Erdgeschichte kompakt: Entstehung der Naturlandschaft in Deutschland

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
  • Abbildung: Geologische und landschaftliche Entwicklung vor etwa 300 bis 350 Millionen Jahren im Oberkarbon

    Abbildung: Geologische und landschaftliche Entwicklung vor etwa 300 bis 350 Millionen Jahren im Oberkarbon

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    Boldt, Kai-W.
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    Kai-W. Boldt
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Das Verstehen der Landschaften in Deutschland ist nicht möglich, ohne eine zumindest kompakte, stark vereinfachte Vorstellung von der Erdgeschichte zu haben. Eine geologische Story sozusagen.

Im Prinzip sah es immer ähnlich aus wie heute, nur hatten die Kontinente und Meere eine ganz andere Verteilung auf dem Globus und das Klima war zeitweise extremer. Die Geschichte unserer Erde ist deshalb zunächst Geologie pur: Die Erde ist wie ein Ei – der Erdkern entspricht dem Eigelb, der Erdmantel dem Eiweiß und die Eierschale der Erdkruste, genauer: der Lithosphäre. Die Lithosphäre ist wie ein Mosaik und besteht aus verschiedenen, oft mehrere 1.000 Quadratkilometer großen Platten, die gegeneinander beweglich sind. Kollidieren solche Platten, entstehen mächtige Gebirge durch knautschartige Verformungen der Gesteine – wie eine Karambolage bei einem Verkehrsunfall.

Genau das ist weltweit immer wieder passiert – mit dramatischen Folgen wie Erdbeben, Vulkanausbrüchen und tief greifendem Klimawandel. Zwischenzeitlich gab es sogar Meteoriteneinschläge, die nicht nur den Sauriern das Leben schwer machten, sondern kurzfristig für unvollstellbare Bedingungen auf der Erde sorgten, indem sie durch die Wucht ihres Aufpralls Staub in die Atmosphäre schleuderten und die Sonne verdunkelten. Auch in Deutschland gab es einen gigantischen Impakt: das Nördlinger Ries ist das sichtbare Resultat.

Seit einer halben Milliarde Jahre vollzogen sich in Mitteleuropa drei große sogenannte Tektonogenesen (Gebirgsbildungsphasen). Das älteste, Kaledonische Gebirge – der alte rote Kontinent („Old Red“) – ist längst wieder abgetragen worden und vom Schutt jüngerer Gebirge begraben. Diese Situation haben wir im Norddeutschen Tiefland.

Zur Ruhe kam Mitteleuropa keineswegs: Die Variszische Gebirgsbildung stand circa 370 Millionen Jahre vor heute sozusagen vor der Tür. Ihre Hinterlassenschaften sind Mittelgebirge wie das Rheinische Schiefergebirge, die bis jetzt aufgrund fortschreitender Hebung und trotz Abtragung immer noch sichtbar sind. Etwas Besonderes sind die Steinkohlen, die unter tropischem Klima an dessen Rändern entstanden. Es war feucht, heiß und Sümpfe prägten die Szenerie. Darüber hinaus gab es am Rand der Varisziden großräumige Ablagerungen von Sanden, Tonen oder auch Kalken im Übergang von Flussdeltas ins offene Meer, die sich im Laufe der Zeit verfestigt haben und heute als schrägstehende Schichtstufen wie die Schwäbische Alb im Gelände auftauchen.
Die vorerst letzte Gebirgsbildungsphase begann vor etwa 150 Millionen Jahren und ist visuell die bislang stärkste: die Alpen und das Alpenvorland als deren Sedimentationstrog sind die Resultate dieser Phase.

