Dampferzeuger R

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Neukieritzsch
Kreis(e): Leipzig
Bundesland: Sachsen
Koordinate WGS84 51° 10′ 55,66″ N: 12° 22′ 21,19″ O 51,18213°N: 12,37255°O
Koordinate UTM 33.316.369,53 m: 5.673.360,12 m
Koordinate Gauss/Krüger 4.526.155,18 m: 5.671.971,66 m
  • Kraftwerk Lippendorf, Kohlemühle im Kesselhaus R

    Kraftwerk Lippendorf, Kohlemühle im Kesselhaus R

    Fotograf/Urheber:
    Nils Schinker
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  • Kraftwerk Lippendorf, westliches Kesselhaus (Dampferzeuger R) mit Besucheraustritt auf dem Dach, Blick von Südwest

    Kraftwerk Lippendorf, westliches Kesselhaus (Dampferzeuger R) mit Besucheraustritt auf dem Dach, Blick von Südwest

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Mit ihren 163 Metern Höhe und ihrer kathedralartigen Gestalt erscheinen die beiden Kesselhäuser und die 175 Meter hohen Kühltürme als weithin sichtbare Landmarke im Südraum Leipzig. Im Ensemble der trapezblechverkleideten Kraftwerksgebäude wirken die beiden Dampferzeugergebäude in ihrer Höhenstaffelung besonders prägnant. Aus einer einheitlichen Traufhöhe von etwa 70 Metern des Maschinenhauses (Zwischenbau) und des unteren Kesselhausbereichs ragen die nach Norden apsidal abgerundeten Einhausungen der Dampferzeuger empor. Die Südseite ist durch je zwei markante Treppenhaustürme mit dazwischen abgeschrägtem Rücksprung gekennzeichnet. Wie bei allen Gebäuden des Kraftwerks folgten die Architekten Prof. Fred Angerer und Gerhard Feuser ihrem Corporate Design und gestalteten die Außenhaut mit einer vertikalen Aludeckschalung aus metallic lackierten Trapezblechen. Im geschosshohen Sockelbereich aus Sichtbeton sind blau lackierte Doppeltüren und mit Blechlamellen verdeckte Lüftungsöffnungen eingelassen, die sich auch an den wenigen bandartigen Lüftungsöffnungen in der ansonsten hermetisch verschlossenen Blechfassade wiederfinden. Bei der mächtigen Größe des Gebäudes geht fast unter, dass auch hier die Konturen durch ein Abrunden der Gebäudekanten weicher gestaltet sind. Die beiden Kesselhäuser der Dampferzeuger R und S sind baugleich, wobei der als zweites fertig gestellte Block R über einen Aussichtspunkt für Besucher auf dem Dach mit westlicher Blickrichtung zum Tagebau Vereinigtes Schleenhain verfügt.
Mit der Planung und Ausführung der Dampferzeuger wurde die Oberhausener Firma Babcock Lentjes Kraftwerkstechnik beauftragt, die mit Hilfe dreidimensionaler CAD-Anwendung Pionierarbeit bei der Entwicklung eines Projektes dieser Größenordnung leistete. Durch die EDV-Unterstützung war es auch möglich, das Volumen dank schlankerer Bauweise um bis zu 30% gegenüber bisher gebauten Kesselhäusern zu minimieren. Die Bodenverhältnisse am Standort in Lippendorf erlaubten nur eine geringe Untergeschosshöhe, was zusätzlich die Bauhöhe reduzierte. Unterschiedliche Setzungen des Baugrundes stellten die Konstruktion vor besondere Herausforderungen. Auf einer 2,5 bis 3,5 Meter dicken Fundamentplatte wurden zuerst die vier über 160 Meter hohen Treppentürme in Stahlbeton errichtet. Ihr enormes Gewicht verursachte ein vorausberechnetes Durchbiegen der gemeinsamen Fundamentplatte, weshalb die Stahlkonstruktion für die Dampferzeuger mit 150 mm Abweichung vom Lot ausgeführt wurde. Das Gesamtgewicht des komplett montierten Dampfkessels von über 50.000 Tonnen führte nach zwei Jahren zu ausgleichenden Setzungen und einer gleichmäßigen Belastung der Fundamentplatte. Im Frühjahr 1997 kam der weltgrößte mobile Kran mit einer Hebehöhe von 180 Metern auf die Baustelle, der am 20. Januar die erste Stütze des Kesselgerüstes aufrichtete. Ein Novum stellte auch die Montage des 5.000 Tonnen schweren und 110 Meter hohen Kesselhausoberteils dar, das vor Ort zusammengesetzt und dann mit einem Lizzen-Hubsystem in die Endhöhe von 160 Meter gezogen wurde. Anschließend konnten die darunterliegenden Kesselhaus-Teile montiert werden. Dieser Ablauf ermöglichte eine schnellere Bauzeit.
Über die Kohlebandbrücke wird die Rohbraunkohle aus dem Kohlezwischenbunker in den Zwischenbau transportiert und über Kohlebandförderer intern an die acht Kohlemühlen am Fußpunkt der Brennkammer verteilt. Dabei wird der Klärschlamm als Sekundärbrennstoff mit einem Prozentsatz von 2,5% der Kohlzuteilung zur Mitverbrennung beigefügt. Die Nassventilator-Schlagradmühlen vom Typ NV 110 zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme die größte deutsche Kohlemühle trocknen und zermahlen stündlich bis zu 110 Tonnen Rohbraunkohle. Der Braunkohlenstaub dient zur Befeuerung in der Brennkammer, die von einem Öl-Zünd- und Stützbrenner angefahren wird. Der Dampferzeuger ist als Zwangsdurchlaufkessel in Turmbauweise konstruiert und besteht aus der Brennkammer sowie darüber in Schichten angeordneten Konvektionsheizflächen. Der Kessel ist vollverschweißt und mit rauchgasdichten Membranwänden ausgeführt. Um Dampftemperaturen von 554°C am Hochdrucküberhitzer- und von 583°C am Zwischenüberhitzer-Austritt zu erreichen, wurden die Heizflächen der Überhitzerstufen in Chrom-Nickel-Stahl (austenitischer Werkstoff mit Chromgehalt bei 14-16%) ausgeführt, während außerhalb des Dampferzeugers martensitische Werkstoffe (nichtrostender Edelstahl mit über 10,5% Chromanteil) eingesetzt wurden. Die anspruchsvolle Verschweißung führte die Deutsche Babcock Kraftwerkstechnik GmbH aus. Den oberen Bereich des mit einer Gesamthöhe von 160 Metern konstruierten Kessels bildet der sogenannte Economiser, der die Restwärme der zuvor an Verdampfer-, Überhitzer- und Zwischenüberhitzerheizflächen abgegebenen Wärme zur Vorwärmung des Speisewassers nutzt. Acht Rücksaugrohre führen überschüssiges Rauchgas zu den Kohlemühlen. Die Hochdruckrohrleitungen, die das von der Speisewasserpumpe geförderte Speisewasser in den Zwangsdurchlaufkessel durch den Vorwärmer und Verdampfer sowie den erzeugten heißen Dampfstrom durch die verschiedenen Überhitzerebenen zur Turbinen leiten, stammen von Mannesmann Seiffert. Das im Verbrennungsprozess anfallende Rauchgas gelangt zur Entstaubung über den Regenerativ-Vorwärmer und Rauchgaskanäle in das nördlich anschließende Gebäude der Elektrostaubfilteranlagen.
Sowohl bei der Projektierung, als auch bei der Montage der Kessel wurde Neuland betreten und ein höchst effektiver und umweltfreundlicher Dampferzeuger entwickelt, der mit 2.420 t/h Dampfleistung zur Inbetriebnahme die modernste Großfeuerungstechnik für Braunkohle der Welt darstellte.

