Die Siedlung erstreckt sich entlang der Victorstraße südlich der Trasse der Köln-Mindener-Eisenbahn und nördlich des Deininghauser Bachs zwischen der Bahnhofstraße im Osten und der Brücke über den Deininghauser Bach im Westen.
Entwicklung des Zechenstandortes
Siedlungsbereich 1
Siedlungsbereich 2
Siedlungsbereich 3
Siedlungsbereich 4
Siedlungsbereich 5
Siedlungsbereich 6
Entwicklung des Zechenstandortes
Die Entwicklung des Zechenstandortes im Stadtteil Bladenhorst an der Grenze zur Gemarkung der Gemeinde Habinghorst und Rauxel rief eine hohe Beschäftigtenzahl und demzufolge eine starke Wohnungsnachfrage hervor, die durch die Gewerkschaft Victor gedeckt werden musste. Die Bebauung in den beiden Stadtteilen Bladenhorst und Rauxel gehört daher im Zusammenhang mit den Siedlungen in den übrigen Stadtteilen Habinghorst und Ickern „zu einer der größten Agglomerationen von Bergarbeiter-Siedlungen des Ruhrgebietes“. Zusammen mit der Einrichtung des Schachtes Victor II und mit dem Beginn der Förderung dort wurde bereits ab 1894 ein erster Bauabschnitt für Arbeiterwohnungen durch den Architekten und Bauunternehmer August Franke, Wanne auf Flächen des ehemaligen Gutes „Strittheide“ ausgeführt. Dieses hat auch zu dem Namen „Kolonie Strittheide“ geführt. Der Standort dieser Hofstelle ist nicht eindeutig bekannt.
Die Entwicklung der Siedlung gliedert sich in folgende Abschnitte (siehe hierzu auch die Abbildung der Übersichtskarte der Siedlung):
Siedlungsbereich 1
1899 wurden der Siedlungsbereich alsbald der Gewerkschaft „Zeche Victor“ übereignet und anschließend von dort die Baumaßnahmen fortgeführt. Die A-Straße, die spätere Victorstraße (ursprünglich auch als „Waldstraße“ bezeichnet), diente bei der Erschließung des Gebietes als Haupterschließung. Daran wurden die beiden, im rechten Winkel nach Süden gerichteten Straßen die östliche B-Straße, später als Maxstraße, und die westliche C-Straße, später als Moritzstraße bezeichnet, angeschlossen. Erst im Anschluss daran wurde die Clemensstraße zwischen Maxstraße und Bahnhofstraße um 1910 erschlossen und nach und nach vereinzelt mit privaten Mehrfamilienhäusern bebaut (Historika 25, 2005; Topographische Karte 1:25.000, 1913). Gemeinsames Merkmal der drei Straßenräume ist die beidseitige, alleeartige Bepflanzung mit Linden und die Fassung des Straßenraums durch Wohnhäuser.
Der Typus der traufenständigen, zweigeschossigen Doppelhäuser mit Satteldächern reiht sich unmittelbar an der Bauflucht beidseitig der Straße auf. Diese wird nur durch seitliche Bauwiche zur Erschließung der Häuser und hinteren Grundstücks- und Gartenflächen unterbrochen. Von dieser Struktur, ursprünglich in einheitlichem, schlichten Ziegelmauerwerk mit sparsamer Gliederung durch Sockel und Geschossgesimse, sind heute nur noch Ansätze erhalten, die verbliebene Kubatur der Gebäude bestimmt jedoch bis heute das Straßenbild. In der linearen Aneinander-Reihung und der ständigen Wiederholung der gestalterischen Merkmale aus der Entstehungszeit hat die Siedlung auch heute noch eine kasernenhafte Wirkung und dokumentiert hier nachhaltig den (Arbeiter- bzw. Bergarbeiter-) Wohnungsbau in seiner Ausprägung am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Gebäude sind, inzwischen privatisiert, durch die neuen Eigentümer mit Putz oder Ziegeln („Verblender“) verkleidet oder mit Farbe in ihrem Erscheinungsbild stark individuell überformt worden.
Als Bauherr trat die Siedlungsgesellschaft Glückauf mbH auf. Ebenfalls sind inzwischen die ursprünglich geteilten Fensteröffnungen in stehenden Format durch einteilige Fenster mit ungeteilten, einscheibigen Verglasungen ausgetauscht worden. Die städtebauliche Struktur und Gebäude-Kubatur aus der Entstehungszeit sind jedoch weiterhin erkennbar und bis heute ablesbar geblieben.