Diese geologische Grundstruktur erklärt die Großregionen der naturräumlichen Gliederung Deutschlands als geologisch vorgezeichnete Blöcke: Alpen, Alpenvorland, Schichtstufenland, Mittelgebirgschwelle, Norddeutsches Tiefland mit der daran anschließenden Nord- und Ostsee.
Die grobe Grundform ist aber nur die Basis für eine hochgradig differenzierte Landschaft, deshalb zunächst eine kleine Metapher zur Formung der Landschaft: Die Erdgeschichte ist wie ein Künstler, der mit seinen Materialien – den Gesteinen – kunstvolle Skulpturen wie Berge und atmosphärische Tallandschaften modelliert.
Ein wichtiger Faktor war hierfür das Klima, das sich bis heute permanent verändert. Noch vor 60 Millionen Jahren gab es bei uns ein feucht-heißes Klima mit einer intensiven Bodenbildung und Erosion. Die Landschaften waren eintöniger und durch weite Ebenen (Rumpfflächen) geprägt. Mahagonibäume, Sümpfe und Tiere wie Schildkröten prägten zeitweise die Szenerie. Bisweilen war es aber auch wüstenhaft trocken oder es gab ein Wohlfühlklima wie am heutigen Mittelmeer. Verschiedene Faktoren, wie die Wanderung der Antarktis zum Südpol, waren dann aber dafür verantwortlich, dass sich das Klima immer stärker abkühlte. Im Verbund mit trockeneren Phasen und bei gleichzeitger tektonischer Hebung wurde die Landschaft immer stärker reliefiert – es entstanden Täler und Berge: die Grundvoraussetzung für die Entstehung untergeordneter Strukturen der naturräumlichen Gliederung Deutschlands wie Regionen und Haupteinheiten.

Dann kam es vor knapp 2 Millionen Jahren zum vorläufigen Showdown: Das Eiszeitalter sorgte für massive visuelle Veränderungen: Hunderte Meter bis sogar Kilometer mächtige Gletscher stießen von Norden (Skandinavien) und von Süden (Alpen) vor. Sie parkten durch das Aufschieben von Gesteinen und deren Austauen an der Gletscherfront mächtige Haufen aus Gestein und Lehm in der Landschaft (Moränen). Taute das Eis wieder in wärmeren Phasen, floss das Wasser in riesigen Urstromtälern in Richtung Atlantik ab – die Areale von Elbe und Rhein wurden in dieses Szenario einbezogen. Randlich der Eismassen herrschte das unwirtliche Periglazial und Tiere wie Mammuts bevölkerten Deutschland. Schuttdecken wälzten sich als aufgetauter Boden mittels Solifluktion talwärts. In trockeneren Phasen wurden Sande und das feinkörnigere Gesteinsmehl ausgeblasen und als Dünen oder Löss wie ein Schleier abgelagert. Auf Löss basiert unter anderem die Fruchtbarkeit der Böden für die Landwirtschaft. Und die Flüsse bildeten schließlich beim zyklischen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten charakteristische Terrassen, etwa im Rheintal. Diese nutzen wir heute, nach der Anlage kleinteiliger künstlicher Terrassen, für den Weinanbau.

Mit dem Holzän kam die Landschaft vor 10.000 Jahren langsam zur Ruhe. Jetzt war die Zeit gekommen, die für die vorerst abschließende Ausdifferenzierung der Naturlandschaft verantwortlich ist und der Strukturierung der naturräumlichen Gliederung den letzten Schliff gegeben hat. Typische Wälder aus Buchen und Eichen entstanden auf den weit verbreiteten Braunerden, während sich lokal Nadelbaumareale auf saurerem Sandsubstrat ausbreiteten.

(Kai-William Boldt, 2020)

Literatur

Boldt, Kai (2001)
Känozoische Geomorphogenese im nordöstlichen Mainfranken. Formung im globalen Wandel des klimatisch-strukturellen Wirkungsgefüges. In: Würzburger Geographische Arbeiten, Heft 96, Würzburg.
Boldt, Kai (2000)
Steuerung der globalen Klimavariabilität der letzten 60 Mio. Jahre und ihre methodische Erfassung. In: Petermanns Geographische Mitteilungen 144, S. 74-85. Gotha.
Boldt, Kai-William; Gelhar, Martina (2008)
Das Ruhrgebiet - Landschaft, Industrie, Kultur. Darmstadt.

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Kai-William Boldt, „Erdgeschichte kompakt: Entstehung der Naturlandschaft in Deutschland”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-324076 (Abgerufen: 19. März 2025)
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