldoppeltüren in den geschlossenen Sichtbetonstreifen eingelassen.
(Nils Schinker, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)
Datierung:
- Erbauung 1995–2000 (Rauchgasentschwefelungsanlage)
Quellen/Literaturangaben:
- Christliches Umweltseminar Rötha e. V./Kulturbüro Espenhain (Hgg.): Braunkohle-Energie-Chemie. 80 Jahre Industrieentwicklung am Standort Böhlen-Lippendorf; Südraum Journal 15. Leipzig 2004, S. 85-91.
- Wagenbreth, Otfried: Die Braunkohlenindustrie in Mitteldeutschland. Geologie, Geschichte, Sachzeugen; Beucha/Markkleeberg 2011, S. 135-141.
- Berkner, Andreas/Pro Leipzig e. V. (Hgg.): Auf der Straße der Braunkohle. Exkursionsführer; 3. Aufl., Leipzig 2016, S. 210-214.
- Energie & Management stellt vor: Braunkohlenkraftwerk Lippendorf; In: E&M (1996), S. I-VIII.
Bauherr / Auftraggeber:
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BKM-Nummer: 30100153