Eine Erhaltungssatzung gibt es für dieses Baugebiet nicht, sind doch die Veränderungen schon so weit vorangeschritten, dass der Gestaltwert der Einzelgebäude kaum noch als Maßstab und Beispiel für behutsame, bauliche Maßnahmen herangezogen werden kann. Auch ist die ursprüngliche Siedlungsstruktur mit ihrer Bebauung an den Straßen und dahinter liegenden, tiefreichenden Gartenflächen aufgrund einer Nachverdichtung mit weiteren Gebäuden in den Blockinnenbereichen bis heute verändert und verunklart.
Die unterschiedlichen Architektursprachen gestatten es jedoch, die verschiedenen Bauphasen zu erkennen und auseinander zu halten.
Siedlungsbereich 2
Im Anschluss an die zusammenhängende Siedlung nach Westen entstanden auf der Nordseite der Victorstraße weitere zahlreiche Gebäude mit Mietwohnungen durch Privatleute:
- um 1912 das Wohn- und Wirtschaftsgebäude, wie z.B. das Haus Victorstraße Hausnummer 110 (Bauherr war Johannes Plum, als Verfasser zeichnete Franz Koch, Architekt; Castrop),
- um 1913/1914 mehrere Neubauten als freistehende Doppel-Einfamilienhäuser, durch Vorgärten von der Straße abgerückt, z.B. das Haus Victorstraße Hausnummer 90, dessen Bauherr W. Köster, Rauxel, war sowie
- das Haus Victorstraße Hausnummer 100, dessen Bauherr Hermann Stürmer war. Als Verfasser trat der Baumeister und Architekt Emil Lickweg, Castrop, vom Baubüro der Zeche Victor auf.
Siedlungsbereich 3
Wenig später wurde um1921 / 1922 die Siedlung als „Bergmannssiedlung 2“ auf der Südseite der Victorstraße ebenfalls nach Westen erweitert. Es entstanden neue Haustypen, als Gruppen von Reihenhäusern (Victorstraße Hausnummer 75 und folgende) sowie Eckhäuser als freistehende Häuser mit mehreren Wohnungen z.B. Victorstraße Hausnummer 100. Bauherrin war die Bergmannssiedlung Herne GmbH, Herne, Verfasser war der Architekt Otto Münnekehoff, Castrop-Rauxel.
Siedlungsbereich 4
Fast zeitgleich wurde zwischen 1923 und 1926 in der unmittelbaren Nachbarschaft inmitten der Gärten zwischen Victorstraße und Deininghauser Bach ein Wohngebiet mit freistehenden, privaten Mehrfamilienhäusern am Gartenweg entwickelt.
Zurückhaltend angewandte Gestaltmerkmale lassen diese Gebäude dem Stil der Art déco zuordnen; andere verwenden Elemente im Stil des Bauhauses oder der Neuen Sachlichkeit. Grundlage für alle Gebäude bildet der einheitliche Maßstab durch zwei Geschosse und steil geneigte Dachformen mittel Sattel- oder Walmdächern, wie z.B. die Baugruppe Gartenweg Hausnummer 6 und Hausnummer 8 um 1923 (Bauherr und Verfasser nicht bekannt) sowie Gartenweg Hausnummer 13 um 1925. Bauherr und Verfasser waren hierfür in einer Person der Architekt Josef Vogt, Bladenhorst.
Siedlungsbereich 5
Schließlich wurden 1955/1956 durch mehrere 3- und 4-Familienhäuser als untereinander gruppierte Zeilenbauten zwischen Victorstraße und Gartenweg die letzten Baulücken geschlossen (Bauherr: Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH. Castrop-Rauxel; Verfasser: Knath, Baumeister, Castrop-Rauxel).
Diese Gebäude sind in der Zwischenzeit mittels Energie-einsparender Maßnahmen wohl verändert worden, haben aber ihren ursprünglichen Charakter weitgehend gewahrt.
Siedlungsbereich 6
Den Standort der ehemaligen Waldschule an der westlichen Victorstraße von 1921 hat inzwischen eine Gruppe von Einfamilienhäusern eingenommen. Die beim Abbruch des Gebäudes geretteten Reliefs der Fassade mit spielenden Kindern sind um 1980 an der Victorstraße im Schnittpunkt der Wege und östlichen Rampe zur Vördestraße als Denkmal aufgestellt worden. Für die Waldschule hatte es bereits ein Vorgängergebäude südlich der Victorstraße an der Schulstraße gegeben. Daraus leitet sich dort auch die Straßen-Bezeichnung her.
(LWL-Amt für Landschafts- und Baukultur, 2009)