Arbeitersiedlung der Firma Rütgers in Bladenhorst

„Rütgers-Siedlung“ an der Vördestraße

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Castrop-Rauxel
Kreis(e): Recklinghausen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 34′ 24,3″ N: 7° 17′ 40,24″ O 51,57342°N: 7,29451°O
Koordinate UTM 32.381.811,55 m: 5.714.972,34 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.589.788,07 m: 5.716.235,59 m
Die im Laufe von mehr als 100 Jahren entstandene Siedlung bildet in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem weiterhin sehr aktiven Betrieb einen städtebaulichen Zusammenhang von Wohnen und Arbeiten ab. Dieses ist heute für Castrop-Rauxel einmalig und für das Ruhrgebiet selten und häufig wohl noch nachvollziehbare Geschichte, hier „vor Ort“ aber noch wirklich gelebter Alltag in einer überschaubaren Wohn- und Arbeitswelt. Die Siedlung erstreckt sich zwischen dem Firmengelände mit seinen Gleisanlagen im Norden (der Trasse der ehemaligen Westfälischen Landeseisenbahn), den technischen Anlagen und den Verwaltungsgebäuden im Osten, der Köln-Mindener Eisenbahn im Süden sowie dem Landschaftsraum zum Haus Bladenhorst sowie zum ehemaligen Standort des Haus Vörde im Westen. Die Siedlung wird heute über die Vördestraße erschlossen.
Das Haus Vörde hatte seinen Standort an der „Dodingheide“. Bereits im 13. und 14. Jahrhundert erscheint der Name „Vorde“ oder „Vurde“ im Zusammenhang mit Gefolgschaften und Lehen in verschiedenen Urkunden. „1498 erhielten die Kinder selbigen Nevellink Staels das Gut `to Vorden´ im Amte Bochum vom Grafen von Limburg zu Lehen. 1538 besaß das Gut Hinrich zu Eickel. ... 1632 gehörte Vörde Melchior von Eickel, der ... das Gut 1636 dem Johann zu Gisenberg schenkte. Dessen unvermählter Sohn Adolf Arnold vermachte es den Grafen von Westerholt. 1775-1790 besaßen es die Grafen von Boenen zu Westerholt“ [LUDORFF, 1907; Seite 18].

Der ehemalige Standort des ehemaligen Herrenhauses ist vermutlich bereits um 1850 durch den Bau der Trasse für die Westfälische Landes-Eisenbahn (später: Rest als Teil der Anschlussbahn zwischen dem Hafen Victor und der Zeche Victor III / IV) in Anspruch genommen worden. Bei Resten der Anlage, die noch bis 2000 erhalten waren, hat es sich offensichtlich um Teile eines Wirtschaftshofs („Bauhof“) des Hauses Vörde, der ebenfalls von Gräften umgeben war, gehandelt, wie dieses bei vielen Adelssitzen zu finden ist [Preußische Aufnahme, Urmesstischblatt; Blatt 4409, 1842 sowie Königlich Preußische Landes-Aufnahme, Neuaufnahme, Blatt 4409, Herausgabejahr 1894]. Die Freiflächen sind jetzt eingeebnet und lassen kaum noch Spuren des Hauses Vörde erkennen. Geblieben ist bis heute der Name in der Bezeichnung „Vördestraße“.
Zum Grunderwerb durch Julius Rütgers(1830 - 1903) boten sich Flächen zwischen der Eisenbahntrasse und dem Rhein-Herne-Kanal an, die zur Erschließung des Vorhabens dienten. Für seine Unternehmungen konnte dieser die geeigneten Bauflächen von dem Eigentümer Freiherrn Weichs zur Wenne und teilweise aus dem Besitz des Grafen zu Westerholt erwerben [RÜTGERS VFT, 1997; Seite 16].

