Die jüdische Gemeinde in Dülken seit dem frühen 19. Jahrhundert: Seit dem 17. Jahrhundert lebten Juden (wieder) kontinuierlich in Dülken. Sie bildeten im 19. Jahrhundert eine Filiale der Kreissynagogengemeinde Kempen. Gemeindegröße um 1815: 83 (1806) / 92 (1808), um 1880: 94 (1885), 1932: 70 / 60 (1933), 2006: -. Synagoge: Um 1680 ist die erste Synagoge in Dülken belegt. 1781 wurde eine neue Synagoge gestiftet. Der 1898 errichtete Neubau wurde 1938 zerstört (vorstehende Angaben alle nach Reuter 2007).
Zu Ende des Alten Kaiserreiches und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde weitaus mitgliederstärker als die reformierte Gemeinde. Juden lebten in Dülken bereits im 14. Jahrhundert, verließen die Stadt aber im Zuge der damaligen Verfolgungen. Erst im 17. Jahrhundert bildete sich wieder eine neue Gemeinde. Sie errichtete 1893 direkt gegenüber der evangelischen Kirche eine Synagoge, die 1938 durch Brandstiftung zerstört wurde. Emigration, Verfolgung und Ermordung führten bis 1942 zum Aussterben der jüdischen Gemeinde (Groten 2006, S. 1027-1028).
Einen ersten Übergriff auf Juden in Dülken gab es bereits zu Beginn der NS-Herrschaft, als 1933 SS-Männer Schüsse auf ein Polstergeschäft abfeuerten und anschließend den Polizeiposten auf der Straße verletzten. Am 9. November 1938 steckten Nationalsozialisten die Synagoge an der Martin-Luther-Straße in Brand. Das Gotteshaus wurde kurz nach dem Brand niedergelegt, den Abriss musste die jüdische Gemeinde bezahlen. Die letzten Dülkener Juden wurden 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt im damals besetzten Gebiet des heutigen Tschechien deportiert.
Die gerettete Thora Kultgegenstände aus der Dülkener Synagoge, darunter zwei Thorarollen mit der heiligen Schrift des Judentums und eine Menora (ein siebenarmiger Leuchter), konnten bei der Zerstörung des jüdischen Gotteshauses gerettet werden. Sie wurden von dem Pfarrer der evangelischen Gemeinde zwischen 1936 und 1978, Wilhelm Veit (1908-1995), bis zur Befreiung 1945 versteckt. Nach dem Zweiten Weltkrieg übergab Pfarrer Veit die Thorarollen und das Kultgerät an die jüdische Gemeinde in Krefeld. Später wurde er für seine Verdienste mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet (vgl. rp-online.de mit der Angabe 1978; hingegen erfolgte laut der deutschen Wikipedia eine Ehrung Veits mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse im Jahr 1980). Die über den Krieg und die NS-Zeit gerettete Thora darf nach den jüdischen Religionsgesetzen nicht mehr für den Gottesdienst verwendet werden, da sie beschädigt ist und somit nicht mehr koscher (tauglich, rein). Eigentlich würde eine solche Thorarolle der Tradition nach auf einem jüdischen Friedhof begraben. Der Rabbiner in Krefeld, Yitzchak Mendel Wagner, konstatierte jedoch, „Die Rolle ist nicht mehr koscher, aber heilig, weil ein Mensch sein Leben in Gefahr gebracht hat, um sie zu retten.“ - das alte Pergament wird daher im Museumsbereich der Neuen Synagoge in Krefeld ausgestellt (rp-online.de 2018).
Lage, Gedenken Der einstige Standort der früheren Synagoge ist weder auf den historischen Karten der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) noch auf der topographischen Karte TK 1936-1945 genauer auszumachen (vgl. Kartenansicht) und hier daher mit einer symbolischen Geometrie gegenüber der evangelischen Christuskirche eingezeichnet. Hinweise, die eine genauere Verortung erlauben, sind willkommen.
Heute erinnert eine Tafel an der Martin-Luther-Straße an den früheren Standort der Synagoge. Ferner erinnern in Dülken über zehn Stolpersteine an während der NS-Zeit deportierte und ermordete Juden.
Internet rp-online.de: Pogromnacht in Dülken. Als die Synagoge in Dülken brannte (Rheinische Post vom 09.11.2018, abgerufen 13.11.2023) de.wikipedia.org: Dülken (abgerufen 13.11.2023) de.wikipedia.org: WikiProjekt Bundesverdienstkreuz 1980 (abgerufen 13.11.2023)
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) Stuttgart (3. völlig neu bearbeitete Auflage).
Pracht-Jörns, Elfi (2000)
Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland 34.2.) S. 556-560, Köln.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 36, Bonn.
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