Morgens Fango, abends Tango

Bad Neuenahr - heiter, anmutig und unterhaltsam

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  • Ausflug nach Bad Neuenahr - historische Postkarte

    Ausflug nach Bad Neuenahr - historische Postkarte

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  • Ein interessanter Fall aus Bad Neuenahr

    Ein interessanter Fall aus Bad Neuenahr

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Aufbau und Entwicklung des jungen Heilbades Neuenahr im romantischen Ahrtal profitierten in hohem Maße von dem mit der Industrialisierung verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung in Europa. Bereits 7 Jahre nach der Eröffnung der ersten Kursaison am 31. Mai 1859 konnten im Heilbad Neuenahr schon 2.009 Gäste willkommen geheißen werden. Gefördert wurde diese Entwicklung durch die immer bequemeren Reise- und Unterbringungsmöglichkeiten, die nicht nur Angehörigen des Adels, sondern auch einem bürgerlichen Publikum einen angenehmen Aufenthalt ermöglichten.

Nach dem Motto „Willst an Leib und Seel' gesunden, mach' dir viele schöne Stunden“ eröffneten die Kurorte gerade für das Bürgertum mit seinen strengen Moral- und Tugendvorstellungen einen gewissen gesellschaftlichen Freiraum, der nicht selten die sorglose Begleitung durch einen sogenannten „Kurschatten“ ermöglichte. Offen spricht dies Walther Ottendorf-Simrock in seiner kleinen Broschüre „struwelpeter im heilbad“ an, wenn er dichtet: „Mancher wünscht sich eine Maid, eine hübsche, jetzt zur Seit', Hat nicht Goethe schon gekannt, was wird “Kurschatten„ genannt?“

Aber nicht nur für die männlichen Kurgäste war dieser Aspekt des Kurbetriebs von Interesse. Auch für Familien mit unverheirateten Töchtern, für unverheiratete Frauen und Witwen waren die Kurorte wichtige gesellschaftliche Begegnungsorte. Dass diese im Überschwang der Gefühle nicht immer nur positive Auswirkungen hatten, kommt noch im Ratgeber für Kurgäste „Auf Du und Du im Heilbad Bad Neuenahr“ der Nachkriegszeit zum Ausdruck. Denn hier findet sich unter anderem der Hinweis für „weibliche Curgäste“, dass Cafébesuche in Begleitung eines Cavaliers nicht verboten seien, man sich zum Casino jedoch nur mit einer „creditfähigen“ Begleitung begeben solle.

Das war insofern ein wichtiger Hinweis, als es sich bei den Gästen des Heilbades Neuenahr nicht nur um Angehörige des Adels, sondern überwiegend um Vertreter des Bürgertums handelte. Es gehört zu den Kurbädern, die sich nach dem Wiener Kongress im Zusammenhang mit einer sich entwickelnden balneologischen Wissenschaft (Wissenschaft von der Heilkraft des Wassers) entwickelt haben. Das bedeutet, dass auf der Grundlage wissenschaftlicher Quellenanalysen individuelle Therapiemethoden entstanden, die auf bestimmte Krankheitsbilder immer genauer zugeschnitten wurden. Dies ermöglichte den Kurorten, ihre Angebote auch auf die Bedürfnisse des gehobenen und mittleren Bürgertums immer besser auszurichten und eine intensive körperliche und seelische Regeneration zu ermöglichen.

Begleitet wurden diese therapeutischen Anwendungen von im Vergleich zu den Adelsbädern bescheidenen gesellschaftlichen Erlebnisorten, an denen ein gesellschaftliches Kennenlernen erleichtert und gefördert wurde. Hierzu gehörten in Bad Neuenahr die Musikpavillons im Kurpark und zwischen Kurhotel und Kurhaus mit abwechslungsreichen musikalischen Darbietungen des Kurorchesters, die angenehm gestalteten Spazierwege in den Trink- und Wandelhallen sowie dem Kurpark, das abwechslungsreiche Theater- und Konzertprogramm im Kurtheater (ab 1905), die behaglichen Hotels mit ihren Bars und Konzertsälen und nicht zuletzt die Spielsäle des Casinos, das 1948 in Bad Neuenahr eröffnet worden war.

Losgelöst vom Alltag und seinen Konventionen und von einer längeren Krankheit erholt, war und ist es das Ziel einer Kur, das Leben wieder frisch zu begrüßen und in vollen Zügen zu genießen.

(Heike Wernz-Kaiser, Museale Sammlung der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, 2025)

Literatur

Bleymehl-Eiler, Martina (2007)
Der Kurschatten - ein Tabu bei Licht betrachtet. Eine Ausstellung der Stiftung Kur-Stadt-Apothekenmuseum Bad Schwalbach. Bad Schwalbach.
Lux, Hanns Maria; Ottendorf-Simrock, Walther (o.J.)
Auf Du und Du mit Bad Neuenahr. Ein Büchlein für die Freunde des Heilbades. Neuwied.
Ottendorf-Simrock, Walther (o.J.)
Struwelpeter im Heilbad. o. O.
Wernz-Kaiser, Heike (1993)
Die Kur. In: Museum der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, S. 32-34. Bad Neuenahr-Ahrweiler.

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Heike Wernz-Kaiser, „Morgens Fango, abends Tango”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-356596 (Abgerufen: 9. Dezember 2025)
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