Mit Gründung der Firma Rütgers in Castrop-Rauxel im Jahre 1897 nahm die Teerverwertung aus der Verkokung der Steinkohle für die Stahlindustrie ihren Anfang [RÜTGERS VFT, 1997; Seite 16]. Steinkohle wurde innerhalb des Stadtgebietes und darüber hinaus auch in den Nachbarstädten Dortmund, Bochum oder Recklinghausen in ausreichenden Mengen gefördert. Anfangs ging es noch um eine reine Imprägnier-Anstalt für Holz, heute basieren die vielfältigen Produkte auf den chemischen Spaltprodukten der Kohlenstoff-Verbindungen im Steinkohlenteer. Sie sind inzwischen Grundlage für vielfältige Erzeugnisse in Privathaushalt,Büro und vor allem Industrie (Chemie, Medizin und Aluminiumproduktion, Maschinenbau) geworden [GESCHICHTSKREIS, 1997; Seite 80].
In dieser Zeit war die Unterbringung der Arbeiter, Meister und höheren Angestellten („Beamte“) in betriebseigenen Wohnungen üblich. Dafür boten sich als Standort an der ursprünglichen Zufahrt über die Kämpenstraßeeinige Flächen an. Diese lagen in unmittelbarer Nähe zum Betrieb und wurden anfangs direkt von der Victorstraße im Süden über die Köln-Mindener Eisenbahn erschlossen [HISTORIKA 25, Topographische Karte 1:25.00, Blatt 4409, 1913 ], dann später erst über die Vördestraße [HISTORIKA 25, Topographische Karte 1:25.00, Blatt 4409; 1927]. Bezeichnender Weise wurde in dieser Zeit vielfach Straßen nach den Vornamen der Firmengründer wie hier z. B. nach Julius Rütgersbenannt.

Die Entwicklung der Siedlung gliedert sich in folgende Abschnitte (siehe hierzu auch dieAbbildung der Übersichtskarteder Siedlung):

Siedlungsbereich 1
Direkt an den Betrieb angrenzend wurde bereits ab 1898 mit dem Bau an der Juliusstraße ein- bis zweigeschossige, innerhalb der Gartenflächen freistehende Doppelhäuser für die Beamten und Meister begonnen. Die Gestaltung und Gliederung der Gebäude wurde mit steilen Walmdächern und eingeschobenen Erkern recht aufwändig ausgeführt sowie mit einzelnen baulichen Details erheblich reichhaltig geschmückt.
Die gestalterische Vielfalt der verschiedenen Gebäude wurde auch dadurch erreicht, dass unterschiedliche Architekten beauftragt wurden wie z. B. 1898 Georg Schmidtmannund Julius Klemp, Dortmund, [ARCHIV Bauordnungsamt Stadt Castrop-Rauxel, Bauakte Juliusstraße, Hausnummer 1 und 3] sowie 1904 August Franke, Wanne [ARCHIV Bauordnungsamt Stadt Castrop-Rauxel, Bauakte Juliusstraße, Hausnummer 5 und 7 sowie RÜTGERS VFT, 1997; Seite 17].

Siedlungsbereich 2
Der nächste Bauabschnitt zur Errichtung einer „Kolonie für Arbeiter“ wurde im Anschluss an die Beamten- und Meisterhäuser mit einfacher gestalteten Wohngebäuden weiter westlich an der Juliusstraße begonnen [IBA-ARCHIV, 1989; AS 2]. Als Verfasser und Bauleiter ist hier der Maurermeister und spätere Bauunternehmer Carl Vogt, Castrop, tätig geworden [ARCHIV Bauordnungsamt Stadt Castrop-Rauxel, Bauakte Juliusstraße, Hausnummer 19].
Dieser ließ schon ab 1904 an der Markusstraßeund später bis 1914 an der Vördestraßeund Winkelstraßemehrere, Nord-Süd gerichtete Zeilen von zweigeschossigen, traufenständigen Doppelhäusern erbauen. Die Gebäude erhielten an den beiden Giebelwänden sowie entsprechend bei Doppelhäusern zusätzlich in der Gebäudemitte jeweils ein Treppenhaus, mit dem das Obergeschoss separat erschlossen wurde. Die Dächer waren bei einem Dachüberstand flach geneigt und sind, ursprünglich mit Teerpappe, heute natürlich (aufgrund des gestiegenen Umweltbewusstseins) mit Bitumenpappe abgedeckt. Die Gestaltung der Fassaden zeichnet sich durch eine einfache, zurückhaltende Gliederung durch Sockel und Geschossgesimse aus. Die Rahmungen der Öffnungen von Türen und Fenstern sind schlicht, in Stuck weiß abgesetzt, gehalten.
Die Rütgers-Werke versuchten, im Rahmen ihrer Produktion auch Außenwandfarben zu entwickeln. Die Farbproben wurden an diesen Häusern angebracht, so dass jedes Haus eine andere Farbe bekam (wegen dieser Farbpalette wurde die Siedlung im Volksmund auch„Ostereierkolonie“genannt) [GESCHICHTSKREIS, 1998; Seite 128].
Den Wohngebäuden wurden im Abstand über einen kleinen Binnenhof eingeschossige, gereihte Gebäude mit Ställen und auch Abtritten gegenüber gestellt. Dazwischen werden weitere Freiflächen zum Trocknen der Wäsche angeboten. Gemeinsame, jedoch unterteilte Gartenflächen zur Selbstversorgung der Bewohner liegen heute noch im Süden der Gebäude dieser, später als „Alte Kolonie“ bezeichneten, Wohnsiedlung. Diese Grünflächen machen noch heute den nachhaltigen Erholungs- und Freizeitwert dieses Quartiers aus. Dieser Siedlungsteil ist als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Castrop-Rauxel eingetragen.