(Nils Schinker, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)

Datierung:
  • Erbauung 1995–2000 (Dampferzeuger R)

Quellen/Literaturangaben:
  • Christliches Umweltseminar Rötha e. V./Kulturbüro Espenhain (Hgg.): Braunkohle-Energie-Chemie. 80 Jahre Industrieentwicklung am Standort Böhlen-Lippendorf; Südraum Journal 15. Leipzig 2004, S. 86/87.
  • Wagenbreth, Otfried: Die Braunkohlenindustrie in Mitteldeutschland. Geologie, Geschichte, Sachzeugen; Beucha/Markkleeberg 2011, S. 135-141.
  • Berkner, Andreas/Pro Leipzig e. V. (Hgg.): Auf der Straße der Braunkohle. Exkursionsführer; 3. Aufl., Leipzig 2016, S. 210-214..
  • Energie & Management stellt vor: Braunkohlenkraftwerk Lippendorf; In: E&M (1996), S. I-VIII.
  • Angerer, Fred/Feuser, Gerhard: KW Lippendorf Untersuchungsbericht zur Einbindung aller geplanten Kraftwerksanlagen in den umgebenden Landschafts- und Siedlungsraum unter Berücksichtigung städtbaulicher, gestalterischer, funktionaler, technischer landschafts- und umweltbeeinflussender Zusammenhänge, Vorgänge und Bindungen; München 1994.

Bauherr / Auftraggeber:
  • --

BKM-Nummer: 30100145

Dampferzeuger R

Schlagwörter
Ort
Lippendorf
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank

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„Dampferzeuger R”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-30100145 (Abgerufen: 19. März 2025)
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