Siedlungsbereich 3
Zu dieser Zeit gab es kein firmeneigenes Baubüro wie z. B. bei der Zeche Victor. In unmittelbarer Nachbarschaft entstanden bald schon ab 1914 Neubauten von zwei weiteren Zweifamilienwohnhäusern auch an der Straße „Am Salzbach“ und an der Vördestraßewiederum durch den Architekten August Franke, Wanne, der sich bereits für eines der Beamten- und Meisterhäuser an der Juliusstraße verantwortlich gezeigt hatte [ARCHIV Bauordnungsamt; Bauakte Juliusstraße].
Bereits bis 1913 sind die Rampenan der Victorstraße mit der Unterführungder Vördestraße durch ein Brückenbauwerk unter den Gleisen der Köln-Mindener Eisenbahn in einer Katasterkarte dargestellt und belegt [GESCHICHTSKREIS, 1997; Seite 84 sowie STADTARCHIV; Katasterkarte 1913]. Damit konnte die Erschließung der Siedlung und der Werkanlagen für die Erreichbarkeit durch Fußgänger und Fahrradfahrer sowie Kraftahrzeuge verbessert werden. Die Werkanlagen waren jedoch vorrangig über den seit 1847 vorhandenen Schienenweg (Köln-Mindener Eisenbahn) und ab 1900 auch über die Wasserwege (Rhein-Herne-Kanal) angebunden. Diese beiden stellen bis heute die maßgebliche Erschließung der Werkanlagen für die Erzeugnisse des Unternehmens dar [INFO Rütgers Germany].

Siedlungsbereich 4
Daraufhin entstand um 1910 an der Vördestraße- unmittelbar nördlich der Eisenbahnunterführung und nördlich des Stellwerks (1907) - das zweigeschossige repräsentative Mehrfamilien-Wohnhaus mit Walmdach und schlicht verputzter Lochfassade in den Formen der Neuen Sachlichkeit, für Eisenbahn-Beamte [ARCHIV Bauordnungsamt; Bauakte Vördestraße, Hausnummern 3 und 5]. Westlich des Gebäudes weist auch hier in kleiner Doppelstall mit Fachwerk-Giebel auf die seinerzeitige Selbstversorgung der Bewohner hin.
Das westlich davon zurückliegende Wohnhaus Vördestraße 15 / 17 ist allerdings bereits um 1900 für Bahn-Bedienstete (als Bauherr zeichnete die Königliche Eisenbahn-Direktion, Köln (rrh. = rechtsrheinisch), Betriebs-Amt Dortmund) errichtet worden [ARCHIV Bauordnungsamt; Bauakte Vördestraße, Hausnummer 15].

Siedlungsbereich 5
Nach dem Ersten Weltkrieg war wieder ein starker Anstieg der Produktion mit der Imprägnierung von Eisenbahnschwellen, Leitungsmasten und Grubenhölzern sowie allmählich im Zuge der Entwicklung von neuen Technologien zur Kohlenstoff-Spaltung zu verzeichnen mit der Folge, dass immer mehr Beschäftige eingestellt wurden und unterzubringen waren. Die soziale Situation der zahlreichen Mitarbeiter spiegelt sich um 1920 mit dem Bau eines Ledigenheims an der Vördestraße 22 bis 26 wider, dessen Architekt Otto Münnekehoff, Castrop-Rauxel, war [ARCHIV Bauordnungsamt; Bauakte Vördestraße, Hausnummern 26 bis 28]. Ledige waren meist alleinstehende, jüngere, aber auch ältere Personen, die im Unternehmen ihre Ausbildung erhielten und den künftigen Grundstock für eine gut ausgebildete, beständige Mitarbeiterschaft eines Betriebes bildeten.
Diese Form der Unterbringung war übrigens auch bei den Gewerkschaften der Zechen üblich.

Siedlungsbereich 6
In der Folge entstanden ab 1922 als dichte Blockbebauung ein- bis zweigeschossige Reihenhauszeilen für jeweils vier Familien im Winkel südlich der Friedenstraßesowie westlich der Kämpenstraße[BOLLEREY / HARTMANN, 1978; CAS 6 sowie IBA-ARCHIV, 1989; AS 3]. Grundlage dafür war ein Entwurf des Architekten Georg Honold, Berlin [ARCHIV Bauordnungsamt; Bauakte Friedenstraße, Hausnummer 2 und folgende]. Es ist anzunehmen, dass die Nachfolger von Julius Rütgers durch den damaligen Hauptsitz der Firma in Berlin offensichtlich gute Kontakte zu diesem Büro hatten.
Die geschlossene, die Straße begleitende Bebauung wird durch einen Zwischentrakt mit einem Tordurchgang miteinander verbunden. Die Traufenstellung der Dächer wird durch eingestellte Zwerchhäuser lebhaft untergliedert. In deren Zwischenräumen vorgestellte, jüngst erneuerte, Treppenaufgänge überwinden den Höhenunterschied vom Straßenniveau zum Hochparterre des Erdgeschosses, da der Baugrund in einem feuchten Gebiet gelegen hat. Hinweise dafür gibt auch ein Lageplan mit der frühen Verrohrung („Regulierung“) des Salzbaches um 1920, der vor der Erschließung der Siedlung offen von Osten nach Westen floss und heute erst wieder westlich der Siedlung zutage tritt [ARCHIV BauO; Bauakte Juliusstraße].
Dieser Siedlungsteil steht als Baudenkmal ebenfalls unter Schutz.

Siedlungsbereich 7
Bald darauf wurde an der Friedenstraßeein Doppelwohnhaus für 4 Familien in den Formen und Materialien der Zeit um 1926 in Formen der Neuen Sachlichkeit erstellt ­(Verfasser nicht bekannt) [ARCHIV BauO; Bauakte Friedenstraße 9 bis 11].
Während des Zweiten Weltkrieges bezeugen die Bauakten die „Errichtung einer Mannschaftsbaracke für russische Zivilarbeiter“ an der Vördestraße nordwestlich des heutigen Sportplatzes am Knick der heutigen Hafenstraße durch die Rütgers-Werke AG. Bauantrag und Fertigstellung erfolgten 1942 / 1943. Diese bauliche Anlage ist laut Vermerk des Architekten und Regierungs-Baumeisters außer Dienst, des späteren Stadtbaurates Winfried Bentele am 15.03.1945 bei einem Bombenangriff auf die Rütgers-Werke und die benachbarte Gesellschaft für Teerverwertung (GfT) vollständig zerstört worden [ARCHIV, Bauakte Vördestraße, Hausnummer 29 a sowie BAUMEISTER, 1988; Seite 268].
Hernach wurden in der näheren Umgebung die Errichtung von „Nissenhütten“ (= Gebäude mit einem halbrunden Dach aus Wellblech nach dem System „Nissen“) auf dem Gelände des früheren Gemeinschaftslagers Vördestraße Nr. 3 zur Unterbringung von Ostflüchtlingen westlich des heutigen Sportplatzes durch die Klöckner Werke AG beantragt und 1946 / 1947 errichtet [ARCHIV Bauordnungsamt; Bauakte Vördestraße, Hausnummer 3 a bis f]. Demnach muss es in dem Waldstück zwischen dem Salzbach im Westen und der Vördestraße im Osten bereits während des Krieges mehrere Lager für ausländische Arbeiter („Fremdarbeiter“) und Kriegsgefangene gegeben haben, die in den benachbarten Betrieben der Gewerkschaft Victor als Teil der Klöckner Werke sowie der Rütgers-Werke eingesetzt worden sind [siehe auch Kapitel „Ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in Castrop-Rauxel während des Zweiten Weltkrieges“ in: SCHOLZ, 1996; Seite 302 und folgende]. Die heute vorzufindenden baulichen Anlagen im Waldgebiet westlich der Vördestraße (2009: Gebäude des Polizei-Hunde-Sportvereins) sind jedoch nach der Aktenlage nicht sämtlich als Bestandteile dieser ehemaligen Behelfs-Siedlungen zu belegen. Lediglich bei dem Nord-Süd gerichteten Gebäude handelt es sich offensichtlich um das ehemalige Abortgebäude des Flüchtlingslagers [ARCHIV Bauordnungsamt; Bauakte Vördestraße, Hausnummer 3 a bis f].
Das Gebäude des Pfadfinderheims ist nach 1950 entstanden.

Siedlungsbereich 8
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der Siedlungsbau bald nach der Währungsreform 1948 wieder in Formen des sozialen Wohnungsbaus erst als Wiederaufbau bzw. Neubau kriegszerstörter Gebäude an der Vördestaßeund Juliusstraßeam Standort der Vorgängerbauten von 1910, später in den 1950er und 1960er Jahren unter andern durch die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (heute: GEWO), Castrop-Rauxel [ARCHIV BauO; Bauakte Vördestraße 25].

Siedlungsbereich 9
Eines der ersten Gebäude in der Friedenstraßewar der Neubau eines Mehrfamilien-Doppelhauses, das 1957 von dem Architekten Heinrich Stollmann,Castrop-Rauxel,verfasst worden ist [ARCHIV BauO; Bauakte Friedenstraße 11/13 sowie ADRESSBUCH, 1955].
Ab 1960 wurde ebenfalls dort weitere Baulücken mit zwei dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern geschlossen [ARCHIV BauO; Bauakte Friedenstraße 3 und folgende]. Die beiden Bauzeilen sind in der Bauflucht zurückgesetzt und haben die in dieser Zeit üblichen, pflegeleichten Vorflächen mit Rasen erhalten.

Siedlungsbereich 10
Bald danach wurden, ebenfalls auf der Grundlage der Entwürfe des Architekten Heinrich Stollmann, zwei dreigeschossige 6-Familienhäuser im Süden der Vördestraße und der Kämpenstraße erstellt. Im Zuge der Erichstraße wurden danach weitere zweigeschossige 4-Familienhäuser beantragt und ausgeführt [ARCHIV BauO; Bauakte Vördestraße 14].
Die Gebäudezeilen wurden jeweils als „Zweispänner“ mit flacher geneigten Satteldächern als zuvor sowie als verputzte Fassaden errichtet. Als „Zweispänner“ werden Gebäude bezeichnet, die mit zwei Wohnungen pro Etage ein gemeinsames Treppenhaus umschließen. Dadurch konnte gegenüber den früheren Bauformen die Errichtung eines Treppenhauses eingespart werden. Dieses war für Gebäude im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus inzwischen üblicher Standard geworden. In dieser Zeit unterhielt die Firma Rütgers offensichtlich ein eigenes Baubüro, um die vielfältigen Aufgaben innerhalb und außerhalb des Betriebes bewältigen zu können [ARCHIV BauO; Bauakte Erichstraße 2 und folgende]. Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Erdöls und dessen Konkurrenz am Markt fusionierte 1964 die Firma Rütgers mit der Gesellschaft für Teerverwertung - GfT - (1913 - 1963), die in der Nachbarschaft nördlich des Betriebes ihren Standort hatte [GFT, 1930; Übersichtskarte sowie LEHMANN, 1985; Seite 130 und GESCHICHTSKREIS, 1997; Seite 92].
Innerhalb der weiteren Entwicklung ist bemerkenswert, dass zahlreiche Facharbeiter und Ingenieure aus der Region in dem Unternehmen einen Arbeitsplatz gefunden haben. Viele dieser Mitarbeiter hielten jedoch aufgrund der wachsenden Mobilität vermehrt an ihrem Wohnsitz in den angestammten Orten außerhalb von Castrop-Rauxel fest. Die Wohnungsbautätigkeit der Firma ging in der Folgezeit zurück und ist - bis auf die Unterhaltung der weiterhin in ihrem Eigentum stehenden Gebäude - heute weitgehend eingestellt worden [INFO Rütgers Germany]. Die Firma konzentriert sich seitdem auf die Instandhaltung und Erneuerung der Produktionsanlagen. Dabei geht es vor allem darum, einerseits die Anforderungen des technischen Fortschritts und der gestiegenen Umweltauflagen zu erfüllen sowie andererseits als Wettbewerber innerhalb der globalen Wirtschaft weiterhin gut aufgestellt zu sein und zu bleiben [ebenda].

(LWL-Amt für Landschafts- und Baukultur, 2009)

Literatur

Baumeister, Werner (2008)
Castrop-Rauxel im Luftkrieg 1939-1945. Castrop-Rauxel.
Geschichtskreis des Stadtarchiv Castrop-Rauxel (Hrsg.) (1997)
Anmerkungen zur Geschichte der Rauxeler Zweigniederlassung der Rütgerswerke 1897-1964. (Geschichtskreis des Stadtarchiv Castrop-Rauxel: Rund um den Bahnhof.) Castrop-Rauxel.
Gesellschaft für Teerverwertung (GfT) m.b.H. Duisburg-Meiderich (Hrsg.) (1930)
1905-1930. Essen.
Krau und Lensing, Büro für Stadtplanung und städtebaulichen Entwurf (Hrsg.) (1989)
Internationale Bauausstellung IBA: Bestandsliste und Erstbewertung prägender industriekultureller Strukturen, Bereiche und Objekte. Objektliste AS 15. Bochum.
Landesvermessungsamt NRW (Hrsg.) (2005)
HistoriKa 25. Historische topographische Karten des heutigen Nordrhein-Westfalen im Wandel der Zeit. Bonn.
Landesvermessungsamt NRW (Hrsg.) (1842)
Preußische Aufnahme, Urmeßtischblatt 4409. Bonn-Bad Godesberg.
Landesvermessungsamt NRW (Hrsg.) (o.J.)
Königlich Preußische Landesaufnahme - Neuaufnahme, Blatt 4409. Bonn-Bad Godesberg.
Lehmann, Klaus Michael (1985)
Rütgerswerke AG Castrop-Rauxel. (Castrop-Rauxel, Kultur und Heimat, Heimatblätter für Castrop-Rauxel und Umgebung. Ortsverein Castrop-Rauxel im Westfälischen Heimatbund, Heft Nr. 3/4.) Castrop-Rauxel.
Ludorff, Albert (1907)
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Bochum-Land. Paderborn.
Märkischer Verlag (Hrsg.) (1955)
Adressbuch der Stadt Castrop-Rauxel 1955. Bochum.
Rütgers Verkaufsvereinigung für Teererzeugnisse AG (VfT) (Hrsg.) (1997)
100 Jahre Werk Castrop-Rauxel. Castrop-Rauxel.
Rütgerswerke AG (Hrsg.) (1985)
40 Jahre danach. 1945-1985 Rütgerswerke AG Rauxel (Broschüre zur Ausstellung). Castrop-Rauxel.
Scholz, Dietmar (1996)
Von der "Freyheit" zur "Europastadt". Eine Geschichte der Stadt Castrop-Rauxel. Stuttgart.
(2009)
Auskünfte und Hinweise durch die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Firma Rütgers. Castrop-Rauxel.
(o.J.)
Bauakten von Bauvorhaben. Castrop-Rauxel.
(1978)
Siedlungen aus den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster. Beitrag zu einem Kurzinventar (Dokumentation des Forschungsvorhabens "Wohnen und Arbeiten im Ruhrgebiet", Arbeitsschritt 1). (Dortmunder Arbeitshefte, 8.) Greven.
(1913)
Katasterkarte 1913. Castrop-Rauxel.

Arbeitersiedlung der Firma Rütgers in Bladenhorst

Schlagwörter
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:25.000 (kleiner als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Archivauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1900 bis 1970

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„Arbeitersiedlung der Firma Rütgers in Bladenhorst”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/A-P363N504-20090709-0002 (Abgerufen: 4. Mai 2024)
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